(20. Januar 2018)
Zwei Referenten der GEW ist ein juristischer Erfolg gegen das Bündnis gegen Antisemitismus Kassel gelungen: Doch auch ein Urteil dieser Art kann weder unsere Existenz noch unseren Willen zur Kritik existenziell gefährden.
Die GEW ist die Gewerkschaft für „Frauen und Männern, die in pädagogischen und wissenschaftlichen Berufen arbeiten: In Schulen, Kindertagesstätten, Hochschulen und anderen pädagogischen Einrichtungen.“ Sie nennt sich Bildungsgewerkschaft. Diese Gewerkschaft hat, getreu dem Trend im Neoliberalismus, die eigene Bildungsarbeit outgesourct. Zuständig für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit ist in Hessen ein Verein, der sich „lea – gemeinnützige Bildungsgesellschaft mbH der GEW Hessen“ nennt. Dieser bietet zu allen möglichen Themen Seminare an. Wie es sich für den engagierten Bildungsarbeiter gehört auch und natürlich zum Nahen Osten und zum Islam.
Das Bündnis gegen Antisemitismus (BgA) Kassel hat sich in der Vergangenheit mehrmals kritisch mit der Bildungsarbeit der GEW befasst. Thematisiert wurde von uns in einer Polemik u.a., dass Bildungsreferenten wie Werner Ruf und Jens Wernicke1 engagiert werden. Beide nötigten uns teure Unterlassungserklärungen auf, die wir ablehnten. Daraufhin zogen sie vor Gericht und setzten sich sehr zu unserem Bedauern durch.
1. Zur Sache Ruf
Der Richter des Landgerichts in Kassel meinte in der Verhandlung Ruf gegen das BgA-Kassel sinngemäß, er würde sich wundern, dass der Gegenstand der Auseinandersetzung vor Gericht ausgetragen würde. Es handele sich hierbei doch um eine politische Auseinandersetzung. Diese Bemerkung ließ uns zunächst hoffen. Zur öffentlichen Verhandlung kam es zum Bedauern der zahlreich gekommenen Kasseler Friedensentourage nicht. Es sei in den Darlegungen der Anwälte alles gesagt, stellte der Richter fest. Das Urteil erging nach Ende der Sitzung. Es fiel gegen uns aus.

„Gegenüber der aus diesem System resultierenden ökologischen Bedrohung des Planeten ist der Terror vergleichsweise geradezu irrelevant.“ (Werner Ruf)
Zum Thema Islam werden von der lea seit Jahren Seminare von Ruf angeboten.2 Liest man sich die Publikationen Rufs zum Thema durch, verblüfft dessen Ahnungslosigkeit in Sachen Islam oder seine ideologische, die Wirklichkeit strikt ignorierende Sichtweise auf den Islam. Die Behauptung von einer Bedrohung, die vom Islam ausgeht, sei eine assoziierte und eine Konstruktion, die auf „alte rassistische Vorurteile wie insbesondere den Antisemitismus“ zurückgreife. (Ruf 2014, 8) Weiter lassen sich abstruse Behauptungen finden wie, dass die Sharia ein „Schreckgespenst“ sei (Ruf 2014, 28) und „im islamischen Raum [lehne] eine überwiegende Mehrheit der Islamisten (sic!) die Anwendung von Gewalt ab“, (Ruf 2014, 31) und so wie die Sharia sei auch das „Wort Salafismus“ doch nur „zu einem Schreckgespenst avanciert“ (Ruf 2014, 34), usw.
Ruf war Professor für Internationale Politik an der Hochschule in Kassel und gilt auch als „Nah-Ost-Experte“: eine eher fragwürdige Auszeichnung in der bundesdeutschen Medienwelt. Professor Ruf, der vor 1989 das in den westlichen Demokratien gepflegte Feindbild Sowjetunion und Kommunismus kritisch hinterfragte3, kam nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers ein Teil seines Forschungsgegenstandes abhanden. Der andere Teil, die NATO, blieb – zum großen Bedauern Rufs und anderer Wissenschaftler aus seinem Umfeld. Die Wissenschaftler aus dem Umfeld Ruf stehen in Sachen Erklärung und Deutung der US-amerikanischen Außenpolitik unschwer erkennbar in der Tradition der leninschen Imperialismustheorie.4 Sie sind der Auffassung, dass mit der Propagierung eines Feindbildes vom Islam ein neuer Gegner aufgebaut worden sei, um in allen möglichen Ländern zu intervenieren und so die eigenen wirtschaftlichen Interessen mit eben dieser Interventionspolitik durchzusetzen.
Unzählige Aufsätze und Publikationen beschäftigen sich seitdem daher mit dem „neuen Feindbild Islam“, in denen sich Ruf an dieser These abarbeitet.5 Auch der 2007 im Organ der Rosa-Luxemburg-Stiftung „standpunkte“ veröffentlichte Aufsatz beschäftigt sich damit, dass die Vorbehalte gegen den Islam6 als Wiederkehr des Antikommunismus oder gar als Form des Antisemitismus7 zu brandmarken sind. Neben allerlei haltlosen Behauptungen über die Geschichte des Islam finden sich Auslassungen über dessen angeblich sozial-revolutionäre Funktion, dessen „Formen der Solidarität“ und über seine karitative Praxis. Und indem er eine ihm nahestehende Wissenschaftlerin zitiert – „Brigitte Rieger hat […] festgestellt, dass […] die Hilfsorganisationen der hizbollah mit Abstand die größten Leistungen erbringen […] Sogar bei der Versorgung Alkoholabhängiger sind sie fortschrittlicher als die sozialen Organisationen der christlichen Libanesen“ (Ruf 2005, 5) – stellt er sogar Terrororganisationen in ein positives Licht. In diesem Zusammenhang ist dann Rufs folgende Erklärung zum Anschlag auf das World-Trade-Center zu lesen:
„In nur anderthalb Jahrzehnten ist es gelungen, nicht nur den Islam zu einem neuen und affektiv hoch besetzten Feindbild zu machen, es ist auch gelungen, ihn mit dem Begriff des Terrorismus zu assoziieren,ja oftmals gleichzusetzen. Damit wird nicht nur Angst erzeugt, es wird auch eine Gefahr ausgemalt, die absolut irreal ist: Sicher ist es den Attentätern des 11. September gelungen, das Symbol des globalisierten Kapitalismus, die Zwillingstürme des World Trade Centre zu zerstören. Doch Terror dieser Art kann weder die Dominanz der USA oder „des Westens“ noch das herrschende System existenziell gefährden. Gegenüber der aus diesem System resultierenden ökologischen Bedrohung des Planeten ist er vergleichsweise geradezu irrelevant.“ (Ruf 2007)
Unserer Meinung nach ist diese Passage, insbesondere der letzte Satz, eine Verharmlosung des islamistischen Terrors. Diese Annahme wird dadurch erhärtet, dass Ruf den islamistischen Terror den gewalttätigen Aktionsformen diverser „antiimperialistischer“ Befreiungsbewegungen, sogenannter nationaler Befreiungsbewegungen, als auch Widerstandsbewegungen im allgemeinen gegenüberstellt. Ruf stellt zunächst die Behauptung auf, dass das Charakteristikum des Terrorismus die Gewaltanwendung sei. Ziel sei es, „die Sympathien der Bevölkerung zu gewinnen“. Dann stellt er die Frage nach der Legitimität politischer Gewalt und indem er eine Reihe von der Bostoner Tea-Party, dem Terror in der französischen Revolution, dem antifaschistischen Widerstand (Ruf 2008, 2) bis hin zu Arafat (Ruf 2008, 4) zieht, kommt er zu folgender Schlussfolgerung: In allen Fällen seien Formen der politischen Gewalt verübt worden, die je nach Standpunkt des Betrachters legitim oder aus Sicht der Herrschenden eben illegitim seien. Das ist grundsätzlich richtig, wenn auch nicht hinreichend um das Phänomen Terrorismus zu erklären. Um diesen Einwand aber zu zerstreuen, stellt Ruf die Frage nach dem Zielobjekt der Gewalt. Terrorismus richtet sich gegen Zivilisten also in der Regel gegen Unschuldige. Weil der Terror also nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten unterscheide, stellt Ruf die Frage, ob in Algerien, Israel und Südafrika Siedler „zwar formal Zivilisten, de facto jedoch Teil des kolonialen Unterdrückungssystems“ sind oder waren. (Ruf 2008, 3) Und überhaupt, Gewalt gehe in der Vergangenheit vornehmlich von den Kolonialmächten, heute von den USA und Israel aus und richte sich ebenfalls gegen Zivilisten, sei also mindestens ebenso illegitim. Bei soviel Legitimität von politischer Gewaltausübung gegen die Herrschenden verwundert dann doch die steile These, „offene Gewalt ist nicht das primäre Charakteristikum des politischen Islam …“ (Ruf 2005, 6)
Dann schließt er, dass der Begriff vom Terrorismus von Interessen geleitetet sei. Der Begriff diene der Rechtfertigung staatlicher Gewaltpolitik und der „völkerrechtswidrigen Kriegsführung“ insbesondere der USA und natürlich der Israels. (Ruf 2005, 5) Die staatliche Gewalt, die in Konflikten im arabischen Raum von den USA und Israel ausgehe, die „jede Rechtsnorm missachtet und die […] Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und elementare Normen der Gerechtigkeit“ aushebelt, sei die Ursache, „wenn nichtstaatlicher Akteure politische Gewalt“ dadurch legitimiert sehen. (Ruf 2005, 10)
Ruf schreibt, dass die Erfahrung der Geschichte des Nahen Ostens dazu führt, dass islamistische und gewalttätige palästinensische Gruppen Zustimmung und Unterstützung für ihren Widerstand gegen den imperialistischen Westen in den Gesellschaften erlangen würden, in denen „alltägliches soziales Elend in Systemen“ erlebt wird. Diese Gesellschaften seien durch „Korruption und brutale Unterdrückung im Inneren, durch mehr oder weniger offene Unterstützung ihrer Regime durch eben diesen Westen …“ gekennzeichnet. (Ruf 2005, 12) So gesteht er zwar zu, dass die Probleme in diesen Gesellschaften auch hausgemacht sind, aber verantwortlich für die Misere sei vor allem der Westen. Er zieht einen roten Faden einer Politik der Entmündigung, Unterwerfung und Demütigung von den Kreuzzügen, über den Kolonialismus bis hin zur Interventionspolitik vor allem im Irak in den Neunzigern und immer wieder zum zionistischen Projekt, der Staatsgründung und Politik Israels. Gegen diese Politik habe sich immer wieder Widerstand geregt, angefangen von Saladin, über den der Muslimbrüderschaft und der Salafyia, den der palästinensischen Nationalbewegung, den der panarabischen Bewegungen und seiner letztlich gescheiterten Staatsgründungen, bis hin eben zu den islamistischen Gruppen heute, die sich auch in Folge des Scheiterns der panarabischen Gesellschaftsmodelle zu bedeutenden politischen Gruppen im Nahen und Mittleren Osten entwickelt hätten. (Ruf 2005, 9) Aber auch das Scheitern eben dieser Staaten führt Ruf vor allem auf die Politik des Westens und auf die Existenz Israels zurück. Den panarabischen Staaten sei es nicht gelungen, das Projekt Israels zu verhindern, was erheblich zur Delegitimierung dieser Staaten beigetragen habe. (Ruf 2005, 8)
Rufs Sympathien gehören dem Antiimperialismus klassischen Zuschnitts, trotzdem ist es schwierig nachzuvollziehen, dass sie nicht doch dem Widerstand pars pro toto gehören. Folgende Äußerung sei noch mal zitiert, um diese unklare Haltung zu explizieren. Ruf führt folgendes aus: „Die antiimperialistische Symbolik und die wachsende Gewalttätigkeit […] fördern in Teilen der arabisch-islamischen Welt Stolz und Selbstbewusstsein, ganz sowie die Selbstmordanschläge von Palästinensern in Israel die Botschaft vermitteln: Der Feind ist übermächtig, aber wir können ihn treffen, verletzen, verwunden; wir können RACHE üben! Die Hauptziele dieses Widerstandes sind politisch: […] Die Ausbeutung der Ressourcen der Region zu beenden zugunsten eines neu zu errichtenden Regimes, das die ökonomische, soziale und kulturelle Entwicklung der Religion auf eine Basis von Gleichwertigkeit und Gerechtigkeit ermöglicht.“ (Ruf 2005, 12f) Neben einigen kritischen Bemerkungen darüber, dass durch die terroristischen Taten Zivilisten getroffen wurden, wird auch hier an der mangelnden Nachhaltigkeit des Terrors Kritik geübt. Ruf sinniert darüber, in der Argumentation ähnlich wie im Zitat zum Attentat auf das World-Trade-Center, ob die politische Gewalt gegen den Hegemon ausreiche, „um eine weltweite Solidarisierung der Unterdrückung und Entrechtung, […] zu bewirken.“ Distanzierung von eindeutig als Terrorismus zu identifizierenden Taten sieht anders aus.
Diese in der oben zitierten Passage wie in der von uns damals aufgegriffenen Passage nachzulesende seltsame Beurteilung und Kritik des Terrorismus, versuchten wir in unserer Aussage auf den Punkt zu bringen. Unsere Äußerung war Gegenstand einer Unterlassungsforderung. Doch nicht nur das. Uns wurde in der Klageschrift unterstellt, wir hätten behauptet, Ruf habe die Terroranschläge gutgeheißen und sich noch mehr Terrorismus gewünscht, was absurd ist. Ruf ist kein Propagandist des Islamismus, aber er vertritt ein manichäisches Weltbild, das strukturell dazu beiträgt, den Islam zu verharmlosen. Ruf ist weder in der Lage noch willens, den Kernpunkt islamischer Ideologie zu erkennen8, sondern sieht in ihrer islamistischen Erscheinung nur eine Reaktion auf imperialistische Unterdrückung. Explizit behauptet Ruf gegen jede historische Evidenz, Islam sei mit Gewalt gegen die Zivilbevölkerung nicht in Verbindung zu bringen. (Ruf 2008, 11)
Auf der anderen Seite hat er keinen Begriff von der Widersprüchlichkeit von Ermöglichung individueller Freiheit und Unterwerfung des Individuums unter die Lohnarbeit und unter die vermittelte staatliche Herrschaft in bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaften. Auch die in Folge kapitalistischer Akkumulation und Warenproduktion in vormodernen und peripheren Gesellschaften erfolgende Durchsetzung von Gleichheit und Ungleichheit, von Inklusion und Ausgrenzung wird nur als Ausbeutungs- und Unterdrückungsgeschichte, Fremdherrschaft und Kolonialismus gesehen. In diesem Zusammenhang verortetet der Professor die islamischen Bewegungen in einem Kampf gegen den weltweit verfolgten Herrschaftsanspruchs des Westens, insbesondere den der USA (und natürlich Israels). Ohne sich mit den islamischen Bewegungen direkt gemein zu machen, ist unverkennbar, dass Ruf eine von den USA dominierte Weltordnung ablehnt. Wenn er dann vor diesem Hintergrund die islamischen Bewegungen als den Gegenpol dieser Weltordnung ansieht9 und aber auch wenn er andererseits immer mal wieder versucht, die Geschichte aufzutischen, dass eben diese Bewegungen Produkte westlicher Geheimdienstorganisationen sind, ist unschwer zu erkennen, welche Dominanz als die problematische angesehen wird.
Der Kasseler Richter hätte sich die Mühe machen können, in der von uns hervorgehobenen und paraphrasierten Passage eine Umschreibung der politischen Tendenzen vieler Aufsätze und Publikationen Rufs zu lesen. Seine Ablehnung jedoch, sich in eine politische Auseinandersetzung zu begeben, fiel somit auf uns zurück. Statt dessen hat das Gericht unseren Satz isoliert, unter der Maßgabe der dem Gegenstand nicht gerecht werdenden semantischen Ausführungen der anwaltlichen Gegenseite zur Kenntnis genommen und sich zu eigen gemacht. Doch allein die in Erscheinung tretende anwaltliche Vertretung des Professors10 hätte das Gericht hellhörig machen müssen. Dass es dieser nicht um semantische Spitzfindigkeiten und eine vermeintliche Rufschädigung oder ganz einfach um die Aufklärung eines Missverständnisses ging, sondern darum, einen politischen Gegner eines von, von Obskurantisten, Weltverbesserern und Wolkenkuckucksheimbewohnern, sowie von Islamprotegés, Antiimperialisten, Israelhassern und deutschen Sozialisten beherrschten Szene gern gehörten „Nah-Ost-Experten“ mundtot zu machen, darauf verweist auch die Klageschrift. Die Kanzlei ließ es sich nicht nehmen, in diesem Fall völlig sachfremd, den von uns leitmotivisch aufgestellten Zusammenhang von Antizionismus und Antisemitismus zu skandalisieren und vergaß dabei auch nicht, die „Siedlungspolitik“ Israels an den Pranger zu stellen.11
2. Zur Sache Wernicke
In der zweiten Sache ging es um unsere Bemerkungen zu Jens Wernicke. Wernicke ist, dem Urteil des Landgerichts in Mainz zufolge, Bildungsreferent der GEW. Wir hatten gehofft, dass er es nicht mehr ist und um uns vor Anwürfen seitens dieser Gewerkschaft zu schützen, diese Hoffnung als Möglichkeit in Betracht gezogen. Diese zum Ausdruck gebrachte Hoffnung war Klagegenstand. Sich Wernicke nicht als Referenten einer Bildungsgewerkschaft zu wünschen, hat mit seiner „journalistischen Tätigkeit“ und seinen Beziehung zu KenFM, Ken Jebsen, Werner Mausfeld und anderen Merkwürden12 zu tun. Außerdem mit der vielleicht naiven Hoffnung, dass es für die DGB-Gewerkschaften in irgendeiner Form maßgeblich sein sollte, dass ihr Dachverband sich um ein geschichtsbewusstes und kooperatives Verhältnis zu Israel und der dort tätigen Gewerkschaft bemüht.13 Wernicke war Mitarbeiter des einschlägig bekannten, von Daniele Ganser geführten Institutes Siper.14 Als solcher hat er unzählige Interviews mit eben diesem Herrn Ganser geführt und alleine damit schon gegen einen der Grundsätze journalistischer Ethik verstoßen. Aber nicht journalistische Grundsätze, sondern ein Interview mit Mausfeld, das man auf dem Onlinemagazinen NachDenkSeiten und auch bei KenFM findet, war Anstoß und Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung. Und über eben diese Orte der Veröffentlichung hatten wir uns in falscher Reihenfolge despektierlich geäußert.

Wernicke und seine Favoriten
Im Urteil des Landgerichts in Mainz heißt es: „Für eine von einer Äußerung betroffenen Person, die sich selbst dem linken politischen Spektrum zuordnet, stellt es eine ehrverletzende Behauptung dar, ein von ihr geführtes Interview sei erstmals in einem rechtspopulistischen Forum veröffentlicht worden. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es in diesem Fall ein großer Unterschied, ob das bei einem anderen Medium – hier den NachDenkSeiten – veröffentlicht wurde und von KenFM übernommen wurde … Dass einmal veröffentlichte Artikel, Interviews etc. insgesamt oder in Teilen von anderen Medien übernommen werden, lässt sich nicht immer verhindern und geschieht häufig ohne Zutun des Autors.“ Man glaubt sich in einer Märchenstunde wieder zu finden und nicht vor einem Gericht.
Die vom Klagenden behauptete und vom Gericht kritiklos übernommene Distanz Wernickes zu KenFM ist unglaubwürdig. Der Facebookaccount von KenFM wurde von Wernicke15 mit einem „gefällt mir“ markiert. Immer wieder mal postet er auch Artikel dieser Seite, so zum Beispiel am 17. November 2016 über das „Strahlungskartell“. Auf der Internetseite KenFM wurde Wernicke noch im April 2017 als Autor geführt und es sind und waren dort auch „journalistische“ Beiträge von Wernicke zu finden. In Wernickes Onlinemagazin Rubikon16 kam es anlässlich der Auseinandersetzungen um den Jebsen zugedachten Preis der NRhZ zu vielen, diesen unterstützenden Artikeln.17 Wernicke selbst hat 2016 ein „Interview“ mit Jebsen geführt, dass man auch mit Wohlwollen nicht als kritisch bezeichnen kann. Auf seinem Facebookaccount übernimmt er wortwörtlich die Ankündigung des „Interviews“, wo behauptet wird, Jebsen würde „von einigen als ‚Rechter‘, ‚Neurechter‘ oder ‚rechtsoffen‘ diskreditiert.“ In einer Frage des Interviews bezeichnet er das, was KenFM treibt als „Aufklärung“ eines „alternativen Formats“.18 Auch die ironisierte Distanzierung im hier illustrierten Posting vom 20.09.2016 kann kaum als Gegnerschaft interpretiert werden. Die in diesem Zusammenhang gebrachte Bezeichnung „Team KenFM“ steht eher für das Gegenteil. Diese Tatsachen sprechen dafür, dass Wernicke offenbar in einer Beziehung zu Ken Jebsen steht, die man nicht gerade als gegnerisch bezeichnen kann.
Und natürlich kann ein Autor gegen die Veröffentlichung von eigenen Artikeln durch andere vorgehen, falls er das möchte. Doch es stellt sich die Frage, ob dies überhaupt in Wernickes Sinne gewesen wäre. Dass Artikel oder Interviews Wernickes keineswegs in denunziatorischer Absicht bei KenFM veröffentlicht wurden, sondern eher aus Gründen inhaltlicher Übereinstimmung, liegt auf der Hand. Viele Autoren des von Wernicke betriebenen Onlinemagazins sind gleichfalls Autoren und / oder Interviewpartner bei KenFM.19 Woher also das Gericht die Erkenntnis nimmt, dass es einen großen Unterschied ausmache, wo ein Artikel zu erst veröffentlicht wurde bzw. wird und worin der wesentliche Unterschied von KenFM, NachDenkSeiten und Rubikon denn nun zu finden sei, bleibt das Geheimnis der Richterin. Wie man KenFM einzuordnen hat, führt die Amadeu Antonio Stiftung 2016 aus: „Aus Perspektive einer antiimperialistischen Welterklärung wird ein besonderer Fokus auf die Manipulation der Bevölkerung – dem Narrativ der ‚Lügenpresse‘ und der Fremdbestimmung folgend – sowie auf Krieg, Deutschland und Israel gelegt. Oft wird aus einer ‚antirassistischen‘ Perspektive das Existenzrecht Israels abgelehnt.“20 Dass sich von KenFM viele Menschen interviewen lassen, oder nichts dagegen unternehmen, dass ihre Artikel mit oder ohne ihr Zutun dort veröffentlicht werden, sagt alles über die Qualität des Begriffs „Links“ aus, mit dem sich ein Wernicke, nun auch gerichtlich bestätigt, und viele andere auch schmücken, aber auch etwas über den Willen eines Landgerichtes, ein wenig Recherchearbeit zu leisten.

Im April 2017 wird Wernicke als Autor bei KenFM geführt
Bis zu dem Zeitpunkt als Wernicke sein eigenes Projekt Rubikon aufzog, war er regelmäßig Autor auf den NachDenkSeiten. Das Onlinemagazin NachDenkSeiten unterscheidet sich darin von KenFM, dass es ursprünglich ein Projekt von Publizisten aus dem linken SPD-Spektrum war. Bei Psiram ist über dieses Organ folgendes zu lesen. „Um 2014 jedoch begann im Zusammenhang mit Kommentaren über die ‚Mahnwachen für den Frieden‘ die Anzahl antiamerikanisch und verschwörungstheoretisch geprägter sowie wissenschaftskritischer Beiträge zu steigen.“21 Kurzum, einen politisch bedeutsamen Unterschied von KenFM und NachDenkSeiten gibt es nicht. Doch die Richterin ließ sich nicht beirren und ist der wirklichkeitsfremden Auffassung, wir hätten Wernicke zu Unrecht in die rechte Ecke gestellt und unsere irrtümliche Behauptung über die Reihenfolge einer Veröffentlichung sei für einen sich links bezeichnenden ehrabschneidend.22
3. Ausblick
Während Ruf zwar kein Propagandist des Islam(ismus) ist, aber keine Berührungsängste mit diesem hat, wofür z.B. seine Bereitschaft steht, als Interviewpartner Muslim Markt zur Verfügung zu stehen,23 ist vielleicht auch Wernicke, obwohl er mit Begriffen wie „Lückenpresse“ um sich wirft und das Thema Manipulation durch Medien zum Thema eines von ihm herausgebrachten Buches macht, nicht unbedingt ein Verschwörungstheoretiker par excellence, aber einer, der keine Probleme damit hat, für eben diese als Multiplikator bereit zu stehen. Mit seiner Form Interviews zu führen, fungiert Wernicke faktisch als Lautsprecher für Leute wie Jebsen und Todenhöfer,24 Personen die beides vereinen, Verschwörungstheorien anzuhängen und zu propagieren als auch den Islam zu verharmlosen oder gar wie im Fall Todenhöfers, eine Person zu Wort kommen lässt, die wie es in VICE zu lesen ist, PR-Touren für den IS unternimmt.25 Dass Wernicke die vulgarisierte Form von Rufs pseudowissenschaftlicher Behauptung verbreitet, Wetterphänomene seien schrecklicher als islamistische Attentäter, lässt sich an seinem Posting vom 29. Januar 2017 auf Facebook nachvollziehen und sei hier noch am Rande bemerkt.

Die Weltsicht Wernickes: Busfahren, aus dem Bett fallen, vom Blitz erschlagen werden und islamistischer Terror.
Dennoch sind weder Ruf noch Wernicke zentrale Figuren in diesem Segment. Sowohl der Islam selbst, als auch Leute wie Todenhöfer und Jebsen sind auch ohne ihre Zuträger erfolgreich im Verbreiten ihrer teils gefährlichen und teils absonderlichen Ideologien. Die tatsächlich wirksame gesellschaftliche Protektion des Islam wird durch andere besorgt. Im politischen Mainstream sind es Begriffe wie Rassismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, hate speech und die neuen Gesetzte aus dem Ministerium Heiko Maas (SPD), die dafür sorgen, dass die Gegnerschaft und z.T. auch schon Islamkritik juristisch verfolgt, gesellschaftlich isoliert und in den sozialen Netzwerken zunehmend unterbunden und bekämpft werden.
Das BgA Kassel hat darum mehrfach darauf hingewiesen, dass es die GEW ist, die nicht nur einen zweifelhaften Ruf hat, sondern eine bedenkliche Bildungsarbeit betreibt. Während mittlerweile auch im Organ der Linkspartei Neues Deutschland Wernicke mit einer gehörigen Portion Skepsis begegnet wird,26 ist nun gerichtlich bestätigt worden, dass sich Wernicke Bildungsreferent dieser Gewerkschaft nennen darf. Dies zeigt, in welchen Sumpf sich der- oder diejenige begibt, der oder die zum einen Mitglied dieser Gewerkschaft ist, zum anderen steuerlich geförderte Fortbildungen in Anspruch nimmt und wohl möglich dafür sogar bezahlten Bildungsurlaub zugesprochen bekommt. Wenn es nicht so wäre, dass GEW-Mitglieder, die von diesem Verein in der Arbeitswelt vertreten und z.T. ideologisch geschult werden, Menschen sind, die als Multiplikatoren arbeiten, sprich auf Kinder, Jugendliche und auf Erwachsene auf dem zweiten Bildungsweg losgelassen werden, durchaus entscheidende Personen in der Sozialisation sein können, könnte man mit den Schultern zucken und meinen: Scheiß drauf. Unbelehrbar! Sollen sie doch ihrem Wahn und ihrer Ideologie frönen, aber unter sich bleiben oder im Café Buchoase sich verlustieren.
4. Zur Selbstkritik
Dass wir vor Gericht gezerrt wurden und die Richter die genannten Urteile gesprochen haben, hat auch etwas damit zu tun, dass wir bei Wernicke nicht so genau hingeschaut haben. Wir haben uns zu einer unnötigen und nicht belegbaren Behauptung hinreißen lassen und Wernicke eine gewisse Nähe zu ideologischen Zuträgern von Russlands Größenwahn unterstellt. Auch die schon genannte falsche Reihenfolge in der Veröffentlichung eines Interviews war ein kleiner, aber dummer Fehler.27 Dass wir dem Professor aus Edermünde nicht, wie hier, die zitierten Passagen um die Ohren gehauen, sondern den Inhalt paraphrasiert haben, war nicht sonderlich geschickt, da die beklagte Interpretation die Unverschämtheit der Ruf’schen Aussage zum einen verharmlost und zum anderen dazu führte, das die juristische Auseinandersetzung zur semantischen hinsichtlich der Bedeutung des Wortes „gelungen“ wurde.
Und da man auf hoher See und vor Gericht sich in Gottes Hand befindet, man also nicht darauf setzten kann, dass die Vernunft in jedem Fall das erkenntnisleitende Kriterium in der juristischen Auseinandersetzung ist und aber auch, um die Auseinandersetzung wieder auf dem politischen Feld zu führen und die Äußerungen der Kläger für sich selbst sprechen, und keinerlei Paraphrasierung durch uns bedürfen, haben wir auf eine Fortführung der Prozesse verzichtet. Wir haben, auch bedingt durch unsere Laxheit, auch so schon ziemlich viel Geld in den Kölner Treibsand gesetzt. Dass wir in der nächsten Instanz uns trotz unserer Angreifbarkeit durchgesetzt hätten, war uns nicht gewiss und daher vor allem finanziell zu riskant.
Enttäuschend war für uns, dass wir in der Auseinandersetzung mit einem der wichtigsten Vordenker der in Kassel vor allem vom Café Buchoase und seinen Fans betriebenen „Israelkritik“ alleine da standen. Solidaritätsbekundungen aus der Kasseler „Zivilgesellschaft“? Fehlanzeige.
5. Danksagung
Bedanken möchten wir uns jedoch bei allen Einzelpersonen, die zu uns standen und uns auch finanziell unterstützt haben.
Der Dank gilt vor allem der Familie T. aus Israel, der Band Egotronic und Torsun B., Tilman T. und Justus W. Die genannten haben uns auch finanziell großzügig unter die Arme gegriffen. Auch für die eingegangen kleineren Spenden bedanken wir hier uns nachdrücklich. Besonderer Dank gilt auch Karl Pfeifer, der uns Mut zusprach und mit Torsten Lambeck dazu beitrug, dass die gerichtliche Posse an die Öffentlichkeit getragen wurde. (Torsten Lambeck / Fragen der Ehre) Aber auch den uns verbundenen Gruppen wie dem AK Raccoons, der unermüdlichen Gruppe Association Progrès, und Einzelpersonen aus Kassel, aus Göttingen, Marburg und aus anderen Orten, die sich uns gegenüber erkenntlich zeigten, gehört unser Dank.
Die Kosten belaufen sich auf über 5000,00 €
6. Zitierte „Literatur“
Ruf (1991): Werner Ruf (Hg.), Vom Kalten Krieg zur heissen Ordnung? Der Golfkrieg; Hintergründe und Perspektiven, Hamburg 1991.
Ruf (2005): Politischer Islam – eine neue Befreiungsideologie? in: Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (Hrsg.): Der Krieg der Armen? Friedensbericht 2005, Münster 2005, S. 107 -120.
Ruf (2007): Werner Ruf, Islamische Bedrohung ? Rosa Luxemburg Stiftung (Berlin): Standpunkte. 8/2007.
Ruf (2008): Werner Ruf, Der politische Islam – eine Widerstandsbewegung? In: Schmalz, Stefan/Tittor, Anne (Hrsg.): Jenseits von Subcommandante Marcos und Hugo Chávez. Soziale Bewegungen zwischen Autonomie und Staat. Hamburg 2008, S. 205 – 217.
Ruf (2014): Der Islam – Schrecken des Abendlands. Wie sich der Westen sein Feindbild konstruiert, Köln 2012/2014
Fußnoten
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