Das ABC der Kasseler Israelkritik

(update 29.11.2019)

Prolog

Die israelkritischen Äußerungen von Kandidaten und Mandatsträgern unserer Partei sind nach Überzeugung des Kreisvorstandes der Partei Die Linke „nicht nur widerlich, sondern absolut intolerabel“. Der Kreisvorstand prüft derzeit auch strafrechtliche Schritte gegen Simon Aulepp, Ali T., Murat Cakir und Kai Boeddinghaus. „Aulepp muß sein Mandat sofort niederlegen“, fordern die Vorsitzenden der Partei. Gleiches gelte für den Fraktionschef der Partei im Rathaus, der sich den Rücktrittsforderungen an Aulepp und seinen Spießgesellen widersetzte.

Das ist eine Pressemeldung, die es nicht gibt und die nicht zu erwarten ist.

A wie Aulepp

Die richtige, in Deutschland und insbesondere in Kassel sehr bemerkenswerten, Reaktion der Stadt, in Reaktion auf den antisemitischen Terroranschlag in Halle die Israelfahne zu hissen, führte zur Anfrage (450)1 des Stadtverordneten der Kasseler Linke Simon Aulepp: „[…] ich frage […] aufgrund der Zunahme von Antisemitismus und rechter Gewalt […] im Zusammenhang des Gedenkens an die Opfer des Anschlags auf die Synagoge in Halle wurde vor dem Kasseler Rathaus die Flagge des Staates Israel gehisst. Welchen Zusammenhang sieht der Magistrat zwischen dem Anschlag auf eine Synagoge in einer deutschen Stadt mit dem Staat Israel?“ Dass die Aktion der Stadt Fragen bei einem Gefolgsmann der antinationalen und antizionistisch aufgestellten SAV2 Fragen aufwirft, verwundert nicht.

Ja, aber man wird doch noch mal fragen dürfen und hätte es Aulepp, nach der erschöpfenden Antwort des Oberbürgermeisters Christian Geselle, „es gibt ein ganz klaren Zusammenhang […] und wir [setzen] hier mit dem Zeigen der Flagge Israel ein deutliches Symbol“, dabei belassen, so wäre die Sache nicht weiter erwähnenswert gewesen. Doch Aulepp beließ es nicht dabei. Stellvertretend für die „Kritiker*innen“ (des Staates Israel) fielen ihm noch folgende Nachfragen ein: „Was entgegnen Sie Kritiker*innen, die darin eine Gleichsetzung des Staates Israels mit dem Judentum sehen?“ Und: „Welche Position beziehen Sie gegenüber der etwaigen Forderung, bei einem vegleichbaren Anschlag auf ein muslimisches Glaubenshaus die Flagge zum Beispiel Saudi Arabiens zu hissen?“ Bemerkenswert an diesen Nachfragen ist erstens, dass es Aulepp offenbar fragwürdig findet, dass es ein jüdisches Nationalbewusstsein gibt, welches Ausdruck im Staat Israel findet, und dass er sich zweitens zu einer Nebeneinanderstellung eines verbrecherischen Staates wie Saudi Arabien mit einem demokratischen Staat wie Israel bemüßigt fühlt. Die jüdische Religion versagt sich weitgehend dem Weltlichen und im Gegensatz zum Judentum, dessen nationales Bewusstsein im Zionismus und im Staat Israel einen politischen Ausdruck findet, gibt es, obwohl es „Gottesstaaten“ wie Saudi Arabien und den Iran gibt, ein Nationalbewusstsein beim supranational aber explizit politisch angelegten Islam nicht. Drittens ist anzuführen, dass Aulepp einen vielleicht rassistisch motivierten Anschlag auf eine Moschee mit einem antisemitischen auf eine Synagoge gleichsetzt. Hier zeigt sich, dass Aulepp weder vom Begriff Antisemitismus noch vom Islam Ahnung hat sowie Judentum und jüdische Religion nicht unterscheiden will oder kann und somit ein antizionistischer Ideologe ist.3

Der Jargon des Antizionismus: Militärische Operationen gegen die antisemitische, terroristische und islamistische Hamas sind keine Selbstverteidigung, sondern ein Krieg gegen eine Bevölkerung.

Sein Antizionismus wurde auch in einer nachgeschobenen Erklärung deutlich. In dieser (Min. 14:40) verwahrte sich Aulepp „gegen den Anschein, irgendjemand der Kasseler Linken bestreite das Existenzrecht Israels“ und ließ dann verlauten: „[…] selbstverständlich gilt das Selbstbestimmungsrecht der Völker auch für Israel […]“. Dass Israel Ausdruck des Selbstbestimmungsrechtes des jüdischen Volkes ist, ließ der Antizionist Aulepp dabei geschickt unter den Tisch fallen. Und so konnte er dann mit dem üblichen Pathos eines antifaschistischen Vorkämpfers darauf verweisen, dass „die Kasseler Linke ihre volle Solidarität mit den Opfern, mit den mutmaßlichen Opfern, mit allen jüdischen Gemeinden in Deutschland“ erkläre und „dass die Kasseler Linke den Antisemitismus sehr ernst nehme“ um dann einschränkend hinzuzufügen, „wir sehen ihn [den Antisemitismus] im Moment in der Fratze der rechten Gewalt, des rechten Terrorismus, da sehen wir Antisemitismus in der Tat. Das verurteilen wir. Wir halten nur den Zusammenhang mit dem Staat Israel für fragwürdig. […] Meine Solidarität gilt allen jüdischen Menschen auf der Welt, die Opfer solcher Anschläge werden, hier in Deutschland passieren die Anschläge, deshalb gelten sie in diesem Fall nicht für Israel.“ Dass in Israel Juden – auch zum Zeitpunkt der Debatte – Ziel von Raketenangriffen antisemitischer terroristischer Banden aus dem Gaza und einzelner Täter (Messerstecher) sind, fällt bei dieser Sichtweise natürlich unter den Tisch, bzw. wird unter dem Label „Nutzt der rechtsradikalen Regierung“ abgeheftet.

Von der HNA befragt, ließ dann Aulepp die Katze vollends aus dem Sack. Dort wird er zitiert: „Es muss möglich sein, die israelische Besatzungspolitik zu kritisieren“ und fügt hinzu, man hätte doch auch die deutsche Fahne auf Halbmast setzen können, denn „das war kein Anschlag auf den Staat Israel, sondern auf eine Glaubensgemeinschaft.“4 „Israelkritik“, „Saudi Arabien“, „Nationalstaat“ und „Religionsgemeinschaft“ das sind die Begriffe, die in schlafwandlerischer Art und Weise einem deutschen Linken dann einfallen, wenn die Stadt mit dem Hissen der israelischen Fahne sich solidarisch mit den angegriffenen Juden erklärt.

Die israelische Fahne ist Symbol der Idee von der jüdischen Nation als Form der „Wiederaneignung von Kraft und Gewalt durch die Juden“ (Claude Lanzmann), die die einzige Antwort auf den Antisemitismus von Relevanz ist. Dass auch der Repräsentant der Stadt, Oberbürgermeister Christian Geselle, diesen Zusammenhang nicht ganz durchschaut und daher nicht in der Lage war, ihn, befragt von der HNA, auf den Begriff zu bringen, verdeutlicht die in der HNA zitierte Bemerkung des Oberbürgermeisters: „Jede antisemitische Aktion ist auch immer ein Angriff auf den Staat Israel.“ Nein – natürlich steht nicht jeder Jude für Israel und deswegen ist auch nicht jeder Angriff auf einen Juden einer auf Israel, aber jeder Angriff auf den Juden ist Antisemitismus und Angriffe gegen den Staat Israel, die staatsgewordene Idee des Judentums, sind deswegen auch Antisemitismus. Eine kleine Ungenauigkeit des Oberbürgermeisters, die die Geste der Stadt nicht entwertet.

Aulepp hingegen lag nicht in der Begrifflichkeit daneben, sondern tritt wie sein Kumpan Martin Gertenbach als treuer Parteigänger der SAV auf, die klar und deutlich antizionistisch ausgerichtet ist. (Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Antizionismus der SAV ist hier nicht der Platz – diese wird aber folgen. Ein paar Verweise mögen hier ausreichen.5) Gertenbach ergriff, wie Aulepp in der Stadtverordnetenversammlung, angesichts der israelsolidarischen Aktion der DGB-Jugend zum 1. Mai dieses Jahres der heilige Zorn und wollte lautstark pöbelnd das Transparent entfernt wissen, das verkündete „Gegen BDS und Israelhass“.

Exkurs oder Ali sagt: Antideutsche sind hier nicht erwünscht

In Kassel da gibt’s ein Wirtshaus, da kann man Köfte, Döner und Vorspeisenteller essen, Fußball sehen, bei milden Temperaturen draußen sitzen und Bier trinken. Das Lokal gilt als Treffpunkt der linken Studentenszene. Lenin, Allende, ein Helm der nordvietnamesischen Armee und andere Devotionalien linker Kulturpflege hängen an den Wänden. Der Wirt mag „Antideutsche“ nicht besonders. Bisher frotzelte er nur „Scheiß-Antideutsche“, wenn sie seine Kneipe aufsuchten. Seit die Lüge gestreut wird, bestimmte „Antideutsche“ hielten es mit der AfD, verdächtigt der Wirt die Streiter gegen Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik der Ausübung von, seiner Meinung nach, unsittlichen Sexualpraktiken. In einem Streitgespräch versicherte er, da in Ägypten ein jüdischer Minister walte, sei die Grenze zwischen Ägypten und dem Gaza ebenfalls geschlossen. Diese sich nach Szeneklatsch anhörenden Angelegenheiten wären tatsächlich nicht weiter erwähnenswert, doch der Wirt Ali T. ist Abgeordneter der Partei „Die Linke“ und stellvertretender Ortsvorsteher im Ortsbeirat Nord / Holland in Kassel. „Schmach und Schande über den, der Feindschaft gegen die Juden […] sät.“ (W.I. Lenin)

B wie Boeddinghaus

Kai Boeddinghaus, von dem man lang nichts gehört hat, fühlte sich bemüßigt, in der Auseinandersetzung über Aulepp das Wort zu ergreifen. Er wittert die Antisemitismuskeule6, beklagt den „Jargon der Antideutschen“ und fürchtet zum wiederholten Male, dass den Antizionisten das Menschenrecht auf Israelkritik aberkannt wird. Gleichzeitig dekretiert er, eine „glaubwürdige Solidaritätsbekundung [sei] in diesen Zeiten [..] mehr als notwendig“, schränkt aber ein, das „Hissen einer/dieser Nationalflagge“ schade der Glaubwürdigkeit.7

But who the fuck ist Boeddinghaus? Boeddinghaus war ein durchaus talentierte Lokal-Politiker und ging verschiedenen Vertretern der Stadtpolitik, einem seidenfadigen Chefredakteur und der Industrie- und Handelskammer mit seinen, in Sachen Flughafen, Schul- und Haushaltspolitik durchaus fachkundigen und gekonnt vorgetragenen Nachfragen und Einsprüchen mächtig auf die Nerven. 2011 kandidierte er für die Partei „Die Linke“ für das Oberbürgermeisteramt der Stadt Kassel.

Für die Partei saß er mehrere Jahre als parteiloser Vertreter in der Stadtverordnetenversammlung. Doch wie es in den Reihen der Linken so ist, schützt lokal-, sozial-, und finanzpolitischer Sachverstand vor theoretischer Dummheit nicht und das größte Engagement für soziale Gerechtigkeit geht oft einher mit hartnäckigem Israelhass, Antizionismus und Antisemitismus. Boeddinghaus will natürlich kein Antisemit sein, trotzdem fühlte er sich bemüßigt, die nach 1945 größten antisemitischen Aufmärsche in Kassel, die hasserfüllten Kundgebungen gegen Israel im Sommer 2014, zu Demonstrationen „für den Frieden oder gegen kriegerische Auseinandersetzungen“ zu erklären, die von „persönliche[r] Betroffenheit“ und von dem „Gefühl mit der Demonstration auch Einfluss nehmen zu können“ geprägt gewesen seien. Diese Betroffenheit hinge damit zusammen, dass die Region Empfänger „langjährige[r] Waffenlieferungen“ sei.8 Die Kundgebungen richteten sich nicht nur gegen die Intervention der israelischen Armee gegen die Hamas im Gaza, sondern gegen Israel insgesamt. Dieses zentrale Anliegen der sich im Sommer 2014 mehrfach zusammenrottenden Antisemiten wurde von dem Kämpfer gegen die Antisemitismuskeule geflissentlich übersehen.

Die Hamas wird zwar indirekt mit viel Geld aus der EU und auch aus Deutschland unterstützt, Waffen aus der Bundesrepublik erhält von den beiden Konfliktparteien, aber nur Israel. Abgesehen davon, dass in seinem Statement die beiden Konfliktparteien wie unartige Schuljungs auf dem Schulhof gleichgestellt werden, die Umsetzung seiner Forderung „Stoppt die Waffenlieferungen“ bedeutet, Israel angesichts des bis an die Zähne bewaffneten Antisemitismus zu entwaffnen. Eine solche Forderung zeuge vom „Mut […], gerade angesichts der deutschen Geschichte und Verantwortung politische Missstände als solche auch zu bezeichnen“, womit er flugs einen Zusammenhang von der israelischer Gegenwart zur Praxis des nationalsozialistischen Vernichtungsterrors gezogen hat. Und natürlich darf das ein Böddinghaus, denn „eine besondere politische Rücksichtnahme hinsichtlich einer notwendigen konstruktiven Kritik an der israelischen Politik ist in keiner Weise […] gerechtfertig.“9 Dies diktierte er der EAPPI, dem „Trainingslager für antiisraelische Propaganda“10 in den Block.

C wie Cakir

Murat Cakir trat 2017 für die Partei „Die Linke“ für das Amt des Oberbürgermeisters in Kassel an. Er ist Mitarbeiter, der in Sachen Israelkritik einschlägigen Rosa-Luxemburg-Gesellschaft.11 Cakir hat nicht nur ein Problem damit, dass die Bundestagsfraktion versuchte, die schlimmsten Auswüchse des Antizionismus in der Partei einzudämmen, nein er findet, dass man über das Begehren der BDS-Bewegung diskutieren dürfen müsse:

„Zweitens ist die Frage zu stellen, warum DIE LINKE sich aus den Diskussionen um den Boykottaufruf für israelische Waren aus den besetzten Gebieten heraushalten sollte. … wie haben wir uns […] zu verhalten, wenn ein Staat einen Teil seiner StaatsbürgerInnen die vollen BürgerInnenrechte verwehrt; aus religiöser Motivation heraus den Grund und Boden seiner Nachbarn zu seinem Eigentum erklärt; nicht gewillt ist, UN-Resolutionen umzusetzen und sein nukleares Arsenal unter internationaler Kontrolle zu stellen; jegliche Standards eines demokratischen Rechtsstaates missachtet, gezielt »Staatsfeinde« exekutiert; Tausende ohne einen Gerichtsbeschluss inhaftiert; in fremden Gebieten, die sie besetzt hält, ein offenes Willkür- und Apartheidregime installiert hat, diese Gebiete mit international geächteten Munition bombardiert und bilaterale Abkommen mit den Nachbarstaaten als ein strategisches Instrument seiner weiteren Militarisierung sieht?“12

„Kauft nicht beim Juden (resp. Siedler, resp. Israeli)13“ ist eben eine Formel, über die man doch diskutieren darf, insbesondere dann, wenn man Israel, dem im Nahen Osten einzig demokratisch und rechtsstaatlich konstituierten Staat, brutale Willkürherrschaft und systematische Menschenrechtsverletzungen unterstellt, ja ihn als Apartheidregime diffamiert.

Epilog

Die eingangs formulierte Pressemitteilung wird es nicht geben. Das ist bei einer Partei, die ihre Veranstaltungen in einem Café abhält, das keine Berührungsängste mit Vertretern terroristischer Gruppen hat, regelmäßig den Ostermarschaufruf unterzeichnet und die einschlägige Christine Buchholz zu Vorträgen und Wahlkampfveranstaltungen einlädt, kein Wunder.

Bekanntlich gibt es jedoch auch andere Parteien, die ein Problem mit einer antisemitischen Anhängerschaft und ebensolchen Mandatsträgern haben. Als der nordhessische Politiker der AfD Gottfried Klasen einen herbeihalluzinierten Einfluss der Juden in Deutschland auf seiner Facebookseite beklagte, traf dieses klassische Motiv antisemitischer Weltanschauung auf umfassenden Protest. Diverse Politiker u.a. die der Partei „Die Linke“ forderten den Rücktritt Klasens. Die antisemitischen Äußerungen von AfD-Kreistagsmitglied Gottfried Klasen sind nach Überzeugung der Linksfraktion im Kreis Kassel „nicht nur widerlich, sondern absolut intolerabel“. Die Fraktion prüfe derzeit auch strafrechtliche Schritte gegen Klasen. „Er muß sein Mandat sofort niederlegen“, fordern Dres. Stephanie und Christian Knoche von den Linken. Gleiches gelte für den Fraktionschef Florian Kohlweg.14 Kohlweg war und ist bis heute nicht durch antisemitische Äußerungen aufgefallen. Ein paar Tage später teilte die HNA mit: AfD-Kreistagsmitglied Dr. Gottfried Klasen aus Zierenberg tritt mit sofortiger Wirkung von seinem Amt im Kasseler Kreistag zurück. Das teilte AfD-Kreistagsfraktionschef Florian Kohlweg mit. Der Grund dafür sei, dass Klasen auf seiner privaten Facebook-Seite diverse Einträge verfasste, die „mit den Wertvorstellungen der übrigen Fraktionsmitglieder nicht vereinbar seien“.15

Post Skritptum

„Jede Kritik am Staat Israel ist antisemitisch.

Der linke Antizionismus [ist] ein Zeichen dafür, daß die Linke sich noch unter dem Niveau der bürgerlichen Aufklärung befindet. Hätte die Linke wenigstens das Niveau der bürgerlichen Aufklärung erreicht, dann hätte sie einsehen müssen, daß der Staat Israel die organisierte Emanzipationsgewalt der Juden ist. […] Es kann keine Kritik am Staat Israel geben, die nicht antisemitisch ist, da – wie schon hervorgehoben- Israel die organisierte revolutionäre Emanzipationsgewalt der jüdischen Gesellschaft darstellt. Jede Kritik kann nur aus der Perspektive des Abscheus vor dieser Emanzipation geäußert werden. […] Der Postzionismus ist israelischer Azionismus für deutsche Antizionisten, […]. Der wesentliche Charakter des Staates Israel liegt in dem Recht auf Rückkehr […]. Der Antizionismus, Azionismus oder Postzionismus jedweder Façon wendet sich gegen dieses Gesetz und fordert mit dem Argument, daß dieses Gesetz verhindern würde […] daß Israel der Staat all seiner Bürger wird, seine Abschaffung.“16

Im Netz

Stephan Frank, Die Linke Kassel: Gedenken ja – aber bitte ohne Israel, auf: menawatch, 19.11.2019

Amerkungen

1 Die Anfragen, Antworten und persönlichen Erklärungen sind in der Audiodatei der Fragerunde (TOP 3) der Stadtverordnetenversammlung auf der Homepage der Stadt Kassel hinterlegt. Aulepps Anfrage beginnt ca. in der achten Minute. (Vorgang TOP 3, Sitzungstermin 4.11.2019, Stadtverordnetenversammlung, 35. Sitzung)

2 Simon Aulepp gehört der SAV an, ist Lehrer und Mitglied des Vorstandes der GEW-Kassel Stadt. SAV steht für „Sozialistische Alternative Voran“. Dass man mit dieser Abkürzung auch anderes assoziieren kann, begründet sich darin: Die SAV tritt für „die bewaffnete Gewalt durch demokratisch gebildete, rechenschaftspflichtige, transparente Milizen aus den Reihen der arbeitenden Bevölkerung“ ein. („Sicherheit statt Kapitalismus“, Sozialismus.info, 10.02.2018) Diese, einer parlamentarisch-demokratisch kontrollierten Exekutive diametral entgegenstehende, Bürgerkriegsrhetorik erinnert an die Kampfbünde in der Weimarer Republik, zu denen auch die SA gehörte. Die SA war eine sicher nicht demokratisch organisierte Miliz desLumpenproletariats der NSDAP. Ob jedoch die Vorstellung der SAV, die sich auf den, an Lenin angelehnten Begriff vom demokratischen Zentralismus beruft (SAV-Referat, Wie und warum wir uns demokratisch-zentralistisch organisieren, kalinka-m.org, abgerufen 20.09.2019), wesentlich demokratischer ist, sei dahingestellt. Abgesehen davon stellt die „arbeitende Bevölkerung“ heute das Gros der Anhängerschaft der AfD (vgl. z.B. Männlich, Arbeiter, AfD-Wähler, Zeit.de, 02.9.2019). Sie zu bewaffnen ist sicher keine gute Idee.

3 Mit dem Verhältnis von Rassismus und Antisemitismus setzt sich Alex Gruber im Aufsatz „Antirassistischer Antisemitismus. Judenhass im moralisch einwandfreien Gewand“ in: Context XXI Nr. 2-3/2004 auseinander, auf den hier verwiesen wird. Ausführlicher auch Joachim Bruhn: „Unmensch und Übermensch Über das Verhältnis von Rassismus und Antisemitismus“. in: Joachim Bruhn, Was deutsch ist. Zur kritischen Theorie der Nation, Freiburg (ça ira-Verlag) 1994. Über das Verhältnis von Islam und Politik sei beispielsweise auf die aktuellen Bücher von Susanne Schröter, Politischer Islam, Stresstest für Deutschland“ sowie auf Nina Scholz, Heiko Heinisch, „Alles für Allah. Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert“ verwiesen.

4 „Das war kein Anschlag auf den Staat Israel“. Antisemitismus-Streit über Israel-Flagge vor Kasseler Rathaus, HNA, 06.11.19

5 „Kindermörder Israel!“ sei keine antisemitische Parole, heißt es in einem Papier der SAV, sondern treffe objektiv die Realität. Auch das Verbrennen der israelischen Fahne, dem Symbol des jüdischen Nationalismus, habe nichts mit Antisemitismus zu tun, denn diese Aktion wende sich gegen die militärischen Aktionen Israels und nicht gegen Juden an sich. Als Beispiel wird der Gaza-Konflikt herangezogen, in dem friedliche Demonstranten mit einer bewaffneten Macht konfrontiert seien, die eine brutale Belagerung von zwei Millionen verarmten Menschen in diesem zerstörten Küstenstreifen ausübten. Gemeint ist nicht die Hamas oder Islamische Jihad, die die Bewohner des Küstenstreifens in Geiselhaft nehmen, sondern die israelische Armee, deren Panzer mit israelischen Fahnen bestückt sind und zum Schutz der eigenen Bevölkerung vor Terrorangriffen aus dem Gaza an der Grenze zum Gaza stationiert sind. (Vgl.: Sozialismus-Konferenz 2018 in Israel/Palästina, 04.11.2018 und Die Antisemitismus-Debatte, 05.11.2018 in Sozialismus.info)

6 Ein Bericht eines vom Bundestag eingesetzten Expertenteams zum Antisemitismus stellt bei 40 Prozent der Bevölkerung sogenannten israelbezogenen Antisemitismus fest. Die Kritik an der israelischen Politik ist also massenweise antisemitisch konnotiert. Die Unkenntnis dieser ideologischen Gemengelage ist die Grundlage der Unterstellung, Israelis und ihre deutschen Freunde benutzten die Antisemitismuskeule, um Kritiker mundtot zu machen. (Vgl.: Alan Posner, An allem schuld, in: jüdische-allgemeine.de, 08.05.2017)

7 Boeddinghaus kommentiert Eckhard Jochums Einwurf „Antisemitismus in Reinkultur“, 10.11.2019, kassel-zeitung. Der Kommentar wurde mittlerweile gelöscht, ist aber von uns archiviert.

8 Kai Boeddinghaus, Ich bin ein Antisemit. Bin ich ein Antisemit?, 26/08/2014 KasselerRathausblog

10 EAPPI: The World Council of Churches’ Training Camp for Anti-Israel Advocacy, NGO Monitor, 14.01.2019

11 Vgl. etwa: Rosa-Luxemburg-Stiftung fördert „Israelkritik“ in Tel Aviv, Ruhrbarone, 11.01.2019

12 Ausführlich über Cakir: „Murat Cakir oder das Man-wird-es-ja-noch-mal-sagen-dürfen-Prinzip“, Schwerer Sand, 09.10.2016

13 Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus: „Die BDS-Bewegung ist in ihren Methoden und Zielen antisemitisch. Die Aufrufe der Kampagne zum Boykott israelischer Künstler oder die „Dont’t buy!“-Aufkleber auf Waren aus dem jüdischen Staat sind uneingeschränkt zu verurteilen. Es handelt sich um Methoden aus der Nazi-Zeit, die unerträglich sind und weder geduldet noch toleriert werden dürfen. Wer wie BDS das Existenzrecht Israels abstreitet, […] agiert im Kern antisemitisch.“ Welt.de, 08.08.2018

14 Juden-Hetze im Netz: Weitere Parteien fordern Rücktritt von AfD-Mitglied Klasen. Frankfurter Rundschau belegte antisemitische Äußerungen, HNA 26.07.16

15 Nach Juden-Hetze: AfD-Politiker Gottfried Klasen ist zurückgetreten, HNA, 28.07.16

16 Joachim Bruhn, „Jede Kritik am Staat Israel ist antisemitisch.“ – Interview mit T-34. Informationen für das westliche Ruhrgebiet (Juli/August 2003) der AntiFa Duisburg

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Der Friedensratschlag in Kassel – Ein Wochenende der Untoten

(1. Dezember 2017)

Frage aus dem Publikum: „Wir haben ja seit über einem Jahr vor der somalischen Küste militärische Fahrzeuge, also sprich Fregatten et cetera, die gegen Pirateneinsatz eingesetzt werden, in internationalen Gewässern. Wie du gesagt hast, Norman, wird im Herbst noch ein neuer Konvoi gestartet. Ist es legitim, dass man diesen Konvoi mit der türkischen Marine oder mit anderen Ländern, meinetwegen auch Skandinavien, beschützen kann, und im Zweifelsfall knallt man diesem faschistischen Regime in Israel einen vor den Latz?“ Paech: „[…] Und schließlich der Konvoi und Schutz der Marine: Eigentlich ja! Das ist eine Idee! Man könnte die Bundesmarine auffordern, den nächsten Konvoi zu begleiten […]“ (Norman Paech / 2010)

Dieser Wortwechsel sei zur Illustrierung dessen zitiert, wie es in der deutschen Friedensbewegung so denkt: „Nie wieder ‚Krieg gegen Faschismus, zeigen wir es lieber den Juden!“ U.a. dieser Norman Paech tritt am Wochenende beim Friedensratschlag 2017 in Kassel auf, der in den Räumen der Universität Kassel stattfindet. Er ist auch ein Beispiel dafür, dass das Bekenntnis zur Gewaltfreiheit in der Friedensbewegung relativ ist.

Im Folgenden seien daher ein paar der Referenten des 2017er Friedensratschlags vorgestellt, um zu verdeutlichen, mit wem und womit wir es hier zu tun haben.

Die Veranstaltung beginnt mit der ehemaligen Gewerkschaftsfunktionärin Anne Rieger, die 2006 die übliche Leier von wegen: ‚Israels ist selbst schuld am Terrorismus‘ vorbrachte: „Eine Politik, die einseitig Israel schütze und gleichzeitig die Araber einem Schicksal ausliefere, das aus Erniedrigung, Armut, Besatzung und Deklassierung besteht, wird nicht hingenommen werden, schafft Widerstand und ist der Nährboden für Hass und Gewalt gegen Menschen in Israel. Tausende palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen – darunter 450 Kinder unter 18 Jahren – führen zu Wut und auch zu hilflosem Zorn, der die Eskalation der Gewalt weiter vorantreibt.“ (Rieger / 2006) Dazu wird der gegen jede Evidenz sich behauptende Evergreen vom Wasserraub der Israelis feil geboten. (Alex Feuerherd / Israel, die Palästinenser und das Wasser)

Die Veranstaltung wird beendet mit Ann Wright, einer amerikanischen Aktivistin, die dem antisemitischen BDS Umfeld zugeordnet werden kann (Mitchell Bard / Anti-Semitism BDS). Sie war an dem sogenannten Gaza Freedom March beteiligt, der sich selbstredend nicht gegen die Herrschaft der Hamas richtete, sondern gegen die „israelische Blockade“. Dieser Marsch gilt als Vorläuferorganisation des BDS. Auf der Seite des Gaza Freedom March heißt es: „It is almost certain that new organizing around ‚boycotts, divestment and sanctions‘ against the Israeli occupation of the West Bank and Gaza will take place in the United States as a result of the Gaza Freedom March.“ 2010 schipperte auch Wright mit der Mavi Mamara Flotille gen Israel. Maßgeblich organisiert und finanziert wurde das Schiff damals von der islamistischen İnsan Hak ve Hürriyetleri ve İnsani Yardım Vakfı (IHH). Die IHH steht nach wie vor für ihre Verbindungen mit der Hamas in der Kritik. (David Schraven / Auf Schleichwegen)

Dazwischen kommen verschiedene andere der üblichen Verdächtigen zu Wort, bzw. wird die Gelegenheit geboten, dem geneigten Publikum ihren Wahn zu unterbreiten.

Beginnen wir mit dem eingangs zitierten Norman Paech. Paech ist einer derjenigen, die sich schon früh für einen Boykott israelischer Waren einsetzten und war Gegner der Antisemitismus-Resolution der Fraktion der Partei „Die Linke“, mit der die Partei versuchte, die schlimmsten Auswüchse des antisemitischen Wahns unter ihren Anhängern einzuhegen. (Martin Kloke / Antisemitismus in der Linkspartei) Während Paech nicht müde wird, die israelische Regierungen wegen angeblicher vielfältiger, schwerwiegender Vergehen gegen das „Völkerrecht“ anzuklagen, hält er Verhandlungen mit der islamistischen Hamas für notwendig, um den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern einer zivilen Lösung näher zu bringen. Auch Paech war Mitreisender auf dem Schiff Mavi Marmara. Während Israels militärische Aktionen von Paech selbstverständlich verbrecherisch genannt und auch durchaus mal als Massenmord bezeichnet werden, sieht er den Terror der Hamas als legitimen Widerstand gegen den demokratischen Staat Israel an. So verglich er in einer Rede 2014 die Raketen, die von Gaza auf Israel abgefeuert werden, mit dem Widerstand der Algerier gegen die französische Besatzung: „Gewiss, diese Raketen aus Gaza sind offensichtlich so primitiv und werden wahllos abgefeuert, dass sie ungesteuert auch zivile Einrichtungen treffen. Das ist völkerrechtswidrig und muss eingestellt werden. Nur, erinnern Sie sich an die Zeit des algerischen Befreiungskrieges: als die Algerier gefragt wurden, warum sie Sprengsätze in den Papierkörben der Restaurants versteckten und zur Explosion mit vielen zivilen Opfern brachten, antworteten sie. Hätten wir Hubschrauber wie die Franzosen, würden wir die benutzen, die sind offensichtlich erlaubt.“ (Paech / Gaza-Rede)

Uwe Hiksch nahm am 04. Februar 2012 als Referent an einer Tagung des Deutschen Koordinationskreises Palästina Israel (KoPI) teil. Der KoPi unterstützt offen die antisemitische BDS-Bewegung. Um den KoPI einschätzen zu können, genügt ein Blick auf dessen Homepage.

Mohssen Massarrat sieht in der Bedrohung Israels einen Popanz: „Die Bedrohung der Existenz Israels“ stellt sich im Lichte dieser Analyse als ein Popanz heraus, den Tel Aviv, Washington und Berlin mit großem propagandistischem Aufwand aufgebaut haben.“ (Massarrat / Ist Israels Existenz bedroht?) Auch Massarrat sieht in der Hamas eine Befreiungsorganisation: „Was bleibt einer Befreiungsorganisation wie der Hamas, die inzwischen für die palästinensische Nationalbewegung insgesamt kämpft, auch sonst noch übrig, als weiter zu kämpfen, wo doch offensichtlich geworden ist, dass Israel – und das kann man heute mit Fug und Recht behaupten – alles daran setzt, um einen dauerhaften Frieden zu torpedieren.“ (Massarrat / Aufruf an die Friedensbewegung) Masserrat veröffentlichte einen offenen Brief, in dem die Rede ist von einem „angeblich wachsenden Antisemitismus und Judenhass in Deutschland“ und bemühte die sattsam bekannte Antisemitismuskeule. Gleichzeitig kommentierte er die antisemitischen Ausschreitungen im Jahre 2014: „Israel muss seine zionistische Politik, die sich letztlich auch gegen die eigene Bevölkerung richtet, endlich aufgeben und sich zum Völkerrecht bekennen. Israels Unterstützer sollten ihm auf diesem Weg beistehen, anstatt jeglicher berechtigten Israel-Kritik mit der Antisemitismuskeule zu begegnen.“ (Massarrat / Zur Berliner Kundgebung) Zuletzt unterschrieb Masserrat eine Stellungnahme in der behauptet wurde: „Weder hat die Bezeichnung „Intifada“ etwas mit dem Töten von Zivilisten zu tun, Intifada bedeutet schlicht und ergreifend „Abschüttelung“ (der Besatzer) […].“ (Gaza: Ist das ein Leben)

Christine Buchholz ist Mitglied in der Partei „Die Linke“. Sie positionierte sich im Konflikt zwischen der Hamas und der Hisbollah auf der einen und Israel auf der anderen Seite wie folgt: „Auf der anderen Seite stehen in diesem Konflikt die Hisbollah, die Friedensbewegung in Israel und die internationale Antikriegsbewegung. Das ist die Seite, auf der auch ich stehe.“ (Kloke, ob.cit.) In der Partei „Die Linke“ unterstützt sie die Gruppe „Marx21“. Diese Gruppe spricht sich u. a. gegen die Anerkennung eines „Existenzrechts Israels“ aus. Berühmt wurde Buchholz als sie die Bombenangriffe der US Air Force gegen den IS verurteilte, die damals die kurdischen Kämpfer vor dem sicheren Untergang retteten (Stefan Laurin / Bomben und Buchholz). An anderer Stelle verteidigte sie die Mavi Mamara Aktion und die diese Propaganda-Aktion organisierende islamistische Organisation IHH als Hilfsorganisation (Buchholz / Free Gaza Bewegung). Bei der Rede Shimon Peres, anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, verweigerte sie mit anderen ihrer ParteigenossInnen dem Ehrengast des Bundestages den Respekt, indem sie sich nicht, wie üblich bei solchen Ereignissen, vom Stuhl erhob. Ihre Haltung gegenüber Peres begründete sie wie folgt: Die Rede sei eine ideologische Aufrüstung für eine neue Runde von Kriegen im Nahen Osten (Buchholz / Kriegsvorbereitungen).

Mit Joachim Guilliard ist zum wiederholten Male ein weiterer Vertreter eingeladen, der auch terroristische Aktionen zum legitimen Widerstand erklärt. In einem Interview aus dem Jahr 2003 erklärte er: „Widerstand, auch militärische Aktionen gegen die Besatzer, ist selbstverständlich legitim. Das hat mit Terrorismus im engeren Sinne nichts zu tun. […] Ich denke, wenn man den Widerstand unterstützt, würde ich natürlich niemand vorschreiben, mit wem er dann zusammenarbeitet. Also, ich würde es auch unterstützen, wenn die Patriotische Allianz mit Baathisten zusammenarbeitet.“ (haGalil.com / Spenden für den Terror) Guilliard wurde mit der Kampagne 10,00 € für das irakische Volk im Widerstand in Verbindung gebracht. 2012 sprach auch er sich für Verhandlungen mit der Hamas aus. Den Terrorismus der Hamas erklärt er als Reaktion „auf terroristische Gewalt aus Israel“ und ist der Auffassung, man solle der „Hamas-feindlichen Propaganda“ entgegentreten. Zu den antisemitischen Passagen der Charta der Hamas, die sich z.B. auf die „Protokolle der Weisen von Zion“ beruft3, erklärt er, „die Passagen, die als antisemitisch gewertet werden, werden dabei aber rein am europäischen Diskurs gemessen. Den für den europäischen Antisemitismus wesentlichen Rassismus findet man jedoch bei der Hamas nicht.“ (Guilliard / Israels Krieg gegen die Bevölkerung)

Rolf Gössner gehört dem Vorstand der Internationalen Liga für Menschenrechte (IlfM) an. Diese Organisation verlieh im Jahr 2008 eine Medaille an das Bürgerkomitee des Dorfes Bil’in und an die Organisation „Anarchists Against the Wall“ für ihr Engagement in Nahost. Die „Anarchist against the Wall“ (Mümken / Antisemit. Das geht nicht unter Menschen) beschuldigen den Staat Israel regelmäßig, ein Apartheidstaat zu sein und ob die Bewohner des Dorfes Bil’in als Apostel der Gewaltfreiheit gelten, dürfte auch zu bezweifeln sein. Sie stehen eher für einen Teil einer propagandistischen Gesamtstrategie, die auch als Pallywood bezeichnet werden kann. Rolf Gössner ist Preisträger des Kölner Karls-Preises, der notorisch antizionistischen und israelfeindlichen Internetzeitung „Neue Rheinischen Zeitung“. (Karlspreis 2012)

Sabine Schiffer gilt als unermüdliche Kämpferin gegen „Islamophobie“. Alex Feuerherd fasst ihre propagandistische Tätigkeit wie folgt treffend zusammen: „Einen Eimer Verschwörungstheorie hier, einen Bottich „Israelkritik“ da, und das Ganze überreichlich gewürzt mit einem Antiimperialismus und einer Islamophilie, die konsequenterweise in der Verharmlosung des iranischen Regimes und seines Atomprogramms kulminieren.“ Sabine Schiffer führt ein Institut, das sich der Medienverantwortung widmet. Was sie darunter zu verstehen scheint, kann man aus einem Artikel erfahren, der mit „Es herrscht Pogromstimmung“ überschrieben ist. Darin unterstellte sie u.a. „nicht wenigen jüdischen Organisationen, dass sie mit der Verbreitung des antiislamischen Rassismus im Sinne Israels handeln würden.“ Sie gab später zu, „[…] ich [kann] gar nicht belegen, ob die Richtung, die ich dem Wirken des antiislamischen Spins gebe, so stimmt – aber da ich ja viel von Muslimen rezipiert werde, habe ich das einfach – strategisch – so beschlossen.“ (Alex Feuerherd / Propaganda)

Sabine Schiffer, Norman Peach, Joachim Guillard und Mohssen Massarrat sind alle Autoren des schon erwähnten hardcore-antizionistischen Internetportals „Neue Rheinische Zeitung“. Schiffer und Massarrat sind außerdem Interviewpartner des einschlägigen Querfrontsenders „KenFM„. Und der im Folgenden aufgeführte Werner Ruf wird als Mitglied des Beirats der ominösen Internetseite „Rubikon News“ genannt.

Auch lokale Größen sind auf dem Friedensratschlag vertreten. So der unvermeidliche Werner Ruf, der mal nicht im Café Buchoase auftritt, sondern erneut in den Räumen der Kasseler Universität. Werner Ruf befand schon einmal folgendes über den islamistischen Terrorismus: „Doch Terror dieser Art kann weder die Dominanz der USA oder ‚des Westens‘ noch das herrschende System existenziell gefährden. Gegenüber der aus diesem System resultierenden ökologischen Bedrohung des Planeten ist er vergleichsweise geradezu irrelevant.“ (Ruf / Standpunkte) Nicht fehlen darf die Kasseler lokalpolitische Größe der Partei „Die Linke“ und Mitarbeiter der Rosa Luxemburg Stiftung, Murat Cakir. Dieser befand über den Beschluss der Bundestagsfraktion der Partei „Die Linke“, indem es u.a. heißt: „Insbesondere diese Verantwortung verpflichtet auch uns, für das Existenzrecht Israels einzutreten“, dieser sei der dümmste Beschluss in der Geschichte der Fraktion dieser Partei. Nicht etwa weil der Begriff „Existenzrecht Israels“ tatsächlich seltsam ist, sondern weil er findet, die Partei müsse über die antisemitische Boykottorganisation BDS reden, weil er die Bootsfahrer der Mavi Marmara gegen den Vorwurf, Antisemiten zu sein, verteidigen möchte und weil er die Abschaffung des jüdischen Staates Israel für diskussionswürdig hält (Cakir / Meinungsdiktat).

Vielen Referenten des Friedensratschlages vertreten eine Doppelmoral hinsichtlich ihrer Kritik an der Gewalt im Allgemeinen und in Bezug auf Israel im Besonderen. So wird einerseits Israel mit Vehemenz verurteilt, wenn es die Pflicht eines jeden Staates wahrnimmt, seine Bürger gegen terroristische Angriffe zu verteidigen und es werden andererseits die Terroranschläge der palästinensischen Banden immer wieder als legitime Widerstandsaktionen gerechtfertigt. Dass diese und andere Gewaltausbrüche palästinensischer Aktivisten als Aktionen Verzweifelter verteidigt oder sogar offen mit Rat und Tat unterstützt werden, ist typisch für das antisemitische Weltbild der Antizionisten, das die Ursache antisemitisch motivierter Gewalttaten beim Juden, resp. beim jüdischen Staat sucht. Es sind hier nicht alle Referenten des Ratschlages aufgeführt. Was sich aber sagen lässt ist, dass die Veranstalter keine Berührungsängste mit Personen haben, die entweder die antisemitische BDS-Kampagne  direkt unterstützen oder diese zumindest für Diskussionswürdig halten und die zum Teil dem Querfrontspektrum und Verschwörungstheoretikern nahe stehen. Der Friedensratschlag entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Plattform für Antizionisten, Israelkritiker und Antisemiten. Dieser Umstand ist hinlänglich bekannt und wird von den Veranstaltern auch gar nicht groß verheimlicht, so findet der gemütliche Abend („Smalltalk“) im einschlägigen Café Buchoase statt.

Sich darüber zu erregen ist freilich so überflüssig, wie sich im November über das Wetter zu beklagen oder im Schweinestall über den üblen Geruch. Wenn jedoch den politischen Vertretern des politischen Wahns in den Räumen der Universität Kassel die Möglichkeit geboten wird, ihre Weltanschauung zu verbreiten, wird das Leitbild einer sich selbst gerne als weltoffen präsentierenden Universität mit Füßen getreten. „Denken und Handeln an der Universität Kassel sind gekennzeichnet durch Offenheit gegenüber Problemen und Herausforderungen in Gesellschaft und Natur“ heißt es dort. (Leitbild der Universität Kassel, 2007) Antisemitismus ist allerdings das genaue Gegenteil von Denken in Offenheit, sondern eine in sich abgeschlossene wahnhafte Weltanschauung.

bga kassel

(K)eine Wahlempfehlung

Eine Polemik zum Kasseler Kommunalwahlkampf

Am 5. März ist Oberbürgermeisterwahl in Kassel. Antisemitismus und Kommunalwahl? In Kassel fuhr zwar schon einmal eine Straßenbahn mit der Silhouette der Skyline der Stadt Ramat Gan herum, dieselbe Stadt ist Partnerstadt Kassels, auf der anderen Seite ist Kassel selbst immer wieder Schauplatz antisemitischer Massenkundgebungen, doch in der Programmatik der Kandidaten findet man zu dem Thema nichts. Antisemitismus und Israel spielen im Wahlkampf keine Rolle. Zwar sind im Gegensatz zum Merkava Wahlen kein taugliches Mittel im Kampf gegen Antisemitismus, doch sollte der- oder diejenige wissen, der / die seine Stimme abgeben will, wen er / sie da so ankreuzt.

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Wenn es drauf ankommt: Merkava!

Christian Geselle ist Mitglied der DIG-Kassel. Ob man aufgrund der Ausrichtung der hiesigen Organisation darauf schließen kann, dass bei Geselle ein gewisses Grundverständnis für die Rolle Israels im Nahen Osten und die Juden in der Welt existiert, lässt sich daraus nicht ohne weiteres ableiten. Inwieweit er sich von der in Nordhessen als Nachfolgeorganisation der NSDAP fungierenden SPD und ihrem Faible für Geschichtsvergessenheit abwendet und die Brunner-Brücke z.B. in Moses-Hess-Brücke umbenennen lässt, bleibt abzuwarten. Dass Geselle aktuell als Kämmerer mit dazu beiträgt, den fragwürdigen Dialog mit der DITIB und mutmaßlich über Vereinszuschüsse auch diese direkt, wenn auch nicht entscheidend, finanziert, dürfte kein Spezifikum eines SPD-Politikers sein, sondern liegt in der Logik des allgemeinen gültigen Appeasements deutscher Politik im Angesicht des Islam.

Dominique Kalb sieht aus wie Franz-Josef-Strauß in seinen besten Zeiten. Ob er als OB Kassels Israel einen ebensolchen Dienst wird erweisen, wie es FJS einst tat, wird sich zeigen.

Eva Koch ist die Kandidatin der saturierten grün-ökologischen Bourgeosie, Einwohner Kassels von notorisch guter Gesinnung und BewohnerInnen von Häusern, wo sogar die Wände gut riechen. Tag der Erde, anthroposophisches Zentrum usw. sind Manifestationen des politischen Wahns auf den diese Kandidatin gut zu sprechen ist. Das deutet darauf hin, dass Koch keine Berührungsängste mit dem esotherisch-naturverbundenen Blut-und-Boden-Wahn hat. Aber es gibt schlimmere!

Bernd Hoppe gehört zweifellos zu den Intelligenteren der Kasseler Kandidatenriege. Doch Intelligenz schützt vor Torheit nicht. Hoppe hat 2010 auf dem Ostermärsche geredet  – ein Jahr nach den antisemitischen Ausschreitungen einer Friedenskundgebung – und ist seit einigen Jahren regelmäßig Unterzeichner dieses antiisraelischen Aufmarsches. Andererseits ist Hoppe auch Mitglied der DIG-Kassel, was möglicherweise mehr über die DIG-Kassel aussagt, als über Hoppe. Außerdem schreibt Hoppe immer mal wieder für den Blog des Israelfressers Kai Boeddinghaus KasselerRathausBlog, anstatt ihm einen einzuschenken. Keine Empfehlung.

Murat Cakir, ebenfalls regelmäßiger Unterzeichner des Ostermarschaufrufes, zeigte sich auf dem 1. Mai mit dem nationalbolschewistischen und israelfeindlichen Krampfblatt „Junge Welt“. Cakir ist der einzige, der sich von den hier genannten öffentlich ausdrücklich gegen Israel positioniert. Er hat folgendes zum besten gegeben: „Die pure Ablehnung einer Ein-Staaten-Lösung bedeutet im Umkehrsinn, die Befürwortung von monoethnisch bzw. monoreligiös ausgerichteten Nationalstaaten in Israel und Palästina, die keinen Raum für ethnische und religiöse Minderheiten zulassen.“ Er ist der Meinung der einzig demokratische Staat im Nahen Osten missachte „jegliche Standards eines demokratischen Rechtsstaates. Die von der islamistischen IHH im Bunde mit der Hamas ausgeheckten Bootsfahrt der Mavi Marmara nennt er einelegitime Aktion gegen die völkerrechtswidrige Gaza-Politik der Hamas? Nein natürlich die Israels. (Ausführlich hierzu: Murat Cakir und das Wird-man-ja-noch-mal-sagen dürfen-Prinzip) Definitiv nicht wählbar!

Matthias Spindler hat angesichts des „Kasseler Bratwurststreits“ folgendes verlautbaren lassen: „Die Bratwurst gehört einfach dazu, denn sie symbolisiert Freiheit und westliche Grundwerte und schützt uns vor Grünfaschis- und Islamismus.“ Wenn das keine Wahlempfehlung ist.

Pressemitteilung: cakir-2017

(jd)

„Die Welt aus den Fugen“ – Alter Wahn in neuen Schläuchen

Man habe Karin Leukefeld Christine Schweitzer gegenüber gesetzt, hieß es aus den Reihen der VeranstalterInnen, nachdem sie unsere „unsolidarische“ Kritik vernommen haben. Mal abgesehen davon, dass durch den Dialog mit einer notorischen Propagandistin für Unsinn der Unsinn nicht demontiert, sondern als diskussionswürdig legitimiert wird, kommt die geladene Vertreterin, die Leukefeld entgegengesetzt wird, aus dem gleichen Stall. Diese bedauerte vor einigen Jahren, dass es bedauerlich sei, dass aufgrund des schuldbeladenen Verhältnisses Deutschlands zu Israel unbefangene Kritik an Israel ein kompliziertes Geschäft sei. Gröbere Klötze nennen so etwas Auschwitzkeule.  (vgl., Christine Schweitzer, 50 Jahre Israel)

Der „Nahostexperte“ Werner Ruf sagt in einem Interview mit Jens Wernicke folgendes: „Im Gegensatz zu den meisten anderen Gewaltakteuren hat der IS es vermocht, im Irak und in Syrien staatliche Strukturen aufzubauen, ein Mindestmaß an Sicherheit für die Menschen herzustellen, Grundbedürfnisse wie die Wasser- und Energieversorgung einigermaßen zu sichern … Diese Terror-Organisation bietet – wie die anderen auch – materielles Auskommen, eine Lebensperspektive, Kameradschaft …“ Dieser Experte wird am 30. November 2016 Gast der Ringvorlesung „Die Welt aus den Fugen“ sein.

Unser Flugblatt: Flugblatt Fugen

Friedensvorlesungen reloaded

Die Kasseler „Friedensvorlesungen“ machen gerade eine bemerkenswerte und dem Zeitgeist entsprechende Wandlung durch. Diese Veranstaltungen waren – organisiert an der Uni Kassel von den Antiimperialisten mit Lehrstuhl Werner Ruf und Peter Strutynski – noch bis weit in die 2000er Jahre hinein Beispiele dafür, wie in einem offiziellen Rahmen an einer Hochschule Israelhass verbreitet werden konnte. Die für November 2016 angekündigte Nakba-Ausstellung an der Uni Göttingen zeigt einmal mehr, wie aktuell dieses Problem ist. Völlig zurecht warnte das American Jewish Committee jüngst vor einem Erstarken des Antisemitismus an Schulen und Universitäten.

In Kassel wurde es in der letzten Zeit um die notorische AG Friedensforschung rund um Ruf und den 2015 verstorbenen Strutynski zumindest im Kontext der Hochschule ruhiger. Im aktuellen Wintersemester 2016 sind allerdings wieder „Friedensvorlesungen“ an der Uni Kassel angekündigt, ganz so als wären die friedliebenden Akademiker mit viel Verständnis für Intifada nie weg gewesen. Die Farce nennt sich im Jahr 2016 – mutmaßlich nach einem Zitat von Jakob Augstein –„Ringvorlesung Welt aus den Fugen“. Auf dem Lehrplan stehen u.a. Karin Leukefeld, Murat Cakir, Reiner Braun und eben wieder Werner Ruf. Das Bemerkenswerte hieran ist, dass die Friedensvorlesungen dieses mal ganz basisdemokratisch von Studierenden organisiert sind, von verschiedene Organisationen wie dem AStA der Uni Kassel, dem AK Zivilklausel, der Rosa Luxemburg Stiftung, der Deutschen Friedensgesellschaft unterstützt und von den Uni-Fachgebieten Politische Theorie und Didaktik der politischen Bildung (Prof. Buckel und Prof. Eis) „fachlich getragen“ werden. Waren es also vor kurzem noch die antiimperialistischen Ideologen mit Lehrstuhl und ihre AG Friedensforschung, die die radikalen Antizionisten in die Vorlesungssäle holten, oder noch unbeleckte Interessierte mit ideologischen Traktaten und Fehlinformationen agitierten, haben wir es heute mit einem ganzen Netzwerk engagierter Kasseler Gefühlslinker zu tun.

allen

Wir habe einen Essay gegen den Antisemitismus geschrieben. „So? Wie schön! Ich bevorzuge Baseballschläger“

Wünschenswert wäre es, dass sich eine Antifa-Gruppe der Sache annähme, die Verbindungen von Leukefeld und Braun mit Friedenswichteln, Montagsmahnwachlern und Verschwörungstheoretikern, mit KenFM und Konsorten aufzeigte und ihre Kommilitonen vor dem warnen würde, was sich da an Abgründen hinter der hippen Fassade der Ringvorlesung auftun. Dass bei den erneuerten Friedensvorlesungen die Journalistin Leukefeld spricht, die in der Jungen Welt auch schon mal das Gerücht verbreitet, der Islamische Staat sei von CIA und Mossad gegründet worden und auch dass der Redner Reiner Braun bei einem wie Ken FM partout keinen Antisemitismus erkennen will, wird den einen oder anderen vielleicht erschrecken. Doch so gesehen ist das eigentlich das normale Programm der Kasseler Friedensvorlesungen. Die Netzwerke der auftretenden Personen sind ohnehin nicht alles, interessanter ist die Frage, wo die inhaltlichen Schnittmengen liegen, die dieses unheimliche Bündnis von antinationalen, sich progessiv verstehenden, nicht sonderlich dogmatischen Linken und den Antizionisten und Antiimperialisten befördern.

Man könnte sagen, wir haben es hier mit einer antinationalen Erneuerung des Antiimperialismus zu tun, gleichzeitig aber auch mit einem Antinationalismus, dem nichts als Appeasement-Politik einfällt. Die Organisatoren der Ringvorlesung schreiben: 70 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs scheint es, als ob die Welt aktuell wieder aus den Fugen gerät. Derzeitige Krisenregionen wirken wie ein riesiges Durcheinander an unterschiedlichen Konfliktparteien, Interessen, Forderungen, Religionen und Perspektiven. […] Terroranschläge treffen auch Zentren des globalen Nordens. Die Migrationsbewegungen aus den Ländern älterer Krisenherde konnten zum Teil bis in die Kernregionen Europas gelangen. Sie werfen Fragen über Grenzen und Grenzenlosigkeit, Asylrecht, Rassismus und ‚Wilkommens_Kultur‘ auf. Den antinational gestimmten stellen sich angesichts einer aus den Fugen geratenen Welt nicht etwa sicherheitspolitische oder integrationspolitische Fragen, sondern solche nach den Grenzen staatlicher Souveränität. Hier wird nahe gelegt, dass der Weg zur universellen Freiheit über die Auflösung der Nation und die Öffnung der Grenzen beschritten wird. Der Widerspruch von Sicherheit und Freiheit kommt in einem solchen Denken nicht vor. Dass gar ganz bestimmte Staaten ein Leben in relativer Sicherheit und Freiheit erst ermöglichen und das Potenzial eines besseren Lebens – wenn auch verstellt – in sich tragen, würden die Antinationalen wohl als Partikularismus verurteilen.

In seinem Artikel „Welt aus den Fugen“ vom Juli 2016 gibt Jakob Augstein eine erste Antwort auf die Frage der Ringvorlesung: Warum ist das so? Vielleicht, weil auch die Demokratie einfach sterblich ist. Wenn sie ihre Versprechen nicht einlöst, wird sie durch etwas anderes ersetzt. Der Westen hat nie Gleichheit versprochen. Aber Gerechtigkeit. Die Menschen wurden darum betrogen. Augstein beschreibt die Dialektik des liberalen Universalismus als Betrug. Er ist schon einen Schritt weiter als die Antinationalen und stellt seine Lieblingsfrage: cui bono? Er braucht es an dieser Stelle auch gar nicht weiter ausführen, denn seine Fans wissen sowieso schon, wer da wen betrügt.

Hier trifft antinationale Staatskritik auf die antiimperialistischen Ideologie. Natürlich ist es falsch hier eine völlige Identität zu behaupten. Aber es spricht einiges dafür, dass die Kasseler Ringvorlesung als ein kleines Beispiel für eine antinationale Erneuerung des Antiimperialismus interpretiert werden kann. Die Antiimperialisten vom Schlage eines Werner Ruf wissen davon zu berichten, welche Nation ihre Grenzen am kompromisslosesten verteidigt, welche Staaten nicht oder nur schlecht in supranationale Organisationen eingebunden sind, wo sich Gleichheit weniger an vielfältigen „Aktivist*innen, Gewerkschaften, Netzwerke, Initiativen“ sondern allenfalls am Tauschprinzip manifestiert. An der Uni Kassel ist es Ruf, der die Betrüger ausmacht, und das sind in seinem Denken stets der Westen oder der Zionismus. Doch in Zeiten, in denen auch den USA immer schwerer eine imperialistische Außenpolitik vorzuwerfen ist, ist der professorale Stichwortgeber in Sachen Friedenforschung gezwungen seine Argumentation antinational zu erneuern. Er ist auch deswegen heute so anschlussfähig, weil er sich staatskritisch gibt, auf rein völkische Bezüge verzichtet, Krieg und Terror (er würde es vielleicht eher „Widerstand“ nennen) immer auch ökonomisch erklärt, sich auf das Völkerrecht und internationale Verträge beruft und nicht zuletzt die Diversität des Islam betont.

Rufs Verhältnis zum islamischen Terrorismus haben wir vor einiger Zeit schon kritisiert („Nachgetreten“ und „Apologie des Terrors„). Im von uns kritisierten Text ordnet Ruf den Terror als „Widerstand“ mit sehr rationalen politischen Zielen ein, dessen „Gegengewalt“ stets vom Westen verursacht wird. Rufs Schlussfolgerung und größter Kritikpunkt am politischen Islam ist dann folglich, dass dieser die „vom Neoliberalismus verursachten Verwerfungen nur auf der Erscheinungsebene“ bekämpfe. Islamischer Terror wird als eine Mischung aus antiimperialistischem Kampf und staatskritischer Intervention im Dienste von „Gleichwertigkeit und Gerechtigkeit“ dargestellt.

Wer an seiner Meinung über Israel interessiert ist, dem seien beispielsweise die im folgenden zitierten Texte von ihm ans Herz gelegt. Es gibt einen geraden Weg von der naqba, der Katastrophe, nach Gaza. Der Weg heißt Vertreibung. Sein Baumeister ist der Zionismus. In Bezug auf Israel scheinen die einfachen Feindbilder noch zu stimmen. Hier der zionistische Aggressor, dort das unterdrückte palästinensische Volk. Doch was, wenn die verhassten israelischen Nationalisten sich aus einem Territorium zurückziehen wollen und es sogar explizit unter internationale Kontrolle stellen wollen, wie es Libermann im Jahr 2010 für den Gazastreifen gefordert hatte? Werner Ruf liefert hierfür unter der Überschrift „Gaza: Ein palästinensisches Ghetto?“ seine eigene Interpretation. Es ist die Lüge vom Freiluftgefängnis Gaza, von der planvollen „ethnischen Säuberung“ der Westbank, vom Staat Israel, der vor Nazi-Methoden nicht zurückschreckt.

Ruf benennt ein solches Gebaren mit Erdogans Worten „Staatsterrorismus“, der das Völkerrecht breche. Die dadurch provozierte Gegengewalt wird dann zwar Terror genannt, unterscheidet sich aber in ihrer Blindheit nicht mehr von der uniformierten Gewalt: Der türkische Ministerpräsident Erdogan nannte den Piratenakt Israels zu Recht Staatsterrorismus. Fazit: Es ist an der Zeit, dass die Vereinten Nationen, die USA und die EU Israel nicht nur zur Ordnung rufen, sondern es zwingen, sich den Prinzipien des Rechts zu unterwerfen, das Völkerrecht ebenso zu respektieren wie die Menschenrechte. All dies wird seit Jahren von (in Kassel aber nur von wenigen z.B. auf: Schwerer Sand) kritisiert. Vielleicht zeigt die Kasseler Ringvorlesung im Jahr 2016 jedoch, dass es eine falsche Hoffnung war, Ruf würde als verstockter Nationalist von einer progressiven Linken früher oder später nicht mehr ernst genommen.

In diesem Zusammenhang ist Rufs Verständnis von Antisemitismus und Rassismus zu verstehen. Nachdem er in einem Text aus dem Jahr 2007 Huntington zitiert („die westliche Kultur ist einzigartig“), diesen mit einer Auslassung Renans zur „Schlichtheit des semitischen Geistes“ vergleicht, schlussfolgert Ruf folgendes: „Dies ist Rassismus, der das alte antisemitische Klischee auf „den Islam“ projiziert, in dem er nicht mehr ethnisch-biologisch, sondern kulturalistisch argumentiert.“ (Werner Ruf, Standpunkte) Antisemitismus, so hätte Ruf auch schreiben können, ist die altmodische Variante des Rassismus und Rassismus ist das Denken in Unterschieden, so wie es sich in der Kritik am Islam manifestiere. Noch einige Jahre vorher ist dem Autor angesichts des gleichen Zitats von Renan noch nicht so eine Unterordnung des Antisemitismus als Spielart des Rassismus eingefallen.

Mit kulturellem Rassismus kann jeder linke Student, der schon mal flotte Adorno-Zitate gegoogelt hat, etwas anfangen. Mit kulturellem Rassismus ist bei Ruf – und leider nicht mehr nur bei ihm – letztlich aber das Denken in Begriffen und die Kritik am Islam gemeint. Wer mit dem berühmten Adorno-Zitat jedoch darauf besteht „den brutalen Herrschaftsanspruch“, der durch die Rede von der Kultur verdeckt werden soll, wenigstens mal benannt und nicht nur dessen Begrenztheit kritisiert zu wissen, habe danach den Anspruch auf die menschliche Emanzipation aufgegeben. Diese Interventionen gegen das Rekkurieren auf den Begriff und das Beharren auf Kritik jedoch, kann man nicht anders als die Preisgabe jeglichen Anspruchs am aufklärerischen Denken interpretieren, oder das Denken gerät aus den Fugen. (tk)

Ein Antisemitismusvorwurfforscher* im Café Jihad

Norman Peach, Ursula Jelpcke, Inge Höger, Anette Groth, Sevim Dagdelen, Herman Dierkes, Karin Leukefeld, die Liste lässt sich weiterführen, so schnell wäre kein Ende zu finden. Der Schluss liegt nahe, eine Partei, die sich Die Linke nennt, hat „ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich‘s völlig ungeniert!“ zur Parole sich auserkoren. Dieses Motto machen sich Viele zu eigen, die sich kalkuliert aber vermeintlich daneben benehmen, dabei auf Beifall hoffen und denen es dünkt, damit gegen Konventionen zu verstoßen und trotzdem das reproduzieren was common sense ist – Es handelt sich also um ein Leitmotto derjenigen, die der konformistischen Revolte huldigen. Trotzdem gibt sich die Linke beleidigt, wenn man sie des Antisemitismus zeiht. Dieser Vorwurf macht ihr so zu schaffen, dass sie gar ihren passionierten Antisemitismusvorwurfforscher auf Reisen schickt. Der behauptet schlicht: Es gibt keinen linken Antisemitismus, also keine linke Begründung oder gar Theorie zum Hass, zur Ausgrenzung oder Verachtung von Jüdinnen und Juden, weil sie Juden sind. Links ist prinzipiell nicht völkisch und links wird keiner Menschengruppe bestimmte Verhaltensweisen oder Eigenschaften andichten.

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Am 11.10. mal wieder in Kassel zu bewundern, der Antisemitismusvorwurfforscher im passenden Outfit.

Der nun schlägt in Kassel dort auf, wo er hingehört, ins Café Jihad, formaly known as Café Buch-Oase. Dort trifft sich von der Sabine Wackernagel bis zu Rolf Becker alles, was für Schamanenkult, Esoterik, Volkstumskampf und Israelhass zu haben ist, oder nichts dabei findet, Kaffee, Kuchen und Kultur zwischen palästinensischen Nationalkitsch, Amerikahass und Israelboykottaufrufen zu goutieren.**

Wer nur ein bisschen unvoreingenommen sich der Geschichte der Linken widmet, weiß, dass diese seit ihren Anfängen eine Affinität zum Antisemitismus aufweisen. Schon seit Pierre-Joseph Proudhon und Eugen Dühring ist es evident, dass nicht nur deutsche Nationalisten und Völkische sondern auch Vertreter der klassischen Linke, antijüdische und antisemitische Ressentiments produzieren und reproduzieren. Auch Karl Marx gehört zu denen, die davor nicht gefeit waren. In seinem Werk gibt es viele Stellen, aus denen eine kaum verhohlene Verachtung gegen Juden spricht. Bei Marx jedoch trug der theoretische Ansatz seiner Kapitalismuskritik dazu bei, dass aus Marx kein Ideologe des strukturellen Antisemitismus und des Volks(tums)kampfes wurde, sondern derjenige, der das Fundament der kritischen Theorie formulierte, das unverzichtbar ist, um einen konsistenten Begriff vom Antisemitismus zu entwickeln.

Aber nicht nur in bürgerlichen und deutsch-nationalen Kreisen, die Marx‘ Theorie rundheraus ablehn(t)en und sich daher nie zu eigen machten, auch in der Linken, blieben grundlegenden Theoreme der Marx‘schen Gesellschaftskritik unverstanden. Kapitalismus wurde und wird von ihnen häufig mit moralischen, immer aber verdinglichenden und dichotomisch gegenübergestellten Kategorien, Arbeiter – Kapitalisten, Volk – Herrschende, Gerechtigkeit – Ungerechtigkeit, Armut – Reichtum, Friedenskämpfer – Kriegstreiber, Imperialisten – friedliebende, vorzugsweise unterdrückte, Völker, neuerdings auch Nachhaltigkeit – Naturraubbau, gierige Manager – verantwortungsbewusste Unternehmer, Datenkraken – Whistleblower und, und, und „kritisiert“. Die darauf aufbauende und darin inkorporierte Weltanschauung bildete und bildet das große Einfallstor für antisemitisches Denken, dem sich zwar immer wieder einzelne Politiker ohne einen Begriff davon zu haben, wie z.B. August Bebel und Wladimir I. Lenin entgegen stellten, ohne jedoch zu verhindern, dass der Antizionismus, der Antikosmopolitismus und die Israelkritik zu trag- und nahezu konsensfähigen Inhalten für die Linken wurde.

Die Geschichte des Antisemitismus unter den Linken ist vielfach beschrieben und analysiert worden. Wichtige Autoren und Wissenschaftler wie Jean Améry, Léon Poliakov, Moishe Postone, Martin Kloke, Thomas Haury, Samuel Salzborn und viele andere wären hier zu nennen.***

Aber wen interessiert das schon unter den Parteifreunden und -gängern, wenn der Antisemitismusvorwurfforscher den Tatbestand, der für ihn nicht sein kann, weil er nicht sein darf, damit begründet, dass es sinistre Kreise gibt, die ihn in die Welt setzten. Und überraschungsfrei findet er sie bei denen, wo sie der Volkssturm schon immer vermutet, nämlich bei den Juden: Und was den Antisemitismus-Vorwurf gegen links betrifft, so skizziere ich dieses Kartell in meinem Buch genauer … alle zusammen sind verschränkt mit formellen und informellen Netzwerken wie der Münchner Sicherheitskonferenz, der Atlantikbrücke, dem Centrum für angewandte Politikforschung, dem American Jewish Committee und anderen.

Vor Ort hat die Linke gerade in Murat Cakir den Kandidaten zur OB-Wahl bestimmt. Der nun wieder echauffierte sich einst über den Beschluss der Bundestagsfraktion seiner Partei, „Entschieden gegen Antisemitismus“, mit dem sich die Fraktion gegen Boykott Israels und Ein-Staaten-Lösungen positionieren wollte, und schimpfte ihn als den „dümmsten Beschluss der Geschichte“ der Fraktion. Mehr zu diesem Kandidaten hier: Murat Cakir oder das Man-wird es-ja-nochmal-sagen-dürfen-Prinzip.

Auch andere Kasseler Lokalmatadoren wären zu nennen. Werner Ruf, der Wutprofessor aus Edermünde, Nah-Ost-Experte und Stichwortgeber des notorischen Friedensratschlags und -forums, und aus dem Nachbarbundesland Niedersachsen hört man, der Antisemitismusleugner Diether Dehm soll als Spitzenkandidat für die kommende Bundestagswahl auserkoren werden, wie schon eingangs ausgeführt, die Liste ließe sich ohne Ende verlängern und das eben auch auf kommunaler Ebene.**

Aber wie tönt es bei Gehrcke so schön: Es gibt keinen linken Antisemitismus – und da hat er vielleicht sogar recht, denn es gibt keinen rechten oder linken Antisemitismus, sondern nur Antisemitismus und daher sei die Schlussfolgerung erlaubt, die Linke hat ein Problem, das ist der Antisemitismus, die Linke also ist das Problem. (jd)

Flugblatt: Der Antisemitismusvorwurfforscher

* Den Titel und die Zitate verdanken wir Thomas von der Osten Sacken

**Zu dieser Melange zusammenfassend hier das Wichtigste: Kasseler Verhältnisse

***Zum Antisemitismus in der Linkspartei sei beispielhaft der Artikel von Martin Kloke genannt: Antisemitismus in der Linkspartei, haGalil 2014

Zum Thema verweisen wir unserer Ringvorlesung: Antisemitismus hat viele Gesichter – Aspekte eines gesellschaftlichen Wahns.