Zur Eröffnung des Sara Nussbaum Zentrums alles Gute!

Heute fand die offizielle Eröffnung des Sara Nussbaum Zentrums in Kassel statt. Das Sara Nussbaum Zentrum ist eine Initiative der Kasseler Unternehmerin und Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Frau Ilana Katz. Für das Bündnis gegen Antisemitismus Kassel durfte Jonas Dörge ein paar Worte an die InitiatorInnen und UnterstützerInnen richten.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Frau Padva, liebe Ilana, liebe Familie Katz,

ich freue mich, heute Abend hier zu sein und bedanke mich ganz herzlich für die Einladung. Mit dem Sara Nussbaum Zentrum ist eine Stätte eröffnet worden, die von einer Kasselerin, nein Vellmarerin – nein beides –  und Jüdin, Ilana Katz, ihrer Mitstreiterin Elena Padva und vielen UnterstützerInnen in das Leben gerufen wurde. In das Leben und für das Leben – für jüdisches Leben.

Mazeltov

Jüdisches Leben wurde von Deutschen, es waren unsere Vorfahren – unsere Väter, Mütter, Großeltern usw. ausgerottet. Umso beachtenswerter ist diese Initiative von Menschen, die sich im Land der Mörder – in einer Stadt, die bei diesem Mordprogramm eine wichtige Rolle gespielt hat, niedergelassen und ihre Heimat gefunden haben. Die meisten von ihnen kamen aus einem Land, aus der Sowjetunion, das die Hauptlast trug, den deutschen Nationalsozialismus mit aller Kraft nieder zu ringen. Abermillionen von BürgerInnen dieses Landes verloren dabei ihr Leben, KämpferInnen, Unbeteiligte, Zivilisten und explizit von den deutschen Einheiten gejagt, Juden. Viele Juden kämpften aber auch in den Reihen der Roten Armee. Dieser Einsatz wurde ihnen nicht gedankt, sie blieben nach dem Krieg an den Rand Gedrängte, Geächtete und z.T. sogar Verfolgte.

Viele verließen aufgrund der antisemitischen Stimmung in der Sowjetunion ihre Heimat und ließen sich hier nieder und trugen dazu bei, dass die jüdische Gemeinde in Kassel wieder zu neuem Leben erweckt wurde – zu ihnen gehören auch Ilana und ihre Familie. Aber nicht nur das, Ilana, ihre FreundInnen und MitstreiterInnen suchen offensiv den Weg der gesellschaftlichen Einmischung und Auseinandersetzung mit den Mitteln der politischen Diskussion, mit kulturellen Veranstaltungen und Bildungsangeboten – eben mit diesem Zentrum hier.

Ludwig Mond, Sara Nußbaum und Rudolf Hallo, sie alle haben einen Bezug zu diesem Projekt, sie alle gehörten einem mehrere hundert Jahre währenden jüdischen Leben in dieser Stadt und in dieser Region (Nordhessen) zu, das von uns Deutschen, gerade in dieser Region argwöhnisch betrachtet und schließlich ausgelöscht wurde. An dieses Leben knüpfen nun die MacherInnen an und werden es auf einer anderen Ebene fortleben lassen und beerben.

Wir Nachfahren der Mörder hören es immer wieder gerne, wenn von Versöhnung die Rede ist. Sie zu erbitten oder einzufordern steht uns – auch den Nachfahren – nicht zu, wird sie uns angeboten, wie von den InitiatorInnen dieses Zentrums, so ist dies eine große Geste der Menschlichkeit, die uns von unseren Aufgabe, der Bekämpfung des Antisemitismus, jedoch nicht entbindet.

Diese Aufgabe wird sich aber auch dieses Zentrum widmen. Auf Recht, auf Wahrheit und auf Frieden ruht die Welt, so das Motto des heutigen Abends. Sehen wir Gäste dieses Abends und zukünftige Besucher dieses Zentrums zu, dass wir im Sinne dieses Mottos tätig werden. Die Welt hat es verdient, vor allem aber die Nachfahren der Opfer der deutschen Tat, sowie der jüdische Staat, der ihnen immer eine Rückversicherung in den Zeiten ist, in denen Antisemitismus alltäglich ist.

In diesem Sinne viel Erfolg liebe Ilana, liebe Frau Padva und alle anderen die Euch unterstützen mit Eurem Zentrum – Ich wünsche allen einen schönen Abend, Danke!

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An einem Montag in Kassel und die Rede der Ilana Katz

Über die Bürger und ihren Meister und über Einsamkeit

Nachdem am 22. Dezember 2014, auf der ersten größeren Kundgebung gegen die Kagida*, der Kasseler OB durch Abwesenheit glänzte, hätte er, am Montag den 19.01.2015, nach dem terroristischen Mordanschlag in Paris, ein Zeichen setzten können und auftauchen können, um im Namen der Stadt zu erklären, dass in Kassel Nazis und Wutbürger nicht gerne gesehen sind und dass auch der islamistische Terror öffentlich verurteilt wird – Fehlanzeige.

In Kassel gibt es nicht viele Nazis, aber es gibt welche. So ist es zum Beispiel dem Sturm 18 – wenn seine Protagonisten nicht gerade im Knast sitzen oder im Alkoholkoma liegen – gelungen einen Verein zu gründen. Wenn sich dieser Sturm nicht gerade mit Vereinsangelegenheiten beschäftigt und junge Mädchen mißhandelt, macht er die Straßen in der Nordstadt oder die Kasseler Innenstadt unsicher und man vermutet, dass Kontakte zum NSU bestanden. Das hessische Innenministerium prüft seit Vereinsgründung im letzten Frühjahr bis heute, ob es Möglichkeiten gibt, gegen diesen Verein vorzugehen. Der Anführer dieser Truppe, ein verurteilter Totschläger, bewegt sich zur Zeit wieder auf freiem Fuß. (Mehr zum Thema Nazis und Kagida hier: expertise-kagida)

Auf der anderen Seite gibt es in Kassel eine Salafistenszene, mit Verbindungen in die internationale Terrorszene. Gegenwärtig ist ebenfalls eine stark nationalistisch orientierte türkische Community, die den Namen Union türkischer Demokraten trägt, die aber als Ableger der islamistischen und israelfeindlichen AKP bezeichnet werden kann. Darüber hinaus gibt es in Kassel eine starke antizionistische Front, die vom Friedensforum, von Teilen der Partei Die Linke, einer sogenannten Palästinasolidarität, über das Cafe Jihad (besser bekannt unter dem Tarnnamen Café Buchoase) bis hin zu so sonderbaren Gruppen wie die REVO und die MLPD reicht.

Obwohl letztere keine Gelegenheit versäumen zu betonen, gegen Faschisten zu sein, sind sie sich nicht zu schade zusammen mit Islamfaschisten, arabischen und türkischen Nationalisten gegen Israel zu agitieren, antisemitische Parolen zu brüllen und für Juden in Kassel eine Drohkulisse aufzubauen.

Es gibt also sowohl Anlass für Migranten sich in Kassels Straßen zu fürchten, wie es Anlass für Juden gibt, auf der Hut zu sein.

Den Oberbürgermeister ficht das nicht an, er redet lieber davon, dass Kassel eine bunte Stadt ist, in der Toleranz ein wichtiges Gut sei. Das finden auch die Kasseler Bürger gut, die in vierstelliger Zahl am 02. Februar dem Ruf ihres Meisters folgten und zum Rathaus kamen. Wichtig ist es ihm auf einer Kundgebung, die beansprucht ein Zeichen gegen den Terror und gegen Fremdenhass zu setzten (zum Aufruf mehr hier: Ein Aufruf und das Elend des Meinens der Wohlgesinnten), zu betonen, dass „wir aber ebenso gesprächsbereit [sind], wenn es darum geht, mit den Menschen über ihre Ängste und Sorgen zu reden.“ Er meint die, die eine Überfremdung fürchten, die von zu lasch gehandhabten Einwanderungsgesetzen reden, die die Islamisierung des Abendlandes fürchten, von der Lügenpresse usw. faseln. In Kassel ist sonst aber alles gut, denn „Rassismus und Antisemitismus, Fanatismus und Hass haben in dieser Stadt keine Heimat“, das meint jedenfalls der OB.

An diesem Montag blieb der Chef der Caricatura beim Thema indem er von der Notwendigkeit einer kritischen Satire sprach, die sich auch zukünftig dem Islam (aber auch anderer Unzumutbarkeiten des Alltaglebens) widmen wird. 

Die notwendigen und deutlichen Worte auf dieser Kundgebung sprach jedoch die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Kassels, Ilana Katz, deren mutige Rede wir hier im Wortlaut dokumentieren. (jd)

Ilana Katz 02.02.15

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Bürgerinnen und Bürger,

es ist gut, dass heute so viele Menschen in Kassel ein Zeichen setzen möchten – für ein friedliches Zusammenleben, gegen Rassismus, gegen Antisemitismus. Ich bin über jeden froh, der sich für unsere friedliche Zusammenleben einsetzt.

Es ist gut, wenn viele Menschen in Kassel nach den schrecklichen Massenmorden in Paris nun für Demokratie und Freiheit eintreten. Ich finde es gut, wenn viele Menschen in Kassel nach den Kundgebungen und Demonstrationen des Kasseler Pegida-Ablegers klar machen, dass wir Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Islamfeindschaft und Judenhass ablehnen. Das ist hervorragend, da machen auch wir mit.

Neben Wahrheit und Gerechtigkeit ist Frieden eines der heiligsten Ziele im Judentum. Und ein Menschenleben ist das heiligste Gut. Nach unserer Überzeugung müssen wir als Menschen uns jeden Tag für das Gute und gegen das Böse entscheiden. Es ist eine bewusste Entscheidung gegen Hass und Gewalt. Es ist eine bewusste Entscheidugn für Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden. Und ich danke den Organisatoren dafür, dass ich hier für die Kasseler Juden vor den jenigen sprechen kann, die sich genau so entschieden haben – für das Gute, für den Menschen.

Wir als Juden sind gegen jede Verachtung von Menschen, sind aber als Juden selbst Zielscheibe des Hasses. Wir spüren besonders den Antisemitismus. Heute ist es sehr selten, dass Menschen „Juden raus“ sagen – aber der Antisemitismus ist nicht verschwunden, er hat eine andere Form angenommen. Der moderne Antisemitismus bezieht sich häufig auf den Staat Israel. Aber am Ende schreien die Israelhasser „Tod den Zionisten“, meinen jedoch wieder uns Juden. Das ist der moderne Antisemit: Er sagt Israel, aber er meint die Juden. Er hasst Zionisten, aber er meint Juden. Und diese Juden, das sind auch wir, ihre deutsche jüdischen Nachbarn hier in Kassel.

Beobachten ließ sich das im Sommer des vergangenen Jahres auch hier am Rathaus und in dieser Innenstadt. Damals waren es nicht Terroristen, wie in Paris, oder ein paar klägliche Figuren vom rechten Rand. Damals waren es Israelhasser auch aus den Reihen der Linke und der Muslime, die Juden und Israel als „Mörder“ beschimpften oder Juden ins Gas wünschten.

Diese Leute würden betonen, ausschließlich gegen Zionisten und gegen Israel zu sein. Aber bei genauem Hinsehen wird klar: ihr Antizionismus ist Antisemitismus. Wir haben uns damals gegen diese Hetze zusammen mit guten Freunden in dieser Stadt gestellt.

Ich gehe davon aus, dass die meisten die sich heute hier gegen Rassismus stellen, sich auch deutlich gegen den modernen Antisemitismus engagieren. Denn wenn Sie möchten, dass sich Jüdinnen und Juden und mit ihnen die erkennbaren Unterstützer Israels in dieser Stadt wohl fühlen können, dann beteiligen sie sich bitte daran, den modernen Antisemitismus da zu bekämpfen, wo er auftritt – mit aller Entschiedenheit, mit den Mitteln von Aufklärung, Demokratie und Solidarität.

Tun sie etwas für den Frieden – führen Sie die notwendige Auseinandersetzung!

Halten sie sich nicht raus!

Ich wünsche uns allen Frieden! Shalom!

* Eine ausführliche Dokumentation und Kommentierung der Kasseler Montage findet sich bei den GenossInnen der T.A.S.K Kassel