Zur Kritik des politischen Kunsthandwerks

Auf unserer Tagung „Antisemitismus im Nah-Ost-Konflikt und in der Kunst der postbürgerlichen Gesellschaft“ am 16. Juli 2022 beschäftigte sich das Podium II unter dem Titel „Antisemitismus und das Kunstwerk in der postbürgerlichen Gesellschaft“ mit der Entwicklung der Szene der „Kulturschaffenden“ im Kulturbetrieb der Gesellschaft des „antirassistischen“ Deutschland. Es ging darum herauszustellen wie sich im kulturpolitischen Ansatz der documenta die pseudokritische Weltsicht postkolonialer und postmoderner Ansätze als Verfall jeder Kritik darstellt, dessen notwendiges Produkt der Hass auf Israel und die Zivilisation ist.

Lukas Savari leitete das Podium II mit dem Vortrag „Heiligung und Exorzismus. Wie in Kassel Judenkarikaturen zu einem Denkmal für den Dialog werden konnten“ ein, der auf dem Podcast des freie-radios.net angehört werden kann.1 Eine ausgearbeitete Fassung des Vortrags ist in der aktuellen Bahamas 90 „Der globale Süden liegt in Kassel“ nachzulesen.

Justus Wertmüller hielt auf dem Podium II den Vortrag „Triumph über die musealen Kulturgüter„, der ebenfalls in der aktuellen Bahamas 90 veröffentlicht wurde und online in Gänze auf der Homepage der Zeitschrift Bahamas nachzulesen ist.

Der zweite Vortrag des Podiums von Jan Gerber stellte heraus, dass die Documenta 15 nicht zufällig zum Festival des Antisemitismus geriet. Der Vortrag wurde in überarbeiteter Fassung in der FAZ unter dem Titel „Der Antisemitismus der postkolonialen Theorie“ am 24.09.2022 veröffentlicht.

„Keiner war dabei, und niemand hat’s gesehen. Das ist das Motto des Antisemitismusskandals der Documenta 15. Das Kasseler Bündnis gegen Antisemitismus hatte zwar schon im Januar darauf hingewiesen, dass Mitglieder der Kuratorengruppe und der künstlerischen Leitung der Israel-Boykottbewegung BDS nahestehen, die vom Bundestag als antisemitisch eingeschätzt wird. Auch die schon früh geäußerten Bedenken des Zentralrats der Juden in Deutschland wurden von den politisch Verantwortlichen in Kassel, Wiesbaden und Berlin nicht ernst genommen. Seine Stimme wird in der öffentlichen Debatte immer weniger beachtet. Auch das ist spätestens seit der Mbembe-Debatte 2019 eine Tendenz.

Doch nicht erst die Nähe zur BDS-Bewegung, sondern schon die überdeterminierte Berufung auf den Postkolonialismus hätte stutzig machen können. Das heißt nicht, dass die postkoloniale Theorie per se antisemitisch ist. Ihr kommen große Verdienste zu. Die Postcolonial Studies haben die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte, den Verbrechen und dem Nachleben des Kolonialismus befördert. Zugleich haben sie dazu beigetragen, dass Literatur aus Asien, Afrika und Lateinamerika im Westen stärker beachtet wird.

Dennoch fällt auf, dass es viele namhafte postkoloniale Theoretiker gibt, die BDS-Positionen vertreten. Gayatri Chakravorty Spivak und Gauri Viswanathan gehören ohnehin zu den regelmäßigen Unterstützern der Kampagne; Homi K. Bhabha boykottierte erst im letzten Jahr eine Konferenz in Israel, zu der er eingeladen worden war. Weitere prominente Beispiele ließen sich finden.

Diese Affinitäten haben auch strukturelle Gründe. Auch wenn der Postkolonialismus weder eine in sich geschlossene noch eine antisemitische Theorie ist, hat er offene Flanken zum traditionellen und israelbezogenen Antisemitismus. […]

Die Vorträge des Podium I: BDS – zu den Hinter- und Abgründen einer antisemitischen Bewegung. Wo BDS drauf steht ist Antisemitismus drin; Antizionismus, Antisemitismus und der Schatten des Nationalsozialismus auf der documenta 15.

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1 Unser Dank gilt beim Freien Radio Kassel, das die Vorträge der Veranstaltung aufnahm und ganz besonders Michael S. vom Radio T (Chemnitz), der sich die außerordentliche Mühe machte, die Aufnahmen zu bearbeiten.

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