Norman Peach, Ursula Jelpcke, Inge Höger, Anette Groth, Sevim Dagdelen, Herman Dierkes, Karin Leukefeld, die Liste lässt sich weiterführen, so schnell wäre kein Ende zu finden. Der Schluss liegt nahe, eine Partei, die sich Die Linke nennt, hat „ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich‘s völlig ungeniert!“ zur Parole sich auserkoren. Dieses Motto machen sich Viele zu eigen, die sich kalkuliert aber vermeintlich daneben benehmen, dabei auf Beifall hoffen und denen es dünkt, damit gegen Konventionen zu verstoßen und trotzdem das reproduzieren was common sense ist – Es handelt sich also um ein Leitmotto derjenigen, die der konformistischen Revolte huldigen. Trotzdem gibt sich die Linke beleidigt, wenn man sie des Antisemitismus zeiht. Dieser Vorwurf macht ihr so zu schaffen, dass sie gar ihren passionierten Antisemitismusvorwurfforscher auf Reisen schickt. Der behauptet schlicht: Es gibt keinen linken Antisemitismus, also keine linke Begründung oder gar Theorie zum Hass, zur Ausgrenzung oder Verachtung von Jüdinnen und Juden, weil sie Juden sind. Links ist prinzipiell nicht völkisch und links wird keiner Menschengruppe bestimmte Verhaltensweisen oder Eigenschaften andichten.
Der nun schlägt in Kassel dort auf, wo er hingehört, ins Café Jihad, formaly known as Café Buch-Oase. Dort trifft sich von der Sabine Wackernagel bis zu Rolf Becker alles, was für Schamanenkult, Esoterik, Volkstumskampf und Israelhass zu haben ist, oder nichts dabei findet, Kaffee, Kuchen und Kultur zwischen palästinensischen Nationalkitsch, Amerikahass und Israelboykottaufrufen zu goutieren.**
Wer nur ein bisschen unvoreingenommen sich der Geschichte der Linken widmet, weiß, dass diese seit ihren Anfängen eine Affinität zum Antisemitismus aufweisen. Schon seit Pierre-Joseph Proudhon und Eugen Dühring ist es evident, dass nicht nur deutsche Nationalisten und Völkische sondern auch Vertreter der klassischen Linke, antijüdische und antisemitische Ressentiments produzieren und reproduzieren. Auch Karl Marx gehört zu denen, die davor nicht gefeit waren. In seinem Werk gibt es viele Stellen, aus denen eine kaum verhohlene Verachtung gegen Juden spricht. Bei Marx jedoch trug der theoretische Ansatz seiner Kapitalismuskritik dazu bei, dass aus Marx kein Ideologe des strukturellen Antisemitismus und des Volks(tums)kampfes wurde, sondern derjenige, der das Fundament der kritischen Theorie formulierte, das unverzichtbar ist, um einen konsistenten Begriff vom Antisemitismus zu entwickeln.
Aber nicht nur in bürgerlichen und deutsch-nationalen Kreisen, die Marx‘ Theorie rundheraus ablehn(t)en und sich daher nie zu eigen machten, auch in der Linken, blieben grundlegenden Theoreme der Marx‘schen Gesellschaftskritik unverstanden. Kapitalismus wurde und wird von ihnen häufig mit moralischen, immer aber verdinglichenden und dichotomisch gegenübergestellten Kategorien, Arbeiter – Kapitalisten, Volk – Herrschende, Gerechtigkeit – Ungerechtigkeit, Armut – Reichtum, Friedenskämpfer – Kriegstreiber, Imperialisten – friedliebende, vorzugsweise unterdrückte, Völker, neuerdings auch Nachhaltigkeit – Naturraubbau, gierige Manager – verantwortungsbewusste Unternehmer, Datenkraken – Whistleblower und, und, und „kritisiert“. Die darauf aufbauende und darin inkorporierte Weltanschauung bildete und bildet das große Einfallstor für antisemitisches Denken, dem sich zwar immer wieder einzelne Politiker ohne einen Begriff davon zu haben, wie z.B. August Bebel und Wladimir I. Lenin entgegen stellten, ohne jedoch zu verhindern, dass der Antizionismus, der Antikosmopolitismus und die Israelkritik zu trag- und nahezu konsensfähigen Inhalten für die Linken wurde.
Die Geschichte des Antisemitismus unter den Linken ist vielfach beschrieben und analysiert worden. Wichtige Autoren und Wissenschaftler wie Jean Améry, Léon Poliakov, Moishe Postone, Martin Kloke, Thomas Haury, Samuel Salzborn und viele andere wären hier zu nennen.***
Aber wen interessiert das schon unter den Parteifreunden und -gängern, wenn der Antisemitismusvorwurfforscher den Tatbestand, der für ihn nicht sein kann, weil er nicht sein darf, damit begründet, dass es sinistre Kreise gibt, die ihn in die Welt setzten. Und überraschungsfrei findet er sie bei denen, wo sie der Volkssturm schon immer vermutet, nämlich bei den Juden: Und was den Antisemitismus-Vorwurf gegen links betrifft, so skizziere ich dieses Kartell in meinem Buch genauer … alle zusammen sind verschränkt mit formellen und informellen Netzwerken wie der Münchner Sicherheitskonferenz, der Atlantikbrücke, dem Centrum für angewandte Politikforschung, dem American Jewish Committee und anderen.
Vor Ort hat die Linke gerade in Murat Cakir den Kandidaten zur OB-Wahl bestimmt. Der nun wieder echauffierte sich einst über den Beschluss der Bundestagsfraktion seiner Partei, „Entschieden gegen Antisemitismus“, mit dem sich die Fraktion gegen Boykott Israels und Ein-Staaten-Lösungen positionieren wollte, und schimpfte ihn als den „dümmsten Beschluss der Geschichte“ der Fraktion. Mehr zu diesem Kandidaten hier: Murat Cakir oder das Man-wird es-ja-nochmal-sagen-dürfen-Prinzip.
Auch andere Kasseler Lokalmatadoren wären zu nennen. Werner Ruf, der Wutprofessor aus Edermünde, Nah-Ost-Experte und Stichwortgeber des notorischen Friedensratschlags und -forums, und aus dem Nachbarbundesland Niedersachsen hört man, der Antisemitismusleugner Diether Dehm soll als Spitzenkandidat für die kommende Bundestagswahl auserkoren werden, wie schon eingangs ausgeführt, die Liste ließe sich ohne Ende verlängern und das eben auch auf kommunaler Ebene.**
Aber wie tönt es bei Gehrcke so schön: Es gibt keinen linken Antisemitismus – und da hat er vielleicht sogar recht, denn es gibt keinen rechten oder linken Antisemitismus, sondern nur Antisemitismus und daher sei die Schlussfolgerung erlaubt, die Linke hat ein Problem, das ist der Antisemitismus, die Linke also ist das Problem. (jd)
Flugblatt: Der Antisemitismusvorwurfforscher
* Den Titel und die Zitate verdanken wir Thomas von der Osten Sacken
**Zu dieser Melange zusammenfassend hier das Wichtigste: Kasseler Verhältnisse
***Zum Antisemitismus in der Linkspartei sei beispielhaft der Artikel von Martin Kloke genannt: Antisemitismus in der Linkspartei, haGalil 2014
Zum Thema verweisen wir unserer Ringvorlesung: Antisemitismus hat viele Gesichter – Aspekte eines gesellschaftlichen Wahns.