Walter Lübcke ist von einem Nazi ermordet worden, nicht nur weil er sich als konsequenter Vertreter der Werte, für die diese Republik steht, gezeigt hat, sondern weil er in einer Bürgerversammlung offen gegen Verächter dieser Republik aufgetreten ist, die aus dem Umfeld der damals in Kassel agierenden Kagida kamen. Zu diesen Leuten gehörte auch einer, der dazu aufrief, Angela Merkel zu steinigen und Politikern den Schädel einzuschlagen.
Am 24. Juni 1922, vor 97 Jahren, wurde Walter Rathenau ermordet. Auch der Kasseler Sozialdemokrat Philipp Scheidemann war am 4. Juni desselben Jahres Ziel eines rechtsextremen Attentäters. Sie waren nicht die einzigen Opfer des braunen Terrors, der in der Weimarer Republik zahlreiche Unterstützer im Polizei- und Justizapparat hatte. Obwohl damals die Abscheu gegen diese Mörderbanden groß war: Eine konsequente Zerschlagung des braunen Sumpfes blieb aus, mit den bekannten Folgen. Auch wenn es auf den ersten Blick so scheint: Berlin ist nicht Weimar, die Polizei ist eine andere und im Justizapparat sitzen heute keine republikfeindlichen Monarchisten mehr. Die in der Nachkriegszeit im bundesdeutschen Justizapparat in großer Anzahl zu findenden Parteigänger der NSDAP haben sich auf biologische Art und Weise entsorgt. Wenn heute wiederholt das Agieren rechtsextremistischer Kreise in den Sicherheitsapparaten aufgedeckt wird, werden diese Fälle öffentlich skandalisiert und es wird ihnen nachgegangen.
Mit der Verteidigung des Staates, seiner Repräsentanten und Bürger scheint es jedoch nicht weit her zu sein. Vergegenwärtigt man sich, wie der Staat und seine Organe mit dem Phänomen rechtsterroristische Politik umgeht, gewinnt man den Eindruck, dass der Jäger zum Jagen getragen werden muss. Seit 1990 hat es 189 Tote durch rechtsextreme Gewalttäter gegeben und es ist bekannt, dass rechtsextreme Straftäter trotz Haftbefehl frei herumlaufen. Wieder und wieder marschieren militante Neonazis mit eindeutiger Symbolik auf, ohne dass die Staatsorgane konsequent durchgreifen. Insbesondere der geplatzte NPD-Prozess und die undurchsichtige Rolle des Verfassungsschutzes bei der Aufklärung der Taten der NSU-Terrorgruppe lassen vermuten, dass der Verfassungsschutz seine V-Männer nicht im Griff hat, sondern umgekehrt. Das seltsame Gebaren um die Akten des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem NSU und dem verhafteten mutmaßlichen Mörder Lübckes, trägt nicht dazu bei, das Vertrauen in die Kompetenz des Staates, den rechtsextremen Terror fachgerecht zu bekämpfen, wieder aufzubauen. Daher ist die Frage, wie es denn sein kann, dass der mutmaßliche Mörder Lübckes, ein verurteilter Naziterrorist aus Kassel, von dem enge Kontakte in die terroraffine nordhessische Szene bekannt sind und vor dem von Insidern ausdrücklich gewarnt wurde, Mitglied in einem Schützenverein ist, in dem er leicht an Waffen kommen konnte? Warum erfolgte keine lückenlose Überwachung des mutmaßlichen Mörders Stephan E. und seiner Spießgesellen? Möglicherweise hätte ein massiver Verfolgungs- und Observationsdruck gegen die rechtsextreme Szene den Mord an Walter Lübcke, der einschlägigen Morddrohungen ausgesetzt war, verhindert.
Wen wundert es, wenn eine breite Öffentlichkeit, die Medien und viele Vertreter aus Gesellschaft und Politik vom Mord und der Tatsache empört und entsetzt sind. Dass der braune Sumpf nicht schon längst trocken gelegt wurde und dass die über Jahre gegen Lübcke (und andere) ausgesprochenen Drohungen nicht zu einer konsequenten Aufklärung und Bekämpfung des politischen Hintergrunds führten, muss als Staatsversagen kritisiert werden.
Die Forderung gegen diese Strukturen im Namen der Republik, für die Freiheit und die Unversehrtheit des Individuums mit den Mitteln des Rechtsstaates vorzugehen, die Forderung, das offensichtliche Versagen der staatlichen Organe aufzuklären, sind berechtigt und zu unterstützen. Aber wie sieht es mit den Aktivitäten derjenigen aus, die sich diese und ähnliche Fragen und Forderungen auf die Fahnen geschrieben haben?
In Kassel fand am 22.06.2019 eine erste Kundgebung statt. Im Aufruf der Initiative „Gemeinsam gegen rechten Terror“ heißt es: „Am 02.06.19 wurde Walter Lübcke […] ermordet. Vermutlich, weil er sich 2015 für die Rechte von Geflüchteten einsetzte. […] Auch die Praxis der Bundesregierung legitimiert durch immer weitere Verschärfungen der Asylgesetze und durch das Mittragen der tödlichen EU-Abschottungspolitik faktisch den gesellschaftlichen Rechtsruck. Ein gesellschaftliches Klima, in dem menschenverachtende Positionen nicht ausgegrenzt sondern eingebunden werden, ist Nährboden für rechten Hass und rechte Gewalt.“
Hier wird dem Staat, nicht etwa weil er die Naziterroristen nur halbherzig observierte und nicht konsequent verfolgte, sondern weil er eine bestimmte Asyl- und Grenzpolitik verfolgt, eine Mitverantwortung für die Tat zugeschrieben. Für die Rechte von Geflüchteten einzutreten, heißt für viele der unter dem Aufruf versammelten Gruppen auch „Refugees are welcome!“, „No Border no Nation!“, „Kein Mensch ist illegal“ u.ä. Hier wird, wenn überhaupt, eine auf Karl Marx zurückzuführende Staatskritik in infantiler Art und Weise in eine Parole des Politaktivismus übersetzt, der darauf hinausläuft, jede Kontrolle von Zuwanderung zu unterlassen und Abschiebungen generell zu unterbinden. (Auf die reichlich bebilderte Berichterstattung der HNA über die Kundgebung sei verwiesen.)
Trat Lübcke dafür ein, was ihm die Initiatoren der Kundgebung unterstellten? Hören wir ihn selbst in dem Interview „Ich bleibe bei meiner Aussage„:
HNA: Viele Menschen haben den Eindruck, Sie wollten ihnen in der Flüchtlingsdebatte den Mund verbieten. Sollen tatsächlich alle gehen, die mit „Wir schaffen das“ nicht einverstanden sind?
Walter Lübcke: Ich weiß nicht, wie dieser Eindruck entstanden ist, ich will niemandem den Mund verbieten. […] Ich habe mehrfach gesagt, wie wichtig es mir ist, die Ängste derjenigen kennen und verstehen zu lernen, die einer Flüchtlingsunterkunft in ihrer Stadt und Gemeinde skeptisch und ablehnend gegenüberstehen. Meine Aussage war an jene gerichtet, die durch Zwischenrufe ihre Verachtung unseres Staates artikuliert oder diesen Schmähungen applaudiert haben.
HNA: Wie ist es zu der Aussage gekommen? Anwesende sagen, Sie seien von Störern provoziert worden.
Walter Lübcke: Unser Zusammenleben beruht auf christlichen Werten. Damit eng verbunden sind die Sorge, die Verantwortung und die Hilfe für Menschen in Not. An diese christlichen Kernbegriffe hatte ich erinnert, als ich immer wieder durch Zwischenrufe wie „Scheiß Staat!“ und durch hämische Bemerkungen unterbrochen wurde. Ich wollte diese Zwischenrufer darauf hinweisen, dass in diesem Land für jeden und für jede, die diese Werte und die Konsequenzen aus unseren Werten so sehr ablehnen und verachten, die Freiheit besteht, es zu verlassen; im Gegensatz zu solchen Ländern, aus denen Mensch nach Deutschland fliehen, weil sie diese Freiheit dort nicht haben.
Lübcke verteidigt in diesem Interview nicht „das Recht der Geflüchteten“ im oben genannten Sinne, sondern den Staat und seine ihn konstituierenden Werte und Rechte. Zu denen gehört sowohl der Anspruch, Menschen in der Not beizustehen als auch das Recht, Staat und Politik zu kritisieren. So ist es zwar ein Grundrecht, Grenzregime und die Abschiebepolitik als unmenschlich und im Gegensatz zu den proklamierten Werten stehend zu kritisieren, aber genauso ist es das Recht die Politik der „Grenzöffnung“ im Jahre 2015, die nicht erfolgten Abschiebungen von Gewalttätern und den mangelhaften Integrationswillen bestimmter Gruppen von Migranten zu kritisieren. Daher betonte Lübcke, anders als viele derjenigen, die hinter dem Aufruf stehen ihn interpretieren, dass es ihm darum ging, die Sorgen derer zu verstehen, die keine Jubel- und Willkommensparties veranstalteten als über mehrere Wochen hinweg eine unkontrollierte Einwanderung stattfand. Die Kritiker der deutschen Asyl- und Einwanderungspolitik sind nicht alle rechts oder rechtsextrem und schon gar nicht bereiten sie mit ihrer Kritik den Boden für den rechtsextremistischen Terror. Es waren und sind die Sorgen auch derer, die in der Situation einer ungeregelten Zuwanderung und in der Haltung der Gesellschaft und Politik gegenüber dem politischen Islam eine Gefährdung der Gesellschaft und der ihr zugrundeliegenden Werte, zu denen auch die von Lübcke genannten christlichen Werte gehören, sahen und sehen. Lübcke stand für einen Staat, dessen Pflicht es ist, nicht nur gegen autochtone Nazis, ihre Propaganda und ihren Terror, gegen ihre staatsumstürzlerischen Umtriebe und gegen die von ihnen geschaffenen Nationalbefreiten Zonen vorzugehen, sondern auch gegen die No-go-Areas, die von Islamisten und von jungen, in islamischen Ländern sozialisierten Männern in vielen großen Städten Deutschlands geschaffen wurden. Propagandisten des politischen Islams auszuweisen, deren finanzielle Zuweisungen aus dem Ausland zu unterbinden, konsequent gegen Gewalttäter ohne Aufenthaltsgenehmigung vorzugehen, den Tugendterror und die Geschlechtersegregation an den Schulen und in den öffentlichen Räumen zu unterbinden, gehört genauso zur Verteidigung dieser Republik, wie konsequent gegen Nazis, gegen ihre Propaganda und ihren Terror vorzugehen.
Die Stadt Kassel hat eine Resolution zum Mord an Walter Lübcke verfasst, die von der CDU eingereicht wurde. Diese spricht sich gegen die Hetze im Netz aus. Gemeint sind die ekelhaften Postings, die als Aufforderung zu weiteren Mordtaten und als Zustimmung zum Mord an Lübcke interpretiert werden können. Postings die auch in den Kommentarspalten einiger AfD-Politiker zu finden waren und sind. Es gab daher nachvollziehbare Vorbehalte, gegen den Wunsch der Kasseler AfD, die Resolution mit zu unterzeichnen. Sie wurde also ohne die Unterschrift der AfD eingereicht. Alle Parteien, auch die AfD, stimmten der Resolution in der Stadtverordnetenversammlung zu. Diese Skrupel hatten die Initiatoren der Kundgebung am 22.06. nicht. Den Aufruf unterzeichneten unter anderem Gruppen wie das Friedens-Forum, das Internationalistische Bündnis – Kassel, MLPD Kreis Kassel, Occupy Kassel, SAV Kassel, SDAJ Kassel und viele andere.
Die Initiatoren des Aufrufs zur Kundgebung gaben üblen Stalinisten, Unterstützern der antisemitischen BDS-Bewegung und Bündnispartnern palästinensischer Terrorgruppen, Putinapologeten, Demokratieverächtern und strammen Antizionisten die Möglichkeit, den Protest gegen Nazis dafür zu instrumentalisieren, eine Politik der Bundesregierung dahingehend zu diskreditieren, dass sie nicht um das Wohl und die Sicherheit ihrer Bürger besorgt ist, sondern Stichwortgeber für den Rechtsterrorismus sei. Ein Aufruf, der dann auch von der SPD, den Grünen und einigen DGB-Gruppierungen unterzeichnet wurde. Selbst wenn man von beiden Parteien ein großes Maß an Opportunismus gewohnt ist, verwundert dieser Umstand dann doch.
Ergänzung: Unter den Aufrufenden zur Kundgebung „Zusammen sind wir Stark“ der Stadt Kassel ist der „Arbeitskreis Muslimischer Gemeinden in Kassel“ dabei. Das ist die gemeinsame Plattform des legalistischen Islamismus in Kassel (Milli Görüs, DITIB, ATB usw.). Mit „Toleranz“, „Vielfalt“ und „Weltoffenheit“ will man „gegen die Spaltung unserer Gesellschaft und für eine tolerante, demokratische und friedliche Region setzen“. Wohlan – Gute Nacht!
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