Nachgetreten: Demagogie, Pädagogik und Diskurs

Prof. Werner Ruf war zusammen mit Dr. Rabani Alekuzei als Teilnehmer einer Podiumsdiskussion am Friedrichsgymnasium in Kassel eingeladen, an der, so Rabani 300 Schüler teilnahmen. Das Friedrichsgymnasium genießt in Kassel den Ruf, vorbildliche Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit zu leisten. Schüler des Friedrichsgymnasiums besuchten als Kasseler Schüler erstmals seit längerem wieder Kassels Partnerstadt Ramat Gan, widmen sich der Flüchtlingsthematik und beteiligen sich an der Arbeit des Vereins Stolpersteine Kassel e.v.

Thema der Podiumsdiskussion war der islamistische Terroranschlag, oder vielleicht doch der „Widerstand gegen den Imperialismus“ in Paris? Im Vorfeld schrieb das Bündnis gegen Antisemitismus Kassel einen offenen Brief an das Friedrichsgymnasium und verlangte die Ausladung Prof. Rufs. Vergebens. Sowohl Schule als auch die politisch Verantwortlichen – die Kasseler Schulderzentin Anne Janz, das hessische Kultusministerium – hüllten sich in Schweigen.

Die beiden Diskutanten auf der FB-Seite des Kasseler SPD Stadtverordneten Dr. Rabani Alekuzei

Die beiden Diskutanten auf der FB-Seite des Kasseler SPD Stadtverordneten Dr. Rabani Alekuzei

Eine Reaktionen gab es dann zunächst doch. Eine in Kassel als Lehrkraft tätige Person schrieb uns an und führte aus, „die Kolleginnen und Kollegen des Friedrichsgymnasiums [hätten sicherlich] diese Veranstaltung inhaltlich verantwortungsvoll vorbereitet und in einen unterrichtlichen Kontext eingebettet.“

Wie kann der unterrichtlich Kontext wohl an einer Schule aussehen, die „sich auf vielfältige Weise an den Festveranstaltungen anlässlich der Jubiläen der deutsch-israelischen Beziehungen beteiligt [hat]“? Wie kann jemand wie Ruf sinnvoll in einen unterrichtlichen Kontext eingebettet werden, noch dazu, wenn sein Partner auf dem Podium aus dem gleichen Stall kommt – außer dass man ihn auslädt?

In einem Aufsatz, den Ruf zum Thema Islamismus verfasste und den wir zur Illustration der Problematik mit unserem offenen Brief zusammen versandten, führt Ruf aus:

„Die antiimperialistische Symbolik und die wachsende Gewalttätigkeit des sich auf den Islam berufenden Widerstands fördern in weiten Kreisen der arabisch-islamischen Welt Stolz und Selbstbewusstsein, ganz so wie die Selbstmordanschläge von Palästinensern in Israel die Botschaft vermitteln: Der Feind ist übermächtig, aber wir können ihn treffen, verletzen, verwunden; wir können Rache üben!“

Diese Ausführung – sieht man mal von der problematischen Verwendung des Begriffs „Widerstand“ ab – klingt zunächst wie eine wertfreie Darstellung des Politikverständnisses extremistischer Palästinenser und Islamisten. Doch spätestens durch die Koppelung mit dem Folgesatz:

„Die Hauptziele dieses Widerstands aber sind politische, nicht religiöse: …[nämlich] Israel zu einem diesen Namen verdienenden Friedensschluss mit den Palästinensern zu zwingen“

wird die vermeintliche Neutralität der ersten Aussage aufgehoben.

Frieden, der hier Israel aufgezwungen werden soll, gilt gemeinhin als löbliches und legitimes Ziel. Der Zuhörer, bzw. Leser, der diese Auffassung teilt – und davon kann Werner Ruf ausgehen, teilt doch die überwältigende Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung dieses Ziel – soll der ersten Aussage über den „Widerstand“ zustimmen, handelt es sich doch beim palästinensischen Terror um einen Kampf für einen Friedensschluss. Diese Verknüpfung wird mit der Floskel „diesen Namen verdienenden“ noch zusätzlich verstärkt.

Wir haben es hier also mit einem rhetorischen Trick zu tun. Dem Zuhörer wird zunächst die Beschreibung des Selbstverständnisses von palästinensischen Terroristen präsentiert, die sich dann der Leser durch den auf die Zustimmung setzenden zweiten Teil zueigen machen soll. Diese Figur transportiert zudem einen unausgesprochenen Subtext, nämlich dass Israel kein Interesse an einem Frieden hätte, bzw. die israelischen Vorstellungen von einer friedlichen Regelung den Namen Frieden nicht verdienten. In der Zusammenschau wird dann die Beschreibung zu einer Wertung: Der gegen einen übermächtigen Feind geleistete Widerstand und Friedenskampf führt in der arabischen Welt zu Stolz und Selbstbewusstsein.

Ehrlicher wäre es, wenn W. Ruf schreiben würde, „ich halte Selbstmordattentate für ein legitimes Mittel im Kampf gegen Israel!“, das macht er aber nicht, weil er weiß, dass so eine Position – offen ausgesprochen – indiskutabel ist, noch dazu an einer Schule, die sich damit brüstet, Teil der Gemeinde der vielen Freunde Israels zu sein. Also bedient er sich eines rhetorischen Tricks um diese erwünschte Schlussfolgerung, dem in einem unterrichtlichen Kontext eingebetteten Zuhörer aufzuerlegen. Denn dass es sich bei der Lehrer- und Schülerschaft dieser Schule um Anhänger des Friedens handelt, die als „Freunde“ Israel, Israel, bzw. um die Rechtfertigung des vor kurzem ebenfalls in Kassel aufgetretenen, sogenannten Antisemitismusforschers, Wolfgang Benz zu bemühen, Israels Regierung auch mal kritisieren dürfen wollen, sprich, dem ungehörigen Juden auch mal auf gut Deutsch Mores zu lehren, dass weiß auch ein Werner Ruf.  Seine rhetorischen Figuren kann man daher auch Demagogie nennen, die, so weiß es der Professor, auf fruchtbaren Boden bei den in einem unterrichtlichen Kontext eingebetteten Schülern fallen wird.

Die Kasseler Grünen haben uns dann auch noch geantwortet. Sie können keine strafrechtlichen Äußerungen Rufs erkennen – wir auch nicht – und wollten daher eine politische Diskussion auch nicht verbieten – das woll(t)en wir auch nicht. Sie finden eine Auseinandersetzung mit den Thesen Werner Rufs aber wichtig. Nun, auch das halten wir für notwendig. Eine Auseinandersetzung kann für uns jedoch nur bedeuten, weder mit solchen Experten wie Werner Ruf zu diskutieren, noch ihnen ein Podium zu bieten. Aber auf uns hört ja keiner. Hier der Brief der Fraktion die Grünen: Brief der Kasseler Grünen (jd)

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