… aber wegen was wird er verurteilt?
„Frau Merkel, man sollte dich steinigen“, postete voller Leidenschaft der Pegida- und Kagidaaktivist Michael Viehmann. Ein eigenartiger Wunsch für einen selbsterklärten Feind oder „Kritiker“ des Islam. Der Wunsch, Frau Merkel zu steinigen, spricht aus, wie es im Wutbürger Viehmann denkt und verdeutlicht, besser als jede Analyse, die nahe Verwandtschaft des deutschen Wutbürgers mit dem Islamisten. Es macht klar, was vom „Kritiker“ des vermeintlichen Islamkritikers dieser Provenienz übrig bleibt – nichts.

Hier spricht der Antisemit
Viehmanns Hass auf Merkel hat(te) u.a. einen Grund: Die Kanzlerin habe „dem Judenpack“ ihre Unterstützung angeboten, gemeint war offenbar Israel. Ob der Begriff „Judenpack“ alleine ihn vor Gericht gebracht hätte, steht in den Sternen, es ist zu vermuten, betrachtet man die Gerichtsbarkeit im postnazistischen Deutschland bis heute, dass dies eher nicht der Fall gewesen wäre. Doch der Post endete mit der nicht nur orthografisch gewagten Zeile: „Ich schäme mich für unsere Regierung und hoffe das hier bald eine Revolution ausbricht und dem ganzen Deutschen Politikpack der Schädel eingeschlagen wird.“ (Spiegel Online 15.12.2015) Aus diesen Zeilen spricht die Wut des in der Moderne potentiell Überflüssigen und sie ist seine typische Reaktion auf die Realabstraktion des Staats. Mit dem Hass auf die da Oben wird die Realabstraktion personalisiert, wir haben es also mit einer klassischen Denkfigur des Antisemiten zu tun. Der Begriff „Judenpack“ fiel – Israel hin – Israel her – nicht zufällig, sondern machte deutlich, mit wem man es zu tun hat.
Doch eine Analyse der Ideologie des Viehmann, dürfte das Gericht sich gespart haben. Der Aufruf Politiker zu ermorden (Schädel einschlagen und Steinigung), vielleicht auch der Begriff „Judenpack“ führten jetzt dazu, dass er wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Auf die deutsche Gerichtsbarkeit ist anscheinend dennoch Verlass, sie verurteilt denjenigen der davon spricht und sich so auch öffentlich äußert, die Kanzlerin und andere Politiker umbringen zu wollen. – Immerhin. (HNA, 18.08.2016)
Es ist hinlänglich bekannt, Nazis mögen nicht nur, wie ein großer Teil der Bevölkerung insgeheim, die Juden nicht, sondern sie hassen sie und äußern dies auch ganz ungezwungen und werden deswegen zu Recht auch als Antisemiten bezeichnet, was sie jedoch kaum als ehrabschneidend betrachten dürften. Manchmal werden sie auch dafür vor Gericht gebracht, auf jeden Fall mag man solche Nazis in Deutschland nach 1945 nicht mehr, erinnern sie und ihr leidenschaftlicher Hass doch zu unvermittelt an das, was die Deutschen volksgemeinschaftlich von 1933 – 1945 ins Werk setzten.
Bescheidet sich der Wald-und-Wiesen-Deutsche (ob links, ob rechts ob mitte) darauf, Juden nicht zu mögen, „Israel zu kritisieren“, schwafelt etwas von der Ostküste, vom einflussreichen Zentralrat etc., so fällt das nicht der Gerichtsbarkeit anheim, sondern wird bestenfalls von einigen Kritikern als Antisemitismus registriert, andere sehen das als Spielart eines mehr oder minder problematischen gesellschaftlichen Vorurteils an, wieder andere eskamotieren das noch, indem sie den Begriff „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ aus dem Hut zaubern und flugs die als verfolgte Minderheit halluzinierten Muslime mit zu den verfolgten Gruppen rechnen. Dennoch, spricht jemand vom „Judenpack“, so löst das (Gott sei Dank) Widerspruch aus, dem sich alle tapferen Ritter der Zivilgesellschaft anschließen und das kann einen – in der Kombination mit einem Aufruf, Politiker zu ermorden – auch vor Gericht bringen.
In der Ablehnung des offenen Antisemitismus dürfte sich eine breite Front der Zivilgesellschaft einig sei, von der AfD bis zur Linkspartei, von der TAZ, der SZ bis zur FAZ, von der DIG bis zur GEW. Solche bekennende Antisemiten hat man seit 1945 in Deutschland nicht gern, sie Schaden dem Ruf der Stadt und dem des Landes. Viehmann hätte sich ein Beispiel am geläufigen Antizionismus nehmen sollen, vielleicht eine Bildungsreise der GEW nach Israel / Palästina buchen sollen und dann statt vom „Judenpack“, von „IsraHell“, „USrael“, vom „zionistischen Gebilde“ oder ähnlichem schwadronieren, vielleicht ein Gedicht mit frischer Tinte schreiben sollen.
Und anstatt sich zu wünschen, den Politikern den Schädel einzuschlagen, hätte er einfach mal auf die Seite der AfD schauen können und „Die Merkel muss weg!“ oder von „Merkels Asylchaos“ usw. schreiben sollen. Das hätte ihm vielleicht sogar ein weiteres Interview in der HNA eingebracht.
Er wäre dafür jedenfalls nie vor das Gericht gebracht worden und wenn doch, das Gericht hätte dies als legitime Kritik an der Bundesregierung und das andere als vielleicht unfeine aber nicht strafrechtliche „Kritik an Israel“ verbucht. Seine Follower, Zuhörer und Leser und vielleicht ein nicht ganz unerheblicher Teil derjenigen, die sich ob des Urteils jetzt befriedigt geben, hätten ihn verstanden und ihm beigepflichtet. (jd)