Ein Aufbruch der Völkischen?

Wahlkampf in Kassel III: Die, die die Heimat im Herzen tragen und die trotzdem keiner mag

Zur AfD ist das gesagt worden, was zu sagen ist. Die FAZ schreibt Klartext: „Womit hat man es hier zu tun? Man sollte Pegida und AfD-Demonstranten beim Wort nehmen: ‚Wir sind das Volk‘ – das ist der Slogan einer völkischen Bewegung.“ Volker Zastrow brachte den ideologischen Kern dieser Partei auf den Punkt. Und wenn auch die AfD von offenen antisemitischen Parolen absieht, ja hier und dort auf Pegidademonstrationen eine Fahne Israels gesichtet wurde, führt Zastrow weiter aus, „was die völkische Bewegung der Vorväter zusammenhielt und ihr zugleich als Kraftquelle diente, war nun allerdings keine fröhliche Wissenschaft, sondern die schwarze Milch des Antisemitismus. … Antisemitismus ist auch heute unter den Gehässigsten der Pegida- und AfD-Anhängern verbreitet.“ Auch die Gewaltbereitschaft der Anhänger dieser Partei stellt Zastrow in den Zusammenhang der propagierten Politik und spricht folglich von der AfD als eine „Bürgerkriegspartei“.

Klare Feindbestimmung und ein Verweis auf eine Unterstützung

Wir und eine klare Feindbestimmung

Auch in Kassel wird an der Programmatik dieser Partei deutlich, wohin der Hase läuft. „Wir … finden, dass es nun an der Zeit ist, die Verhältnisse zu ändern.“ Dieser unverholen drohende Unterton, der im Passus „es ist an der Zeit“ durchklingt, erinnert an die Propaganda für einen nationalen Aufbruch. Der Konformismus, das Rückwärtsgewandte, Völkische und Reaktionäre dieses Aufbruchs kommt dann zum tragen, wenn im Folgenden formuliert wird: „Dabei wollen wir uns gleichzeitig zurückbesinnen auf die Menschen und Familien, auf die mittelständischen Betriebe und Familienunternehmen.“ Schon in der Überschrift des Programms tümelt es daher auch: „Heimat im Herzen.“ Ein „Wir sind stolz auf die historischen Wurzeln unserer Kulturstadt“ darf natürlich auch nicht fehlen.

Meinen sie die Wurzeln Kassels als Reichkriegerhauptstadt, als Garnisonsstadt, oder vielleicht nur die der Stadt, in der sich die völkisch und national gesinnten Brüder Grimm wie die berühmten Fische im Wasser aufhielten, um das zu dokumentieren, was das Volk sich so erzählte, oder meinen sie die Wurzeln Kassels als Ort einer Region, in der die Chatten beheimatet waren, die aufgrund der penetrant widrigen nordhessischen Wetterverhältnisse, nie vom zivilisatorischen Einfluss der Römer berührt wurden und brav bis heute hier sitzen geblieben sind, um ein pappegleichen Pamps, namens Weckewerk als regionale Spezialität, schlechte Heimatkrimis, einen grausligen Dialekt und ebensolchen autochtonen Humor als Kultur gegen die Errungenschaften der Zivilisation zu verteidigen? Für die Anhängerschaft dieser Partei dürfte von allem etwas dabei sein.

Kreise der Linken kolportieren, diese Partei (und die Pegida) seien Instrument des Kapitals, ein Versuch den in diesen Kreisen als im Kern berechtigt angesehenen Protest gegen das Establishment zu spalten. Es ist die alte Mär von den verführten und fehlgeleiteten Massen auf der dann die Exkulpation der Täter nach dem Pogrom folgt. – Nein, führende Vertreter deutscher Kapitalfraktionen lehnen die propagierte Politik der AfD (und Pegida) strikt ab. Und dass es die FAZ ist, die „Zeitung für Deutschland“, die mit der AfD abrechnet, verdeutlicht, dass diese Partei aktuell keine Option für Deutschland zu sein scheint.

Auch in anderen Medien ist angesichts des pöbelnden Dumpfbackentums in Sachsen und anderswo die Rede von einer Schande für Deutschland. AfD und ihre Anhängerschaft gelten zur Zeit als no go, geschäftsschädigend, als schädlich für das Ansehen Deutschlands, und die Aufregung um die Parole „Wir sind das Volk!“ legt es nahe, auch als Feinde des Volkes. In vielen Städten haben sich die demokratischen Parteien auf eine gemeinsame Sprachregelung verständigt, und sich gegen die AfD positioniert. (Ob das in Kassel auch passieren wird, man weiß es nicht.)

Sollte man nun auf Torten zurückgreifen, oder eher auf die List der Vernunft hoffen, auf die von Karl Marx beschriebene unerbittlich modernisierende Rolle des Kapitals, dass also der aufbegehrenden Pöbel von der, sich hinter den Rücken der Menschen vollstreckenden, Logik kapitalistischer Vergesellschaftung in die Strafecke verwiesen wird? Die Entwicklung in anderen europäischen Ländern zeigt an, dass letztere Hoffnung trügerisch sein kann. Auch kann die modernisierende, überkommene Verhältnisse überwindende und Grenzen niederreißende Kraft des Kapitals heute in Zweifel gestellt werden. Aufgrund der Produktionsverhältnisse und der diesen innewohnenden Akkumulationsbedingungen, werden immer größere Gebiete des Globus, aber auch innerhalb Deutschlands und anderer Nationen als für das Kapital als uninteressant ausgewiesen. Dort leben die Überflüssigen. Inwiefern diese in den Metropolen als „Sturmtruppen“ zur Etablierung autoritärer Verhältnisse gebraucht werden, ist schwer zu beantworten. Dies scheint eher ein Phänomen der abgehängten Regionen, resp. Nationen zu sein.

Das Bündnis von Mob und Eliten schickt sich z.B. in Polen und Ungarn an, die Grundlagen demokratischer Verfasstheit zu untergraben und ob der Damm der gemäßigten Rechten und Sozialisten in Frankreich Bestand gegen den Front National hat, ist ob der Orientierungslosigkeit der staatstragenden Parteien ungewiss. Was die Situation in Kassel zusätzlich problematisch macht, ist die z.T. unverhohlene, z.T. naive Protegierung der AfD in der, leider vor Ort nicht ganz unbedeutenden, lokalen Presse. Die Genossinnen und Genossen der T.A.S.K. haben weitere Punkte aufgeführt, die AfD nicht zu unterschätzen: AfD in Kassel. (jd)

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