Ostermarsch: Gewaltspiralen und Unterwerfung

The Upper Class Twit of every Year in Kassel

Und täglich grüßt das Murmeltier? In Kassel tut es das jährlich, aber man beleidigt ein harmloses Tierchen, wenn man den Marsch der Unbelehrbaren, der jährlich in Kassel zu Ostern abgehalten wird, mit diesem assoziiert. Angesichts des russischen Angriffskrieges, der klar geäußerten Kriegsziele Russlands und des politischen Charakters des russischen Regimes verblüfft das Ausmaß an kognitiver Dissonanz des Aufrufs des diesjährigen Ostermarsches. Dagegen zu argumentieren mutet an, wie Eulen nach Athen zu tragen. Wir tun es trotzdem.

Vor über einem Jahr überfiel Russland die benachbarte Ukraine. Mit dem diesem Krieg zugrundeliegenden großrussischen Nationalchauvinismus hielten weder Putin noch seine Satrapen hinterm Berg. Jeder, der will, kann das nachlesen. „Als Wladimir Putin am 18. März 2014 in seiner Rede vor der Duma anlässlich der Krim-Annektion die Ukrainer als ‚Brudervolk‘ bezeichnete, konnte das für die allermeisten ukrainischen Brüder nur als Drohung zu verstehen sein, weil diese Bezeichnung nicht erst seit dem real existierenden Sozialismus und der Breschnew-Doktrin immer schon die verklausulierte Forderung nach Unterwerfung unter den russischen Hegemon bedeutet hat. Das russische Herrenvolkdenken wurde in der Geschichte nur für den kurzen Moment von 1917 bis in die 1920er Jahre durch Lenins Nationalitätenpolitik etwas zurückgedrängt, die vor allem von der Bekämpfung dieses großrussischen Chauvinismus motiviert war.“1 Auch in Sachen Charakter des russischen Regimes kann man sich höchstens darüber streiten, ob man es mit einem faschistischen Regime postmodernen Zuschnitts zu tun hat oder mit einer Gangsterbande aus den Strukturen des FSB, der es gelang, die staatlichen Strukturen des riesigen Landes zu okkupieren.2 Wir wollen uns aber nicht länger mit diesen Fragen hier aufhalten, denn jeder der möchte, kann auch dies ausgiebig anhand der zur Verfügung stehenden Literatur selbst tun.

Der Ostermarsch wird auch von der VVN-BdA Kassel und ihrem Anführer Dr. Ulrich Schneider unterstützt. Vor dem Hintergrund der von dieser Vereinigung wie eine Monstranz vor sich hergetragenen Losung “ Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ zeigt sich deren wahre Intention einmal mehr in der Interpretation: „Nie wieder Krieg gegen Faschismus!“

Unterwerfung schaffen ohne Waffen

Der diesjährige Aufruf zum Ostermarsch3 beginnt pflichtschuldigst mit der Erklärung: „Der letzte Ostermarsch wurde überschattet vom Einmarsch Russlands in die Ukraine. Damals wie heute verurteilen wir diesen Angriffskrieg und die damit verbundene Annexion ukrainischen Territoriums.“ Ok, von einem Angriffskrieg ist die Rede. Er wird sogar verurteilt. Es scheint den Ostermarschierern wichtig zu sein, das zu betonen. Über die Absichten der russischen Angriffskrieger und wie man sich als ein im Verhältnis zu Russland kleines und bitterarmes Land diesen entgegenstellt, darüber erfahren wir in den nächsten Zeilen aber nichts.

Gleich im nächsten Absatz aber heißt es: „Die Sanktionen und Waffenlieferungen der NATO-Staaten hatten und haben das Ziel, Russland wirtschaftlich massiv zu schaden und militärisch zu besiegen.“ Prima erkannt! Was für eine gute Idee, den Angriffskriegern massiv zu schaden, ihnen also das Handwerk zu legen, indem man dazu beiträgt, dem Aggressor eine militärische Niederlage beizufügen. Haben die Ostermarschierer nach über 62 Jahren die Agitation gegen die NATO endlich aufgegeben und pflichten ihr darin bei, dass den Opfern eines Angriffskrieges beizustehen sei?

No Pasaran? Putin Pasará!

Doch dann heißt es im nächsten Halbsatz der Ostermarschierer, die Waffen und Sanktionen würden den Krieg nicht beenden. Als 1937 die faschistischen Putschisten vor Madrid standen, wurden sie von den bewaffneten Republikanern, die damals entscheidende Unterstützung vieler linker und demokratischer Organisationen und der Sowjetunion erhielten, vor Madrid gestoppt. Die Nichteinmischungspolitik Großbritanniens, Frankreichs und der USA, zu der ein Waffenembargo (gegen alle Kriegsparteien) gehörte, führte jedoch dazu, dass die Republikaner gegenüber den gut ausgerüsteten Faschisten zunehmend ins Hintertreffen gerieten. Der Ausruf „No Pasaran!“ hörte sich mutig und entschlossen an, entscheidend war, dass die Faschisten Waffen und Soldaten von Deutschland und Italien erhielten. Findet sich wenigsten ein „Stoppt Putin!“ im Aufruf? Doch noch nicht einmal das hören wir im Aufruf der Ostermarschierer! Die Republik konnte sich gegen diese Übermacht nicht halten. Die gegen Ende des Bürgerkrieges geführten Verhandlungen mit den übermächtigen Faschisten konnten das Massaker an hunderttausenden Republikanern nicht verhindern.4

Auch der nur bedingt zulässige Vergleich mit dem deutschen Angriffskrieg gegen Dänemark, Norwegen, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Großbritannien und Griechenland mit dem Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen Polen, Jugoslawien und dann gegen die Sowjetunion zeigt, wie absurd und geschichtsvergessen diese These ist. Die seit 1941 Seite an Seite stehenden Alliierten hielten der Naziwehrmacht nur stand, weil sie in großem Stil von den USA, die UdSSR sogar von dem bedrängten Großbritannien mit Waffen beliefert wurden.5

Der historisch passendere Vergleich ist der mit dem Ersten Weltkrieg. 1914 überfiel Deutschland seine Nachbarnationen Belgien und Frankreich. In Belgien verübten deutsche Soldaten zahlreiche Massaker an der Zivilbevölkerung, ganze Landstriche und Städte wurden in Schutt und Asche gelegt. Deutschland beanspruchte in seiner Kriegszielpolitik ganz offen große Gebiete beider Nachbarländer oder stellte die Existenzberechtigung Belgiens als Nation gleich ganz in Frage. Frankreich, Belgien und die sie unterstützenden Briten konnten den Angriff der kaiserlichen Armee nur standhalten, weil sie massiv von den USA unterstützt wurden. Alle Versuche, Verhandlungen aufzunehmen, um das entsetzliche Gemetzel an den Fronten zu beenden, scheiterten vor allem an den Maximalzielen des deutschen Kaiserreiches.6

Der Satz „Die militärische Unterstützung der Ukraine durch die NATO-Staaten intensiviert und verlängert den Krieg“ stimmt nur insofern, als dass die Unterstützung der Ukraine diese vor dem Zusammenbruch bewahrte, also Russlands Angriffskrieger daran hinderte, nach Kiew durchzumarschieren und dort wie schon im Donbass eine moskauhöriges Regime zu installieren. Die Waffenlieferungen der Nato-Staaten halfen der ukrainischen Armee standzuhalten: No Pasaran! Die Einstellung der Waffenlieferungen würden den russischen Truppen den Weg freimachen, die Forderung der Ostermarschierer bedeutet im Klartext: Putin Pasará!

Damit der deutsche Michel wieder ruhig schlafen kann – Verhandlungen um jeden Preis!

Die Friedensbewegten meinen zu wissen, dass es im Krieg zwischen der Ukraine und Russland anders zugeht. In ihrem Aufruf kann man nachlesen: „Im März 2022 gab es in Istanbul Verhandlungen zur Lösung des Konfliktes.“ Der Krieg ging bekanntlich trotzdem weiter, warum? Ein Schuldiger ist gefunden. Es ist der Westen. Im Aufruf der Ostermarschierer heißt es: „Der Westen sei für ein Kriegsende nicht bereit“. Ob diese Behauptung tatsächlich stimmt, darüber scheinen sich die Verfasser nicht so ganz sicher zu sein, denn sie schieben den Satz hinterher: „So äußerte sich General a.D. Harald Kujat in einem Interview.“ Wo dieses Interview stand, verschweigen die Friedensfreunde vornehm. Es erschien zuerst in der bei vielen Linken als rechtsextrem geltenden Preußische Allgemeine am 30.11.2022.7 Kujats Thesen machten dann aber auch in einigen seriöseren Presseorganen die Runde, obwohl sie jeder Grundlage entbehrten.

Der bisher gewiss nicht als Propagandist des Krieges und der Aufrüstung aufgefallene Soziologe Paul Schäfer8 führt dazu näher aus: „[…] Selenskyj [erklärte] noch am 10. April 2022, dass er trotz der Grausamkeiten der russischen Armee wie in Butscha und Irpin weiter Frieden wolle. […] als Politiker wolle er keine Gelegenheit für eine diplomatische Lösung verpassen. Putin dagegen verkündete am 12. April, Kiew habe die Friedensgespräche zum Scheitern gebracht, indem es in Butscha russische Kriegsverbrechen inszeniert habe. Bereits zuvor gab es entsprechende Aussagen russischer Regierungsvertreter: Am 3. April sagte Wladimir Medinski, Leiter der russischen Verhandlungsdelegation, Russlands Haltung zum Donbass und zur Krim sei unverhandelbar und Gespräche zwischen den Präsidenten seien nicht möglich.“9

Im Folgenden seien die Ausführungen der Wissenschaftlerin Sabine Fischer über die Rahmenbedingungen zitiert, die dazu führten, dass die Verhandlungen in Istanbul abgebrochen wurden. „Für die Beurteilung des Verhandlungsverlaufs im April 2022 muss jedoch der politische und militärische Kontext berücksichtigt werden. Die drastische Verschlechterung der Atmosphäre erklärt sich aus dem Kriegsverlauf. Nach dem Scheitern des Angriffs auf Kyjiw gab Moskau die Nordfront auf und konzentrierte seine Kriegsanstrengungen auf den Donbas und den Süden der Ukraine.10 Schäfer bringt in Auswertung der Gespräche Draghis mit Putin die Situation auf den Nenner, dass Putin deutlich macht, die erreichten und formulierten Kriegsziele stünden nicht zur Disposition. „Die Formel des Kreml lautet seitdem: Friedensverhandlungen Ja, aber zu unseren Bedingungen. Und: Von den Ergebnissen unserer Militäroperation, der Annexion nämlich, rücken wir nicht ab.“11

Der Historiker Hans-Henning Schröder sieht zwar nur in Verhandlungen eine Perspektive den Krieg zu beenden, denn „der Krieg wird [..] voraussichtlich nicht durch einen militärischen Sieg einer Seite beendet, sondern am Verhandlungstisch. Der weitere Verlauf der Kriegshandlungen wird aber unmittelbare Auswirkungen auf den Ablauf der Gespräche und deren Ergebnis haben. Insofern versuchen beide Seiten auf dem Schlachtfeld Vorteile zu erzielen, die sich politisch ummünzen lassen. Für die ukrainische Seite gibt es keinen anderen Weg. Sie kämpft um das Überleben ihres Staates. Ihre Verteidigungserfolge schaffen erst die Voraussetzungen für Verhandlungen.“12 Die Plädoyers aber nach Verhandlungen bei gleichzeitiger Forderung, die Waffenlieferungen einzustellen, bedeuten dagegen nichts anderes, als die Ukraine den Großmachtphantasien Russlands auszuliefern.

Und daher kommen wir jetzt nochmal auf die historischen Analogien zurück. Obwohl Russlands Militärführung Welle auf Welle ihrer schlecht ausgerüsteten und geführten Soldaten in das massive und präzise Abwehrfeuer der Ukrainer treibt, ist ein militärischer Sieg über die Ukraine aktuell nicht in Sicht. Doch die ja tatsächlich schon seit 2014 laufenden Verhandlungen scheitern vor allem daran, woran auch die Versuche mit Friedensverhandlungen im Ersten Weltkrieg scheiterten, an den unverhüllt formulierten Annexionsplänen Moskaus und der bis heute kaum hinter dem Berg gehaltenen Absicht, der Ukraine nur eine Teilsouveränität zuzugestehen.13

Das fleischgewordene Elend der Unterwerfung wird durch den unvermeidlichen Harald Fischer, ehemals Dechant des katholischen Dekanates Kassel-Hofgeismar, verkörpert. Diesem Herrn und dem Ostermarsch widmete die HNA am 04.04.2023 eine ganze Seite. Man kann die überaus peinliche Naivität Fischers auf zwei Sätze zusammendampfen, die er der HNA auf die Frage „Lässt sich Putin ohne Waffen stoppen?“ antwortet: „Die Frage ist zu kurz gestellt. Und zu einfach. Gegenfrage: Lässt er sich mit Waffen stoppen […] Wir brauchen einen Weg raus aus der Gewaltspirale. [….] Ich setze mich ein für einen gewaltfreien Widerstand gegen Unrecht und imperiale Machtgelüste von Verbrechern.“14 Angesichts der Massaker an der wehrlosen Zivilbevölkerung durch russische Truppen in einigen ukrainischen Städten ist diese Aussage nicht nur naiv, sondern skandalös. Wir müssen an dieser Stelle die Ausführungen über die deutsche Sehnsucht nach Unterwerfung der Ukraine beenden. Werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Unterstützer und angekündigten Redner des Ostermarsches.

Kassels Frühstücksverleumder: GEW, Deutsch-Palästinensische Gesellschaft, VVN-BdA Kassel, und „Dylans Dream“

Unterstützt wird der Ostermarsch bestürzender Weise von der GEW Kassel-Land und Kassel-Stadt. Wir haben es mit einer Gewerkschaft zu tun, die Lehrer und Lehrerinnen, Erzieher und Erzieherinnen vertritt, also mit Personen, die man als Multiplikatoren bezeichnet. Weiter finden wir die VVN-BdA Kassel und die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft (DPG), die den Aufruf unterstützen. Das ist eine alte Liebe, die wir schon mehrfach beschrieben haben.

Neben dem MLPD-U-Boot, dem „VW-Komitee“ ist die DPG die einzige Gruppe aus Nordhessen, die die antisemitische BDS-Bewegung unterstützt. Das Thema Israel und Palästina spielt im aktuellen Aufruf keine Rolle. In Kassel wird neben Fischer auch die ehemalige „Chefin“ (HNA) der DPG Brigitte Domes, die mittlerweile unter dem Label „Kasseler Friedensforum“ segelt, eine Rede halten. Frau Domes unterzeichnete u.a. 2017 einen Brief eines „Instituts für Palästinakunde“.15 Ja, so etwas gab oder gibt es tatsächlich. Man muss sich über gar nichts mehr wundern, auch nicht darüber, dass Lokalbarden den Namen Bob Dylan schänden, in dem sie ihr alljährlichen Paktieren mit den deutschen Friedensfroinden als Dylans Traum verkaufen. Aus diesem Grunde schließen auch wir mit Bob Dylan.16

Sing of Sherman – Montgomery and Scott
Sing of Zhukov and Patton and the battles they fought
Who cleared the path for Presley to sing
Who carved out the path for Martin Luther King
Who did what they did and then went on their way
Man, I could tell their stories all day

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1 Das Hilfsvolk der Russen. Zur Geschichte des ukrainischen Nationalismus bis 1945, Bahamas, Heft 69. Die Reden Wladimir Putins und Dmitij Medwedews sind im Heft Osteuropa1-3/2022, „Russlands Krieg gegen die Ukraine. Propaganda, Verbrechen, Widerstand“ nachzulesen.

2 Dazu, Thorsten Fuchshuber / David Hellbrück: Ein Meister der Rackets ist noch kein Gegenhegemon. Gespräch über Russlands Machtgefüge und den Ukraine-Krieg 2022 und Andreas Umland, Aleksandr Dugins Kreuzzug gegen den Liberalismus und seine Verbindungen nach Deutschland, kritiknetz.de, 01.01.2023.

3 Der Aufruf zum diesjährigen Ostermarsch ist hier nachzulesen: Den Frieden gewinnen – nicht den Krieg! Aufruf zum Ostermarsch 2023.

4 Einen guten Überblick über den spanischen Bürgerkrieg bietet Antony Beevor, Der Spanische Bürgerkrieg, München 2006.

5 Hierzu z.B.: Richard Overy, Die Wurzeln des Sieges, Warum die Alliierten den Zweiten Weltkrieg gewannen, Stuttgart 2000.

6 Über die deutschen Kriegsziele, z.B.: Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht, Düsseldorf, 1961; Deutschland im Ersten Weltkrieg, Berlin 1971; Über die Massaker deutscher Truppen in Belgien: John Horne und Alan Kramer, Deutsche Kriegsgreuel 1914, Hamburg 2004.

7 Paul Schäfer, Die Johnson-Legende. Wie der Westen angeblich einen Friedensvertrag verhinderte, Blätter für Deutsche und internationale Politik, April 2023, S. 100. Ob die Bezeichnung „rechtsextrem“ die Preußische Allgemeine Zeitung richtig kategorisiert, ist eine Frage, die wir hier nicht vertiefen wollen. In dem Spektrum dessen, welches die Friedensbewegung bis vor einigen Jahren mobilisierte, war es undenkbar sich auf andere Vertriebenenorganisationen als die des Heldenvolkes im Nahen Osten zu berufen, galten diese doch per mindestens als rechtslastig.

8 Homepage, Paul Schäfer.

9 Schäfer, S. 102.

10 Sabine Fischer, Friedensverhandlungen im Krieg zwischen Russland und der Ukraine: Mission impossible, SWP-Aktuell 2022/A 66, 28.10.2022.

11 Schäfer, S. 106.

12 Hans-Henning Schröder, Krieg und Verhandlungen. Voraussetzungen für Frieden in der Ukraine, online-Beitrag Osteuropa, 16.02.2023.

13 Die Verhandlungen im sogenannte Normandieformat und das Minsker Abkommen scheiterten letztendlich daran, dass Moskau weder mit der Ukraine direkt verhandeln wollte, noch die Rückgabe der annektierten Krim und der de facto annektierten ostukrainischen Oblaste in Aussicht stellte. Dazu ausführlich: Desinformationsexpertin. Russland, die Ukraine und Frau Krone-Schmalz, in Osteuropa 9-10/2022; Auch: Hans-Henning Schröder, ob.cit.

14 Waffen sind nicht die Lösung. Interview mit Pfarrer Harald Fischer, HNA, 04.04.2023. Im Frühjahr 2022 kam es in einigen ukrainischen Städten wie in Cherson und Nowa Kachowka zu Protesten der Zivilbevölkerung gegen die russischen Besatzer. Russland zog die Besatzungstruppen nicht ab und ging z. T. gegen die Proteste mit Waffengewalt vor. Befreit wurden die Städte durch vorstoßende ukrainische Truppen. Siehe z.B. Verletzte bei Protesten gegen Besatzer, Tagesschau, 06.03.2022. In anderen Städten kam es bekanntlich zu Massakern an der ukrainischen Zivilbevölkerung durch die russischen Besatzungstruppen.

15 Institut für Palästinakunde, Gegen Verstrickung in Raub und ethnische Säuberung, Neue Rheinische Zeitung, 07.06.2017.

16 Bob Dylan hat sich nicht nur mit seinem Song „Neighborhood Bully“ klar für Israel ausgesprochen, sondern sich dagegen gewandt, sich für die „Sache des Friedens“ vor den Karren spannen zu lassen. Dazu möchten wir auf den Blogbeitrag des Musikjournalisten Thomas Waldherr verweisen: „Bob Dylan, der Frieden, und der Krieg in der Ukraine. Der Songwriter großer Friedenslieder und seine jüdischen Wurzeln in Odessa.“: Dylans klassische Protestsongs sind großartige Hymnen gegen den Wahnwitz des Krieges […]. Sie sind aber nicht die Gedanken eines Pazifisten. […] Von ihm [Bob Dylan] ist auch die interessante Aussage überliefert, dass er sehr wohl sich für den Frieden einsetze, aber nicht für die „Sache des Friedens“.

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Nach Plan verlaufende Sonderoperation und Frieden

Well, the neighborhood bully, he’s just one man
His enemies say he’s on their land
They got him outnumbered about a million to one
He got no place to escape to, no place to run
He’s the neighborhood bully
.
(Bob Dylan)1

Es ist Krieg in Europa. Dies tangiert auch das Kasseler Friedensforum und dessen alljährliche Traditionspflege, den Ostermarsch. Schließlich hat man sich dort als Alleinstellungsmerkmal den Frieden auf die Fahnen geschrieben. Will man nicht vollständig irrelevant werden und jede Glaubwürdigkeit verlieren, muss also in irgendeiner Art und Weise Stellung bezogen werden. Andererseits entspricht der Krieg nicht dem liebgewordenen Weltbild: Als Angriff der USA, der NATO oder Israels lässt er sich beim besten Willen nicht darstellen. Die Zuneigung zum russischen Imperium ließ sich zur Blütezeit des Friedensforums in den ausgehenden Jahren des kalten Krieges ja noch einigermaßen in ein linkes Weltbild integrieren, handelte es sich bei der Sowjetunion doch, zumindest dem Namen nach, um so etwas wie einen sozialistischen Staat. Wie jedoch sollte die Rückkehr Russlands zur alten Form als Hort der Reaktion auf dem eurasischen Kontinent denklogisch ins Weltbild des Friedensforums integriert werden? Schließlich dürfte sich ein Großteil der Mitglieder von Vorstand und Fußvolk des Friedensforums immer noch für links oder linksliberal halten. Der diesbezügliche Habitus wird teilweise bis hin zur karikaturhaften Übertreibung gepflegt. Man sollte meinen, dass man sich in solchen Kreisen nicht wirklich auf derselben Barrikade mit Höcke, Orban und Bolsonaro wiederfinden will. Aber linksdeutsche Friedensmarschiererei ist nicht von Logik, sondern vom Ressentiment geprägt. Im Gegenteil: Fast hat man den Eindruck, die Protagonisten des Friedensforums seien erleichtert, keine Konzessionen an ein progressives Weltbild mehr machen zu müssen und die schon immer vorhandenen antimodernen und kulturpessimistischen Reflexe nun endlich offen ausleben zu können. Nichtsdestoweniger: Als Reaktion auf den ersten eindeutig zwischenstaatlichen Krieg in Europa seit 1945 – die verschiedenen ex- und restjugoslawischen Kriege haben sich aus Bürgerkriegen angesichts des Zerfalls Jugoslawiens entwickelt – musste das Friedensforum seinen ursprünglichen Aufruf zum Ostermarsch einstampfen. Dort war, in der nach Art eines Skobelew, von Bulgarien und Rumänien als „Meeres- und Landesgrenze“ Russlands fabuliert worden.2 Auch die alte Zeitungsente vom angeblich in den 2+4 Verhandlungen zur deutschen Wiedervereinigung durch die NATO „zugesagten“ Verzicht auf Osterweiterung (wie denn, wenn die NATO gar nicht an den Verhandlungen teilnahm und Russland, Georgien, die Ukraine und die baltischen Länder als unabhängige Staaten noch gar nicht existierten?) durfte als Klassiker der Putin – Apologetik nicht fehlen.3

In der nach Kriegsausbruch eilig korrigierten Fassung verurteilt das Friedensforum nunmehr „den Überfall der russischen Regierung auf das Schärfste.“4 Bis zum Begriff eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges kann sich das Friedensforum dann doch nicht durchringen. Im nächsten Satz ist dann bereits wieder von „verheerenden Fehlern auf beiden Seiten“ im Vorfeld die Rede. Aber dies rechtfertige keinen militärischen „Einmarsch“. Das verrät vielleicht so was wie das Wunschdenken, die Invasion in der Ukraine möge auf ähnlich wenig Widerstand treffen wie beim Einmarsch der Sowjettruppen anno 68 in die damalige CSSR. Dann hätte man die heroisch Untergegangenen guten Gewissens loben können, ohne dazu gezwungen zu sein, Farbe zu bekennen, oder praktische Schlussfolgerungen zu ziehen. Näherliegend ist jedoch, dass man sich drückt, im Zusammenhang von Russlands Handeln das böse K-Word zu schreiben. Die Verwendung irreführender Begriffe für eine nach Plan laufende Sonderoperation ist ja nunmehr in Russland verboten! Nicht, dass man noch beim nächsten Friedenskongress in St. Petersburg aus dem Hotel England heraus verhaftet wird!

Ansonsten gilt: Im Osten nichts Neues. Krieg ist keine Lösung, aber nun, wo es um eine mögliche Reaktion des Westens geht, ist das K-Word plötzlich wieder da. Und noch mehr: Willy würde Whiskas kaufen5, gemeinsames Haus von Wladiwostok bis Lissabon, Aufrüstung ist böse und kostet viel Geld, das dann bei der Bekämpfung des Klimawandels fehlen würde. Freilich könnte alles Geld der Welt nicht die Frage beantworten, wie man denn als Lobby von Öl- und Gasrentenregimes den CO2-Ausstoss senken will.

Stattdessen fiel dem Friedensforum offensichtlich nichts Besseres ein, als in der langen Liste vergangener Blamagen nach einem besonders eklatanten Beispiel zu suchen, um dieses dann zu wiederholen. Wie einst den durch einen anderen Zaren wiedereingesetzten Bourbonen nachgesagt wurde: Sie haben nichts gelernt und nichts vergessen. Fündig wurden die Veranstalter ausgerechnet im Jahre 2009. Der damalige Ostermarsch stellt allerdings selbst nach den Maßstäben des Friedensforums einen Tiefpunkt dar: Nicht nur hielt der notorische IM Dieter, alias Diether Dehm, zu diesem Anlass eine Rede, die in der Behauptung gipfelte, es könne kein Antisemit sein, wer nicht massenhaft Juden umgebracht habe.6 Nein, auch der Hauptredner Rolf Becker, den IM Dieter vom Vorwurf des Antisemitismus freisprechen wollte, verstieg sich zu der Behauptung, die von der Friedensbewegung erhobene Forderung nach Abrüstung der sich 2009 im Krieg befindlichen Kontrahenten Israel und Hamas solle für die Hamas nicht gelten. Davor hatte der Schauspieler und GEW-Mann Becker ein Gedicht von Pablo Neruda verlesen, das dieser anlässlich des spanischen Bürgerkrieges verfasst hatte, und in dem Neruda zu Recht Franco und dessen Verbündete, Hitler und Mussolini, Bombenterror und Kindermord vorwarf, und kurzerhand auf Israel umgemünzt.7 Zwischen den u.a. sich auch auf islamische Söldner stützenden Faschisten in Spanien einerseits und Israel, dass sich gegen islamistische und palästinensische Mörderbanden erwehren muss andererseits, besteht für Becker somit kein Unterschied. Dem jüdischen Staat wurde also nicht nur Vergießen von Kinderblut vorgeworfen – zu Ostern schon immer ein beliebter antijüdischer Topos – sondern auch der Vergleich von Israel und den Faschisten durfte nicht fehlen. Eben dieser Rolf Becker soll nunmehr wieder auf dem Ostermarsch sprechen. Es gehört nicht viel Fantasie dazu zu vermuten, an wen Becker keine Waffen geliefert sehen will. Auch im runderneuerten Aufruf ist zu lesen: „Es ist auch falsch, nun doch Waffenexporte in die Ukraine zu genehmigen.“ Was das angesichts eines Feindes bedeutet, der folgendes formuliert: „Russen und Ukrainer [sind] ein Volk, ein geeintes Ganzes. […] Die Mauer, die in den letzten Jahren zwischen Russland und der Ukraine – die dem Wesen nach Teile ein und desselben historischen und geistigen Raumes sind – entstanden ist, sehe ich als großes Unglück für alle, als Tragödie.“8

Der Auftritt eines nahezu 90jährigen Veteranen des kalten Krieges auf dem anachronistischen Ostermarsch wäre an und für sich nicht der Rede wert. Es gibt relevantere gesellschaftliche Kräfte, die in das gleiche Horn blasen, sich im Chamberlain-Ähnlichkeitswettbewerb um den ersten Platz balgen und alles dafür geben, dass den Ukrainern im Überlebenskampf gegen die russischen Angriffskrieger die Waffen ausgehen.9 Die größte Stütze des Putinismus in Deutschland sind ja nicht die Friedensbewegung, die AfD, die fast gleichlautende Forderungen formulieren oder unverbesserliche Nationalbolschewisten in der Linkspartei, die sogar innerhalb der eigenen Partei marginalisiert sind, sondern bedeutende Kapitalfraktionen, wie in Kassel beispielsweise die Wintershall-Dea und deren Lobbyisten, vor allem unter Sozialdemokraten aber auch unter Christdemokraten, die auf allen politischen Ebenen vom Bundespräsidenten bis hin zu den örtlichen Vertretern aus Kassel im Bundestag vertreten sind.10

Besorgniserregend ist also weniger, dass der Friedensratschlag tut, was er dem Grunde nach schon seit seiner Gründung tut: Ein antimodernes, antiamerikanisches und antiwestliches Ressentiment, gepaart mit Sympathie für Diktatoren und Gewaltherrscher zu verbreiten, sondern dass Deutschland diese Politik, trotz anderslautender Rhetorik und freilich abgeschwächt der Tendenz nach verfolgt. Dazu passt es dann, dass eine respektable Organisation wie der DGB dazu aufruft, an den Ostermärschen teilzunehmen.11

Mit SPD-Urgestein Michael Müller haben die Ostermarschierer einen weiteren Hauptredner und Lautsprecher eben jener Politik gewinnen können, die Putin den Weg bereitet hat. Auf einer ganzen Seite durfte er in der HNA vom 11.04.2022 die Floskeln von „Wandel durch Annäherung“ oder „Konzepte für Frieden und Entspannung“ zum Besten geben. Müller ist auch Vorsitzender des SPD-nahen Wandervereins der Naturfreunde und Mitherausgeber des Online-Magazins Klimareporter. Unter diesen Voraussetzungen dürfte man wohl erwarten, dass die Bekämpfung des Klimawandels sein hauptsächliches Anliegen ist. Aber nein, die „größte Gefahr für die Welt“ sei ein „doppelter kalter Krieg“ gegen Russland und China. Hinter dieser größten Gefahr stehe natürlich die „US-Außenpolitik“.12 Müller spielt in der Bundespolitik und auch in der SPD keine große Rolle mehr. Seine Brüder und Schwestern im Geiste sind aber jene, die dafür sorgen, dass sich mit Deutschland einer der größten Rüstungsexporteure auf das falsche Spiel mit den Waffenlieferungen versteht und jene verrät, die sich dem großrussischen Chauvinismus in den Weg stellen.13 Hier schließt sich dann der Kreis von Steinmeier, Schröder und Konsorten und Ihren Wiedergängern in den Niederungen der nordhessischen Provinz zu den redenden Untoten der Ostermarschierer.

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1 Bob Dylans programmatisches Lied sei hier angeführt, weil es doch tatsächlich mit der Band „Dylans Dream“ eine Combo in Kassel gibt, die meint mit diesem großen Namen hausieren gehen zu müssen und die regelmäßig für die Friedensmarschierer auftritt. Im Liedtext heißt es weiter: „Well, he’s surrounded by pacifists who all want peace // They pray for it nightly that the bloodshed must cease //
Now, they wouldn’t hurt a fly. To hurt one they would weep // They lay and they wait for this bully to fall asleep // He’s the neighborhood bully. // Every empire that’s enslaved him is gone // Egypt and Rome, even the great Babylon // He’s made a garden of paradise in the desert sand // In bed with nobody, under no one’s command // He’s the neighborhood bully.“ Vgl.: Bob Dylan’s forgotten pro-Israel song, revisited. With Bob on our Side, The Times of Israel, 24.05.2016.

2 Dass die kometenhafte Karriere eines Skobelew schon im für einen zaristischen General jugendlichen Alter von 38 Jahren buchstäblich verpuffte, daran ist bestimmt auch der böse Westen schuld. Schließlich nannte sich das diesbezügliche Etablissement Hotel England. Wo die Meeres- und Landesgrenze Russlands von Rumänien oder Bulgarien berührt wird, bleibt das Geheimnis der Friedensforscher. Vielleicht sehen sie ähnlich wie Putin die Ukraine dem Grunde nach Russland zugehörig. Dass nicht die NATO aufgerückt ist, sondern die genannten Staaten gute Gründe hatten der NATO beizutreten, erklärt Rainer Trampert in, ders.: Das Tauziehen um die Ukraine und der Bruch mit Russland. Von einem riesigem Militäraufgebot der NATO konnte im Baltikum, in Rumänien oder in Bulgarien bis zum Zeitpunkt des russischen Aufmarsches an der Grenze zur Ukraine ebenfalls nicht die Rede sei.

3 Die erste Version des Aufrufs lautete: Gemeinsame Sicherheit statt Konfrontation.

4 Nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges lautete der Aufruf nunmehr: Stoppt den Krieg! FRIEDEN für ganz Europa! Nein zur Aufrüstung!

5 Zur bizarren posthumen Umdeutung des unter Mitwirkung der Stasi gestürzten Willy Brandt, während dessen Ägide als Bundeskanzler der Wehretat 3,5% statt der vom Friedensforum als „Aufrüstung“ geschmähten 2% betrug, zitieren wir hier mal ausnahmsweise einen Sozialdemokraten. Fritz Felgentreu erläutert in einem Streitgespräch folgendes: „Partei Willy Brandts ist ein wunderbares Stichwort. Eine Voraussetzung für die Ostpolitik Anfang der 70er-Jahre, also genau in der Kanzlerschaft Willy Brandts, war eine Position der Stärke. Mit dieser Voraussetzung ging man nicht nur auf die Sowjetunion, sondern auch auf Länder wie Polen und die DDR zu. In der Regierungszeit von Willy Brandt von 1970 bis 1974 stieg unter den Verteidigungsministern Helmut Schmidt und Georg Leber der Anteil am Bruttosozialprodukt, der für Rüstung beziehungsweise Verteidigung ausgegeben wurde, von 3,1 auf 3,6 Prozent. Von diesen Zahlen sind wir heute zum Glück weit entfernt und da will keiner wieder hin. Doch es zeigt eben auch, dass Willy Brandt vollkommen klar war, dass man mit Russland am besten aus einer Position der Stärke heraus verhandelt, und das war erfolgreich.“ In: SPD Berlin, 18.05.2020.

6 Hier das Originalzitat: „Der Antisemitismus wurde das, was er wirklich ist: Eine massenmordende Bestie. Und deswegen dürfen wir nicht zulassen, dass man den Begriff des Antisemitismus für Alles und Jeden inflationiert. Antisemitismus, das ist Massenmord! Und es gibt überhaupt keinen Anlass, wenn mein Kollege und Freund Rolf Becker hier spricht, wenn von irgendeiner Seite dazwischengepöbelt wird Antisemitismus. Antisemitismus ist Massenmord und muss dem Massenmord vorbehalten bleiben! sowie eine Videoaufnahme der Rede.“

7 Wir sehen „das Blut in den Straßen“, aber wie überwinden wir unsere Schwäche? Rede von Rolf Becker beim Ostermarsch 2009 in Kassel.

8 Vladimir Putin, Über die historische Einheit der Russen und der Ukrainer, in: Osteuropa, 71, Jg., 7/2001.

9 Vgl., Ukraine-Krieg: Deutschlands falsches Spiel mit den Waffenlieferungen Von Robin Alexander, Klaus Geiger, Gerhard Hegmann, in: Die Welt, 02.04.2022.

10 Jens Høvsgaard: „Deutschland hat Wladimir Putin den Weg geebnet.“ aus: „Deutschland verhielt sich wie ein Ehebrecher und ging mit Putin fremd“, Høvsgaard im Interview mit Klaus Geiger, in: Die Welt, 10.04.2022.

11Stoppt den Krieg! Frieden und Solidarität für die Menschen in der Ukraine! Aufruf des DGB zu den Ostermärschen 2022“, so auf der Internetseite des DGB. Auch dort heißt es: „Jetzt muss es zunächst heißen: ‚Die Waffen nieder!‘ Es braucht einen sofortigen Waffenstillstand mit anschließenden Verhandlungen, um das Sterben und das Leid zu beenden.“

12 „Olaf Scholz liegt falsch“. Montagsinterview. SPD-Politiker Michael Müller über Ostermarsch und Ukraine-Krieg, in: HNA, 11.04.2022.

13Der Appell: Demokratie und Sozialstaat bewahren – Keine Hochrüstung ins Grundgesetz“ kritisiert verdruckst auch „eine Wende in der Außenpolitik“, und geht des lieben Friedens willens der Frage aus dem Weg, „was den Menschen in der Ukraine derzeit helfen würde“ (Lars Quadfasel). Der Appell wurde auch von zahlreichen Abgeordneten der SPD unterzeichnet. Der Aufruf ist Ausdruck einer diffusen Bewegung, die auch in Kassel mehrfach auf die Straße ging und die den „Angriffsopfern übel nimmt, dass sie sich verteidigen“ (Sascha Lobo).

75 Jahre nach der Befreiung – Die USA sind Schuld!

2020 fällt der Ostermarsch aus. „Corona sei dank!“, könnte man meinen, würde sich nicht jede Häme – angesichts der von dieser Seuche bedrohten Menschen und angesichts der drohenden Verwerfungen in Gesellschaft, Politik und Ökonomie – verbieten! Zwei Daten fallen in die Zeit des jährlich statt findenden Marsches, der sich gerne geschichtsbewusst gebenden „Friedensaktivisten“. Am 4. April 1945 beendete die US-Armee in Kassel die Naziherrschaft. Einige Tage später, am 11. April 1945, erreichten Einheiten der US-Armee Buchenwald. Angesichts der heranrückenden US-Truppen floh das Wachpersonal der SS und das Widerstandskomitee im Lager konnte das Lagertor besetzen, durch das einige Stunden später die US-Armee das Lager betrat.1 So widersprüchlich die Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik und so verabscheuungswürdig das gesellschaftliche Klima der postnazistischen Gesellschaft in Teilen waren: Der Sieg über Nazideutschland und die Besatzung Westdeutschlands durch die Westalliierten, allen voran die USA, bescherte und sicherte Westdeutschland eine demokratische und freie Gesellschaft, in der es auch dazu gehört, dass Politik und gesellschaftliche Verfasstheit Gegenstand der Kritik sein kann. Dafür stehen die USA bis heute.

Gleichwohl lassen es sich die Ostermarschierer nicht nehmen, sich gegen die seit 1969 zum Lieblingsfeind des vermeintlich anderen Deutschlands avancierten USA zu positionieren. Sie appellieren darüber hinaus an die Bundesregierung, sich gegen die Politik der USA unter Trump zu stellen. Die sich gern nonkonformistisch gebenden Marschierer machen sich so zu Erfüllungsgehilfen der immer wieder in Gegensatz zu den USA stehenden Außenpolitik Deutschlands. Sie nennen einzig die von Präsident Trump geführte USA als Schuldigen an mehr Kriegen, scheiternden Staaten, Terrorismus, Umweltzerstörung und Flüchtlingselend. Auch wenn die Außenpolitik der USA durchaus Fragen aufwirft – ob das die Verhandlungspolitik mit den Taliban, der Rückzug aus Syrien oder die seltsame Haltung gegenüber dem zum Buddy erklärten Kim Yong-un ist: Wer die USA für alle Übel der Welt verantwortlich macht, unterscheidet sich nur wenig von denen, für die die USA der große Satan ist und der übersieht, dass es zu den Grundprinzipien der US-amerikanischen Gesellschaft gehört, die eigene Politik immer wieder in Frage zu stellen.

Der Aufruf zum Ostermarsch 2020 in Kassel

Der Iran, der erwiesenermaßen den Terrorismus fördert, verantwortlich für einige failed-states ist, Israel mit der Vernichtung droht und im eigenen Land eine Terrorherrschaft führt, findet in den Ostermarschierern dagegen sichere Verbündete. So ist die Forderung nach dem Erhalt und der Umsetzung des Atomvertrages mit dem Iran einer der Punkte, der von den Ostermarschierern explizit genannt wird. Dieser Vertrag ermöglichte es dem Iran jedoch ohne Einschränkungen, Trägerwaffen für Atomsprengköpfe weiter zu entwickeln. Dieser Vertrag trug nicht dazu bei, den Iran dazu zu zwingen, das Atomprogramm etwa komplett einzustellen, sondern erlaubte es ihm, dieses auf einem Level fortzuführen, der jederzeit die Wiederaufnahme der Entwicklung von Atomwaffen ermöglichte. Nicht zuletzt thematisierte und tangierte dieser Vertrag nie die Förderung der Hisbollah, die die weltweit größte und finanzstärkste antisemitische Terrorgruppe und Drogenhändlerbande ist.

Zu den Unterstützern des Ostermarsches gehören die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft Kassel, ihre Vorsitzende Brigitte Domes und die Palästinensische Gemeinde. Ihre Gefolgschaft präsentiert sich bei jedem Ostermarsch prominent ganz oben auf der der Rathaustreppe mit dem Transparent „Schluss mit Vertreibung und Besatzung“ und der palästinensischen Nationalfahne. Beide Organisationen gehören direkt oder indirekt zu den Unterstützern der antisemitischen BDS-Bewegung und zum Sympathisantenumfeld der terroristischen Gruppen PFLP oder DFLP.2 Auch wenn die Agenda des Israel-Hasses aktuell nicht im Forderungskatalog der Marschierer auftaucht, so wird allein durch diese Unterstützer deutlich, woher der Wind weht, wenn der Ostermarsch zu „Verständigung, Abrüstung und Frieden!“ bläst. Über das notorische Friedensforum Kassel, der wichtigste Initiator des Marsches, muss man hier keine weiteren Worte verlieren.

Zu den Unterstützern des Ostermarsches gehört auch die VVN-BdA: als Organisation und personell repräsentiert durch ihren Lokalmatadoren, Herrn Dr. Ulrich Schneider. Durch die Kollaboration mit den Feinden Israels und mit Antiamerikanern aller Schattierungen dementieren sie ihren vermeintlichen Anspruch, den sie wie eine Monstranz vor sich hertragen und an den sie medienwirksam auch in Kassel erinnern, dem Schwur Buchenwalds zu folgen.3

1 Der Verlauf der Befreiung Buchenwalds wird hier genau dargestellt: Chronologie der Befreiung des KZ Buchenwald im April 1945. (https://www.buchenwald.de/399/)

2 Näheres zu beiden Gruppen in unserem Beitrag „Antisemiten und Völkische auf Kassels Sommer- und Straßenfesten“ aus.

3 Die VVN-BdA führt seit ihrer Gründung einen Kampf gegen alte und neue Nazis. Dieses Engagement soll angesichts der deutschen Geschichte und der terroristischen Umtriebe von Nazis hier nicht kleingeredet werden. Auch der von uns immer wieder kritisierte Dr. Schneider war Ziel eines Anschlages, der mutmaßlich von Nazis begangen wurde. Die immer wieder aufgedeckten Schlampereien und Fragwürdigkeiten in der Verfolgung rechtsextremer Umtriebe durch die Organe der Exekutive verweisen darauf, dass Initiativen die sich dem Kampf gegen Nazis widmen notwendig sind. In Paraphrasierung eines Ausspruchs eines berühmten Sozialwissenschaftlers sei hier jedoch folgendes vermerkt: „Wer aber vom Antisemitismus und Islamismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen“. Zur Kritik der Kasseler VVN verweisen wir auf unsere Beiträge „Gedenken in Kassel – VVN und andere Lügen“ und „Die VhS Region Kassel gedenkt mit der Bewegung des Kasseler Antizionismus dem Beginn des 2. Weltkrieges“.

Die VhS Region Kassel gedenkt mit der Bewegung des Kasseler Antizionismus dem Beginn des 2. Weltkrieges

(update, 27.08.2019)

Die Volkshochschule (VhS) Region Kassel, eine gemeinnützige und aus Steuergeldern finanzierte Bildungsinstitution und der DGB Nordhessen, eine beitragsfinanzierte Organisation, die die Interessen von Arbeitnehmern organisieren soll, werden als Organisationen genannt, die am 1. September 2019 eine gemeinsame Veranstaltung1 mit dem Kasseler Friedensforum und der VVN Kassel durchführen. Warum das mehr als ein Problem ist, soll hier erläutert werden.

Der Ostermarsch – Das Aushängeschild des Kasseler Friedensforums

Die wichtigste öffentliche Manifestation des Kasseler Friedensforum ist der jährlich stattfindende Ostermarsch. Auf dem Ostermarsch 2019 war Walter Listl (ISW)2 Gastredner. Dieser sprach in Kassel darüber, dass ein neuer kalter Krieg und eine Hetze gegen Russland betrieben würde, behauptete, dass Russland militärisch eingekreist würde und dass osteuropäische Staaten entgegen eines (nicht existenten3) Versprechens gegenüber Russland in die Nato aufgenommen worden seien, monierte die Sanktionspolitik gegen Venezuela, sprach sich gegen „kapitalistischen Wachstumswahn“ aus, behauptete, wohl um bei der Klimabewegung zu punkten, dass Rüstung und Krieg die größten Klimakiller seien, kritisierte das Bestreben der damaligen Verteidigungsministerin, den Etat der Bundeswehr vertragsgemäß geringfügig auf 2 % des Bruttosozialproduktes zu erhöhen und erging sich in der steilen These, Deutschland bereite einen Atomkrieg vor. Es sind die üblichen Plattitüden der Friedensfreunde, die einige Punkte einer tatsächlich bedenklich sich zuspitzenden Konfrontation weltpolitischer Akteure wie den USA, China, Europa und Russland aufgreifen, um diese Beispiele dann zu einem herbeifantasierten abenteuerlichen Gesamtbild einer kriegstreiberischen Politik der NATO aufzubauschen. Dass Russland bis heute in der Ukraine einen Krieg führt, gegen Georgien einen führte und immer wieder Drohgebärden gegen die baltischen Staaten richtet, sind Tatsachen, die in diesem Weltbild nicht existieren. Und dass zwischen den von verschiedenen führenden Militärs und Politikern des Iran artikulierten Vernichtungsabsichten gegenüber Israel und dem (von Deutschland, Russland und der EU geduldeten) iranischen Atomprogramm ein Zusammenhang besteht, findet keinen Platz in der Weltanschauung dieses Demagogen. Soweit die wenig spektakuläre Sicht der Dinge eines schlichten Vertreters der Bewegung, die sich üblicherweise paart mit Antiamerikanismus, Euronationalismus und in der Regel mit Antizionismus. Und tatsächlich: Der Redner des Ostermarsches entpuppt sich auch als veritabler Israelfresser.

Wächst hier zusammen was nicht zusammen gehört? Die VhS Region Kassel und der unbedarfte DGB Nordhessen in trauter Eintracht mit Kassels Antizionisten.

Der Israelhasser Listl ist nur ein Beispiel

2010 ließ Listl in einer Rede4 anlässlich der von der israelischen Marine gestoppten Fahrt der Mavi Marmara5 dem Hass auf Israel in München freien Lauf. Er schloss sich Rolf Verlegers Formel an, „Israel sei ein faschistischer Rüpel“, deutsche Medien willfährige Hilfstruppen der israelischen Politik, israelische „Massaker“, „Landraub“ und „Vertreibung“ förderten Hass, der zu Katastrophen führe. Gaza sei ein Freiluftgefängnis und es bestünde eine Hungerblockade. Dann wurde die sattsam bekannte Auschwitzkeule ins Spiel gebracht: Auschwitz sei eine Ausgeburt eines menschenverachtenden kapitalistischen Systems und wir dürften heute nicht zulassen, dass die Vertreter dieses Systems Auschwitz als Waffe nutzen, um „heutige Verbrechen“ zu rechtfertigen. Diese Satzkonstruktion ist eine Relativierung von Auschwitz. Auschwitz wird als Ausgeburt des kapitalistischen Systems und nicht als Kulmination des deutschen Antisemitismus begriffen. Und weil allgemein von Verbrechen des kapitalistischen Systems die Rede ist, dem Auschwitz kurzerhand subsumiert wird, wird die nationalsozialistische Vernichtungspolitik zum einen bagatellisiert und zum anderen der Boden dafür bereitet, Israels Politik mit der des Nationalsozialismus gleichzusetzen. Listl vergaß konsequenter Weise nicht zu erwähnen, dass Israel im Bunde mit mächtigen Verbündeten Verbrechen begehe. Dass Israel ein kapitalistisches, wenn nicht sogar ein imperialistisches System ist, ist dem Wald- und Wiesen-Israel-Hater geläufig und wird von Listl seinem Publikum als bekannt vorausgesetzt. Und weil es dem Redner nicht reichte, den jüdischen Staat in dieser Form zu delegitimieren und zu diffamieren, fand er es wichtig, einen bekannten Juden in Deutschland gleich mit zu erledigen: Henryk M. Broder sei eine Dreckschleuder und ein Schreibtischtäter. So findet zusammen, was zusammengehört: Der Hass auf Israel und auf Juden, die aus Auschwitz nichts gelernt haben.

Das Problem VVN Kassel

Listl ist nicht der einzige Israelhasser, der auf der Treppe des Kasseler Rathauses für das Kasseler Friedensforum sprechen durfte: 2016 war es Johannes M. Becker6, 2015 Sevim Dagdelen7, 2014 Anne Rieger8, 2012 Eugen Drewermann9, 2009 Rolf Becker10 und Diether Dehm11, 2008 Christine Buchholz12. Auf der Internetseite des Friedensforum ist u.a. der einschlägig bekannte Norman Paech13 präsent, darf Gaby Weber Verschwörungstheorien14 über die israelische Atombombe verbreiten und findet der BDS-Supporter Andreas Zumach15 ein Forum. Das Friedensforum verlinkt sich mit dem übel beleumundeten Bremer Friedensforum16 und ist wichtiger Protagonist des jährlich stattfindenden Friedensratschlages17, auf dem Putinisten, Antizionisten, BDS-Supportern, Islamappeasern und Antiamerikanern ein Forum geboten wird. Die Adresse des Friedensforums ist die Germaniastraße 14. Unter der gleichen Adresse firmieren das einschlägige Café Buch-Oase18 und der Verein Palästinensische Gemeinde-Kassel (zu diesem weiter unten).

Auch die VVN Kassel, wie ihr Anführer Dr. Ulrich Schneider unterzeichnen regelmäßig den Ostermarsch und natürlich marschieren sie jedes Mal mit. In der Regel wird die VVN-Fahne bei dieser Gelegenheit auf der Rathaustreppe in unmittelbarer Nähe des mit den palästinensischen Nationalfarben drapierten Transparentes „Beendet die Besatzung in Palästina“ präsentiert. Das ist kein Zufall. Dr. Schneider richtete auf dem 22. Parteitag der DKP den Delegierten dieser Veranstaltung ein Grußwort aus. Er sagte dort u.a.: „ […] es ist ein gutes Signal, wenn auch die Mitglieder der DKP in diesen Aktionen [gegen die AFD] deutlich sichtbar sind.“ Er lobte die Propagandaaktion „Stammtisch-Kämpfer-Schulung“ dieser Partei als die „größte antifaschistische und antirassistische Bildungsaktion in den letzten 20 Jahren“ und wünschte sich für die Zukunft die „aktionsmäßige Zusamenarbeit“ der VVN mit der DKP. Die DKP ist eine Partei, die vor 1989 von der SED finanziell abhängig und mit dieser auch politisch eng verbunden war. Die DDR unterstützte die militärischen Feinde Israels aktiv.19 Heute bietet die DKP der terroristischen PFLP eine Plattform.20 In Kassel taucht diese Partei regelmäßig als Unterzeichnerin für den Ostermarsch auf, ebenso wie die, die BDS-Bewegung unterstützende Gruppe Deutsch-Palästinensische Gesellschaft21 und der Verein Palästinensische Gemeinde-Kassel e.V.. Der zuletzt genannte Verein hob sich jüngst dadurch hervor, dass er die Propagandistin der Judenmördertruppe DFLP Faten El-Dabbas nach Kassel lud22.

Nie wieder Krieg – Eine falsche Parole mit Methode

Die Veranstaltung hat den Titel: „80 Jahre ist es her … Nie wieder Krieg!“. Es soll an die Opfer des Krieges gedacht werden. Es wird behauptet, dass der Faschismus dem Krieg den Boden bereitete, der damals wie heute (sic!) nicht über Nacht entstanden sei. Ein skandalöser Satz. Es war der Nationalsozialismus, dessen ideologischer Kern der Antisemitismus ist, der einen von Anfang an geplanten Angriffs- und Vernichtungskrieg ins Werk setzte, der ohne die Shoah nicht zu denken ist. Die AfD, die man wegen offener völkischer Ideologie, Hetze gegen Andersdenkende, Geschichtsrevisionismus und Kontakten zu rechtsextremistischen Kreisen kritisieren muss ist keine Neuauflage der NSDAP – von einem Großdeutschland oder einer Planung eines Angriffskrieges gegen Polen, Russland oder Frankreich ist in ihren Programmen keine Rede und der Zweite Weltkrieg hat darüber hinaus mit den heutigen Konflikten nur insofern etwas zu tun hat, als der Iran heute danach trachtet, Hitlers Werk zu vollenden. Es sind die Ajatollahs und seine Revolutionsgarden, die Israel von der Landkarte tilgen wollen. Damit wollen sie das Land vernichten, das verspricht, jeden Juden auf der Welt vor antisemitischer Verfolgung und Vernichtung zu schützen und ihm eine sichere Heimstatt zu gewähren. Diese Politik des Irans wird trotz eindeutiger Artikulation führender Militärs und Politiker vom Appeasement der europäischen insbesondere der deutschen Politik sekundiert. Konsequent über Irans Atomrüstung, über den von ihm finanzierten Terrorismus, über die iranischen Veranstaltungen zur Holocaustleugnung und zur Appeasementpolitik Europas zu schweigen, ist genauso Ausdruck der Ideologie der Friedensbewegung, wie den Nationalsozialismus als Faschismus zu bezeichnen, vom Antisemitismus nicht zu reden oder ihn zu historisieren. Diese Ideologie lässt sich mit dem Satz auf den Punkt bringen: „Nie wieder Krieg gegen Faschismus!“ Dass der DGB Nordhessen und die VhS Region Kassel, die es besser wissen müsste, auf diese Weise Gruppen wie der Kasseler VVN und dem Kasseler Friedensforum die Möglichkeit bietet, ihre Propaganda zu betreiben, ist erschreckend.

Ist das nun ein Plädoyer dafür, das Datum 1. September 1939 zu ignorieren? Nein! Am 1. September überfiel die deutsche Wehrmacht Polen. Polen wurde zwischen der Sowjetunion und Deutschland aufgeteilt, die gesellschaftliche Elite Polens und das polnische Judentum wurden in der Folge Opfer der deutschen Vernichtungspolitik. Die in die Sowjetunion geflohenen polnischen Truppen wurden entwaffnet und interniert, das polnische Offizierkorps (mehr als 20.000 Männer) von Einheiten des NKWD auf Befehl der sowjetischen Führung erschossen23. Der Überfall auf Polen war der Auftakt des deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieges, den die Nationalsozialisten in ihren Schriften und Äußerungen von Beginn an propagierten.

Die deutsche Kriegspolitik wurde von weiten Teilen der deutschen Bevölkerung unterstützt und gewollt, von den Westmächten bis 1939 ignoriert und von der Sowjetunion 1939 bis 1941 sekundiert. Der deutsche Krieg steht in einem klaren Zusammenhang mit der Shoah. Erst die eindeutige Haltung Winston Churchills, unter allen Umständen und zu jedem Preis dem Nationalsozialismus die Stirn zu bieten, die Intervention der USA, der aufopferungsvolle Kampf der sowjetischen Soldaten und der europäischen Partisanen trugen dazu bei, den Nationalsozialismus zu besiegen. ‚Nie wieder Krieg‘ ist keine adäquate Formel, dem 1. September gerecht zu werden. Die Zusammenarbeit mit stadtbekannten Antizionisten ein Affront.

Das Bündnis gegen Antisemitismus Kassel wird der Veranstaltung einen Besuch abstatten um aufklärerisch tätig zu sein. Unser Mittel der Wahl wird das folgende Flugblatt sein: Vor 80 Jahren: 1. September 1939 – Über Lügen des Gedenkens und Lücken der Erinnerung

1 Am 1. September 2019 lädt der DGB Nordhessen zusammen mit dem Friedensforum und der VVN zur „Gedenkkundgebung“ am Mahnmal für die Opfer des Faschismus am Weinberg ein, um dann eine Veranstaltung im Gebäude der Volkshochschule abzuhalten. Reden wird dort u.a. Dr. Ulrich Schneider (VVN) und Jenny Huschke (DGB Nordhessen). Die VhS Region Kassel hat sich nach uns vorliegenden Informationen von dieser Veranstaltung distanziert.

2 Walter Listl (DKP) hielt den hier verlinkten Redebeitrag für den Ostermarsch Kassel 2019. Listl ist für das „Bündnis gegen Krieg und Rassismus“ und das ISW sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V. in München tätig. Selbst in Kreisen der Friedensbewegung wurde ihm schon einmal eine unausgesprochene Nähe zu Putin vorgeworfen. (vgl., Die Freiheitsliebe, Friedensbewegung: Mit Putin zum Frieden?)

3 In dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag wurde in einer geheimen Zusatzerklärung der Sowjetunion vom damaligen Außenminister Genscher zugesichert, „dass die Zugehörigkeit eines vereinten Deutschlands zur NATO komplizierte Fragen aufwerfe. Für uns stehe aber fest: Die NATO werde sich nicht nach Osten ausdehnen.“ In der Politikwissenschaft ist es jedoch weitgehend unumstritten, dass es keine „formelle Zusage über eine Nicht-Expansion der NATO gegenüber der Sowjetunion gegeben habe.“ (zit. n. Wikipedia, NATO-Osterweiterung) Die Sowjetunion gibt es seit 1991 nicht mehr. Die Nachfolgestaaten sind souveräne Staaten mit eigenen Sicherheitsinteressen, die sie von der NATO eher gesichert sehen, als von einem von Russland gegebenem Versprechen von der Unverletzlichkeit der Grenzen. (Über die falschen Schlussfolgerungen des Zwei-Plus-Vier-Vertrages, vgl. z.B. Michael Rühle, Die Mythen und Legenden wuchern, in NZZ 10.04.2014)

4 Siehe: „Aufruf zum Protest – Free GAZA … Aufruf zum Protest gegen den israelischen Überfall auf den Hilfskonvoi für Gaza, Freitag 4. Juni“ (Münchner Friedensbündnis).

5 Die Mavi Marmara war das größte Schiff der von der islamistischen IHH in Zusammenarbeit mit der Hamas durchgeführten Propaganda-Aktion „Ship to Gaza-Konvoi“ im Jahr 2010. (vgl., Lizas Welt, Aufgebrachte Narrenschiffe, 2010)

6 Johannes M. Becker ist ein Politologe und Friedensforscher aus Marburg. Über Beckers antiisraelische Schlagseite informiert Felix Riedel. (Nichtidentisches, Vom Zwang zum Urteil – Beckers notorisch antiisraelische Konfliktanalyse, 2008)

7 Sevim Dagdelen gehörte zu denen, die nach der Rede Shimon Peres im Jahre 2010 zum Holocaust-Gedenktag demonstrativ sitzen blieben. Dagdelens Begründung lautete, „dass Shimon Peres seine Rede zur ideologischen Vorbereitung auf einen Krieg gegen den Iran genutzt hat.“ (ruhrbarone, „…es widert uns an“, 2010) Dagdelen unterzeichnete und verteidigte einen Aufruf, der im Jahr 2012 vor einer Intervention der Nato gegen Syriens Gewaltherrscher Assad und gegen den Iran warnte. In diesem Aufruf wurde ferner gefordert, die Embargomaßnahmen gegen diese beiden Länder aufzuheben und es wurde dort u.a. Israel vorgeworfen, beide Länder durch Kriegsdrohungen, Sabotage- und Terroraktionen in einem Ausnahmezustand zu halten. (Spiegel online, Dubioser Syrien-Aufruf, 2012)

8 Anne Rieger warf auf dem Ostermarsch 2014 in Kassel Israel vor, „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu verüben und bediente damit einen typischen Topos des postnazistischen Antisemitismus.

9 Eugen Drewermann, häufig Interviewpartner des einschlägigen KenFM-Senders und Mitstreiter der verschwörungstheorielastigen und deutsch-nationalistischen Bewegung „Friedenswinter“, gilt als offen auftretender Putinapologet. (vgl., Demo der Verschwörungstheoretiker, in Tagesspiegel, 2014) Auch machte er u.a. Israel für den Angriff auf die Twintowers am 11. September 2001 verantwortlich. (vgl., Henryk M. Broder, Wie die deutsche Öffentlichkeit auf die Anschläge vom 11. September reagierte , in Jüdische Allgemeine 2006)

11 Diether `Lerryn, das Arschloch´ Dehm stellte auf dem Ostermarsch 2010 in Kassel fest, dass von Antisemitismus erst dann die Rede sein könne, wenn die Öfen von Auschwitz qualmen. Anlass seiner Feststellung war übrigens eine kleine Gruppe von Mitstreitern des Bündnis gegen Antisemitismus Kassel, die während des Ostermarsches Fahnen Israels schwenkten.

12 Zu Christine Buchholz – Dauergast der Partei „Die Linke“ in Kassel – ist hier schon einiges gesagt worden. Sie kann als Fürsprecherin der Hisbollah bezeichnet werden.

13 Norman Paech ist einschlägig bekannter „Völkerrechtler“, Semitismus-Semantiker, Terrorversteher und BDS-Verteidiger.

14 Gaby Weber wurde bekannt, als sie Verschwörungstheorien in die Welt setzte. Die Entführung Eichmanns und der Prozess gegen ihn sei eine Aktion gewesen, um von der geheimen Atombewaffnung Argentiniens abzulenken. (Vgl., Sven Felix Kellerhoff, Sollte Eichmann-Coup US-Atomprogramm decken? In: Die Welt 2012) Auf der Plattform des Kasseler Friedensforums bietet Weber die auch von ihr bei KenFM verbreiteten Gerüchte über die Zusammenarbeit mit Nazis am israelischen Atomprogramm feil.

15 Andreas Zumach ist Beirat des „Bündnisses zur Beendigung der israelischen Besatzung“ (BIB), dem auch andere bekannte Israelfresser wie Rolf Verleger und Norman Paech angehören. Zumach beteiligte sich an Aktionen zur Legitimierung der antisemitischen BDS-Bewegung und bediente dabei in seinen Reden auch schon mal antisemitische Ressentiments. Zuletzt fiel Zumach als Jury-Chef im Zusammenhang der umstrittenen Verleihung des Göttinger Friedenspreises an die BDS-unterstützende Gruppe „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ auf. (vgl., München: Querfront gegen Israel, in ruhrbarone, 2018)

16 Das Bremer Friedensforum fiel überregional 2011 mit einer Boykottaktion gegen Produkte aus Israel in Bremer Supermärkten auf. (vgl., DIG Berlin und Brandenburg, Reaktionen auf Boykott israelischer Waren/Israel-Apartheid-Wochen, 2011)

17 Eine exemplarische Kritik des Friedensratschlages findet sich hier: Friedensratschlag in Kassel – Ein Wochenende der Untoten.

19 Jeffrey Herf bringt in seinem Interview in der Jungle World die ideologische Haltung der DDR im Verhältnis zu Israel wie folgt auf den Punkt: „Die Sowjetunion, der sowjetische Block und auch die DDR haben ihren Teil zur Geschichte des Antisemitismus beigetragen. Der älteste Hass der Welt wurde in einem Mantel des Antifaschismus und Antiimperialismus gekleidet.“ Die DKP wurde bis 1989 von der SED finanziert und stand dieser Partei ideologisch sehr nahe.

21 Die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft agiert überregional. Dieser Organisation sind Regionalgruppen angeschlossen, u.a. auch in Kassel. Sowohl die überregional agierende Organisation als auch die Kasseler Organisation tauchen als die wenigen deutschen Organisationen auf, die die antisemitischen BDS-Bewegung unterstützen. (Unterstützende Gruppen …)

23 Zu diesen Mördern gehörte ein gewisser Wassili Blochin, der täglich 250 – 300 internierte polnische Offiziere eigenhändig erschoss. Unter Putin war es möglich, dass ihm ein Gedenkstein gesetzt wurde. (vgl., Michail Ryklin, Leben, ins Feuer geworfen. Die Generation des Großen Oktobers, Berlin 2019, S. 18) In der Friedensbewegung sind, wie ausgeführt, besonders viele Apologeten Putin vertreten.

Ostern 2019

Am Rathaus Kassel

Man könnte sich lange mit dem Wahn befassen, der zum alljährlichen Marsch an Ostern sich darstellt. Von einem Deutschland, das zwischen den USA und Russland zerrieben wird, über „Freiheit für Assange“ bis hin zu einem, der sich mit roter Farbe und einem Kopfverband drapiert hat um die Rüstungsindustrie zu skandalisieren. Das ist jedes Jahr dasselbe.

Ein Ostermarsch, der ohne das Thema Israel auskommt, ist in Kassel allerdings ein Novum. Doch es brauchte nicht viel, um die Friedensmarschierer aus der Reserve zu locken. Mit einem knappen Dutzend Streiter stellten wir uns am Rande der Kundgebung auf und hielten die israelische Fahne und die Slogans „Frieden für Israel“, „Free Gaza from Hamas“ und „Kein Frieden den Antisemiten“ hoch – und man brauchte nicht lange warten, bis aus ihnen der Jargon der Antisemiten sprach: „Israel Kindermörder“, „Israel Apartheidstaat“, „Rassisten“, „Faschisten“ und „Weg mit Israel!“ so die Parolen, die einem entgegen gerufen wurden. Man muss hinzufügen, dass es einige gab, die uns aufforderten, uns nach dem Motto „Frieden für alle“ einzureihen. Sie haben unser Anliegen nicht verstanden: Kein Frieden den Antisemiten!

Offener Brief an die IG Metall

(29. März 2018)

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Erstaunen haben wir zur Kenntnis genommen, das Horst Schmitthenner als Mitglied der IGM auf dem diesjährigen Ostermarsch in Kassel sprechen soll. Um es vorweg zu nehmen, es spricht nichts dagegen, über die Frage von Krieg und Frieden auch und insbesondere als Gewerkschafter zu diskutieren und auch öffentlich Stellung zu beziehen. Der Ostermarsch hat, wenn man es gut meint, vielleicht eine ehrwürdige Tradition, die daher rührt, dass die Ursprünge dieser Bewegung gegen die Wiederbewaffnung oder gegen die Bestrebungen gerichtet waren, auch die Bundeswehr mit Atomwaffen zu bewaffnen. Auch in der Zuspitzung des Kalten Krieges für Abrüstung und Verhandlungen zu plädieren, kann man als vernünftige Position bezeichnen. Die Zeiten haben sich aber seit den sechziger Jahren und insbesondere nach dem Ende des Ost-West-Konflikts geändert. So kritikwürdig die hiesigen gesellschaftlichen Verhältnisse sind, die westlichen Demokratien sehen sich heute mit Kräften konfrontiert, mit denen Verhandlungen über Abrüstung und gegenseitige Verständigung keine Optionen und in der militärische Einsätze um bestimmte Regionen zu befrieden, eine ultima ratio sind. Da ist das einfache Weltbild der Friedensbewegung zumindest fragwürdig.

Hervorheben möchten wir jedoch, dass die Kasseler Friedensbewegung sich in der Nah-Ost-Frage durch eine besondere Passion auszeichnet, die nicht nur fragwürdig, sondern schlicht inakzeptabel ist und es auch für Gewerkschafter sein sollte. In der Nah-Ost-Frage zeichnet sich die Kasseler Friedensbewegung durch eine stramme Israelfeindschaft und einen unerbittlichen Antizionismus aus. Wiederholt stand die Verurteilung Israels als einer der zentralen Punkte auf den Aufrufen der Ostermärsche und bei jedem Ostermarsch präsentieren sich die Streiter für ein „Free Palestine“ prominent und unübersehbar auf der Rathaustreppe. Sie meinen mit diesem Slogan einen Nahen Osten ohne einen jüdischen Staat. Die Adresse des Kasseler Friedensforums ist die Germania Str. 14. Das ist die Adresse des Café Buch-Oase. Das Café selbst ist eine wichtige Adresse, wenn es um die Propaganda für die antisemitische BDS-Bewegung geht. Ein wichtiges jährliches Ereignis, dass das Kasseler Friedensforum organisiert, ist der sogenannte Friedensratschlag. Dieser versammelt Jahr für Jahr alles was in der antizionistischen und israelfeindlichen Szene Rang und Namen hat.

Ob sich Horst Schmitthenner in eine Reihe mit dem BDS-Unterstützer Uwe Hiksch, Anne Rieger („Israel ist Schuld am Terrorismus“), dem Antisemitismusleugner Diether Dehm, Rolf Becker („Rentner gegen Zionismus“), der Hisbollah-Versteherin Christine Buchholz sehen möchte, wissen wir nicht. Die genannten und viele Gleichgesinnte waren Redner der Kasseler Ostermärsche.

Der DGB kann auf eine lange freundschaftliche Beziehung zum israelischen Gewerkschaft Histadrut verweisen und mit Otto Brenner gibt es in der IG Metall einen ihrer wichtigsten historischen Persönlichkeiten, die schon früh um ein freundschaftliches Verhältnis zu Israel bemüht war. Der ehemalige Vorsitzende des DGB Michael Sommer hat sich im Namen des DGB deutlich gegen die Unterstützung der BDS-Bewegung ausgesprochen. Auch in Kassel gehört die IG Metall zu den Kräften, die sich darum bemüht haben, die Bildungsarbeit zur Kritik des Antisemitismus des Sara Nussbaum Zentrums zu unterstützen, in der es auch um den israelbezogenen Antisemitismus ging.

Wir würden es begrüßen, wenn die IG Metall Horst Schmitthenner dazu bewegt, die Teilnahme am Ostermarsch abzusagen, oder es wenigstens seitens der Organisation eine klare und öffentliche Aufforderung gibt, das Horst Schmitthenner nicht im Namen der IG Metall für den Ostermarsch spricht.

Der Brief wurde zusammen mit Mitgliedern des Jungen Forum DIG verfasst, was dort nicht nur auf Gegenliebe stieß. Der Brief wurde daher auch nur bei uns veröffentlicht. Das JuFo wurde von Schmitthenner um ein Gespräch gebeten, die Teilnahme des BgA-Kassel war ausdrücklich nicht erwünscht. 

Der Marsch und ein Mahnmal

 

In Kassel gibt es ein Mahnmal, das regelmäßig von der Friedensbewegung heimgesucht wird. Das ist kein Zufall, weil dieses „Ehrenmal“ in so bestimmt unbestimmter Art und Weise an „die Opfer des Faschismus“ erinnert, dass es geradezu prädestiniert dafür ist, als Wallfahrtsort der Ostermarschierer und anderer Frühstücksverleumder zu dienen.

Im Portal der Stadt werden „unsere“ – wie es geradezu anmaßend heißt – „Interpretationen“ des Mahnmals wie folgt formuliert. Der Zugang zum Mahnmal wird von zwei Figuren flankiert. Die linke Figur symbolisiere die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Wenn man die Inschrift „Den Vernichteten“ liest, kann einem schon übel werden, dass den Interpreten der Begriff „Zukunft“ einfällt. Den Vernichteten wurde die Zukunft genommen und selbst die wenigen, die den Vernichtungsfuror überlebten, sahen alles andere als hoffnungsfroh in die Zukunft. Einen Neuanfang gab es in Deutschland, dank der Gnade der Sieger und der Unterwürfigkeit der Besiegten vor allem für diese.

Die Vernichteten, Hoffnung und Trauer

Die rechte Figur stehe für die Trauer um die Opfer und die Toten. Der Text auf dem Portal betont noch einmal ausdrücklich: „Also für alle Menschen: die Gefallenen im Krieg (Soldaten, Zivilbevölkerung in Deutschland und in den Kampfgebieten), die Zwangsarbeiter, die Widerstandskämpfer und die Verfolgten.“ Dass alle Opfer der NS-Zeit gemeint sind, würde dem Besucher durch die Inschrift „Den Vernichteten“ deutlich gemacht. Im Tode sind demnach alle gleich, diejenigen, die zur Vernichtung schritten und diejenigen, die Vernichtet wurden. Der industrielle Mord in Auschwitz, das massenhafte Abschlachten von wehrlosen Menschen im Osten, der geplante Hungermord in den Ghettos einerseits, der Tod der Volksgenossen in den Bombennächten, im Schützengraben und im Gefangenenlager andererseits, alles ist nach dieser Lesart Vernichtung. Es soll hier nicht in Abrede gestellt werden, dass die Trauer eines einzelnen über den gefallenen Bruder, den Vater oder den Sohn, über die bei den Bombardierungen ums Leben gekommenen Angehörigen berechtigt ist. Was denjenigen jedoch gut zu Gesicht stehen würde, die die Chance auf einen Neuanfang hatten, ist über die, die beim Verrichten ihrer Vernichtungsabsicht oder beim Bereiten der dafür notwendigen Voraussetzungen ums Leben kamen, öffentlich zu schweigen.

Dann, so das Portal der Stadt, gibt es eine Mahnung an die Lebenden. „Derartiges Unrecht (Unterdrückung, Morde und Ausbeutung) wie es sich in der NS-Zeit vollzog,“ soll sich nicht wiederholen. Solange man nicht diejenigen benennt, die ausnahmslos ermordet werden sollten und die dazu angewandte Praxis der industriellen Vernichtungslager beim Namen nennt, knüpft dieser Passus problemlos an den Konnex zur x-beliebigen Verwendung des Erinnerns in der Gegenwart an. Unterdrückung und Ausbeutung sind Merkmale kapitalistischer Vergesellschaftung, als Begriffe des auf den Nationalsozialismus bezogenen Gedenkens führen sie dazu, dem Protest gegen alles und jedes eine Absolution zu erteilen und sich auch guten Gewissens jenen zuwenden zu können, die heute ganz besonders ausbeuten und unterdrücken, nämlich Israel, hilfsweise den USA oder dem Westen. Und damit klar ist, dass man auch nie selbst gemeint ist und stets auf der Seite der Guten steht, wenn man gegen Unterdrückung, Morde und Ausbeutung mahnt und kämpft, wird es unten auf dem Portal dann noch mal betont, das „Vergiss nicht die Toten“ richte sich insbesondere an die „politisch rechts gesinnten Menschen“.

Aber die „Rechten“ sind bekanntlich die Anderen, nur wenige und sie gehören nicht zu den Guten. Das sind die Massen, das Volk, wir – und das waren die, die nicht gewesen sein können was sie waren, eine auf den Gemeinnutz setzende Volksgemeinschaft. Also wurden sie mit Schein, Betrug und falschem Glanz verleitet und hinters Licht geführt und es war ihnen erst nach dem Krieg möglich, die Wahrheit zu erkennen.

Die Hypostasierung einer Opfergemeinschaft und eines unschuldigen Volkes und andererseits einer bösen Rechten bietet eben jene Schablonen, die es den Friedensmarschierern erlaubt, mit Parolen, die vor 100 Jahren eine eingeschränkte Berechtigung gehabt haben, noch heute hausieren zu gehen, die es ihnen erlaubt sich immer auf der Seite der Guten zu wähnen und tatsächlich mit denen zu paktieren, die (mit oder ohne Bezug auf eine angemaßte antifaschistische Tradition) den jüdischen Staat vernichtet (oder kritisiert) sehen wollen und die in der Verteidigung einer (durchaus unvollkommenen, widersprüchlichen) Gesellschaftsform, deren Grundlage die demokratische Verfasstheit, Freiheit und Recht, das Recht auf Leben und Eigentum ist, gegen ihre erklärten Feinde Imperialismus und Kriegstreiberei sehen.

„Vielleicht könnte der Dornenkranz auch ein Zeichen sein, wie der Judenstern.“

Das zentrale Element des deutschen Nationalsozialismus war der Antisemitismus, dadurch unterscheidet sich der deutsche Nationalsozialismus von anderen Formen des Faschismus. Eine zentrale Rolle im Mahnmal nimmt jedoch ein Dornenkranz ein. Laut der Bibel wurde dieser Jesus vor der Kreuzigung ihm von spottenden römischen Soldaten aufgesetzt. Die Dornen stehen in der Bibel für den Fluch der Sünde. Jesus nahm gemäß der christlichen Theologie im Tod am Kreuz die Sünden der Welt auf sich, um diese zu erlösen, die Dornenkrone symbolisiert zusätzlich die Erlösung von dem Fluch der Sünde. Die Stadt meint nun, der Dornenkranz könnte entweder ein Symbol für die Nazis sein, die andere Menschen umbrachten, die anderen Glaubens waren (als wäre der deutsche Vernichtungskrieg ein Glaubenskrieg gewesen) oder anders dachten, oder es könnte auch ein Judenstern sein, denn man habe Jesus bekanntlich umbringen lassen, weil er einen anderen Glauben hatte und weil man Angst hatte, Jesus könnte die Mächtigen aus ihrer Position stürzen. Wer die Mächtigen zu Jesu Lebzeiten waren, ist in der volkstümlichen Rezeption des christlichen Glaubens durchaus nicht eindeutig, wer Jesus umgebracht hat auch nicht. Die Melange aus deplatzierter Symbolik und volkstümliche Interpretationen Jesus Tod eröffnen schnell Abgründe des christlichen Antijudaismus, der trotz aller Versöhnungsbestrebungen der Kirchenoberen Bestandteil politischer Ideologie diverser Gruppen ist, die sich im Namen des Glaubens für den Weltfrieden engagieren und fester Bündnispartner der Friedensbewegung sind.

Die Friedensmarschierer und „Palästinabefreier“ haben in diesem sogenannten Ehrenmal einen Platz gefunden, den sie verdient haben.

(jd)

(K)eine Wahlempfehlung

Eine Polemik zum Kasseler Kommunalwahlkampf

Am 5. März ist Oberbürgermeisterwahl in Kassel. Antisemitismus und Kommunalwahl? In Kassel fuhr zwar schon einmal eine Straßenbahn mit der Silhouette der Skyline der Stadt Ramat Gan herum, dieselbe Stadt ist Partnerstadt Kassels, auf der anderen Seite ist Kassel selbst immer wieder Schauplatz antisemitischer Massenkundgebungen, doch in der Programmatik der Kandidaten findet man zu dem Thema nichts. Antisemitismus und Israel spielen im Wahlkampf keine Rolle. Zwar sind im Gegensatz zum Merkava Wahlen kein taugliches Mittel im Kampf gegen Antisemitismus, doch sollte der- oder diejenige wissen, der / die seine Stimme abgeben will, wen er / sie da so ankreuzt.

merkava

Wenn es drauf ankommt: Merkava!

Christian Geselle ist Mitglied der DIG-Kassel. Ob man aufgrund der Ausrichtung der hiesigen Organisation darauf schließen kann, dass bei Geselle ein gewisses Grundverständnis für die Rolle Israels im Nahen Osten und die Juden in der Welt existiert, lässt sich daraus nicht ohne weiteres ableiten. Inwieweit er sich von der in Nordhessen als Nachfolgeorganisation der NSDAP fungierenden SPD und ihrem Faible für Geschichtsvergessenheit abwendet und die Brunner-Brücke z.B. in Moses-Hess-Brücke umbenennen lässt, bleibt abzuwarten. Dass Geselle aktuell als Kämmerer mit dazu beiträgt, den fragwürdigen Dialog mit der DITIB und mutmaßlich über Vereinszuschüsse auch diese direkt, wenn auch nicht entscheidend, finanziert, dürfte kein Spezifikum eines SPD-Politikers sein, sondern liegt in der Logik des allgemeinen gültigen Appeasements deutscher Politik im Angesicht des Islam.

Dominique Kalb sieht aus wie Franz-Josef-Strauß in seinen besten Zeiten. Ob er als OB Kassels Israel einen ebensolchen Dienst wird erweisen, wie es FJS einst tat, wird sich zeigen.

Eva Koch ist die Kandidatin der saturierten grün-ökologischen Bourgeosie, Einwohner Kassels von notorisch guter Gesinnung und BewohnerInnen von Häusern, wo sogar die Wände gut riechen. Tag der Erde, anthroposophisches Zentrum usw. sind Manifestationen des politischen Wahns auf den diese Kandidatin gut zu sprechen ist. Das deutet darauf hin, dass Koch keine Berührungsängste mit dem esotherisch-naturverbundenen Blut-und-Boden-Wahn hat. Aber es gibt schlimmere!

Bernd Hoppe gehört zweifellos zu den Intelligenteren der Kasseler Kandidatenriege. Doch Intelligenz schützt vor Torheit nicht. Hoppe hat 2010 auf dem Ostermärsche geredet  – ein Jahr nach den antisemitischen Ausschreitungen einer Friedenskundgebung – und ist seit einigen Jahren regelmäßig Unterzeichner dieses antiisraelischen Aufmarsches. Andererseits ist Hoppe auch Mitglied der DIG-Kassel, was möglicherweise mehr über die DIG-Kassel aussagt, als über Hoppe. Außerdem schreibt Hoppe immer mal wieder für den Blog des Israelfressers Kai Boeddinghaus KasselerRathausBlog, anstatt ihm einen einzuschenken. Keine Empfehlung.

Murat Cakir, ebenfalls regelmäßiger Unterzeichner des Ostermarschaufrufes, zeigte sich auf dem 1. Mai mit dem nationalbolschewistischen und israelfeindlichen Krampfblatt „Junge Welt“. Cakir ist der einzige, der sich von den hier genannten öffentlich ausdrücklich gegen Israel positioniert. Er hat folgendes zum besten gegeben: „Die pure Ablehnung einer Ein-Staaten-Lösung bedeutet im Umkehrsinn, die Befürwortung von monoethnisch bzw. monoreligiös ausgerichteten Nationalstaaten in Israel und Palästina, die keinen Raum für ethnische und religiöse Minderheiten zulassen.“ Er ist der Meinung der einzig demokratische Staat im Nahen Osten missachte „jegliche Standards eines demokratischen Rechtsstaates. Die von der islamistischen IHH im Bunde mit der Hamas ausgeheckten Bootsfahrt der Mavi Marmara nennt er einelegitime Aktion gegen die völkerrechtswidrige Gaza-Politik der Hamas? Nein natürlich die Israels. (Ausführlich hierzu: Murat Cakir und das Wird-man-ja-noch-mal-sagen dürfen-Prinzip) Definitiv nicht wählbar!

Matthias Spindler hat angesichts des „Kasseler Bratwurststreits“ folgendes verlautbaren lassen: „Die Bratwurst gehört einfach dazu, denn sie symbolisiert Freiheit und westliche Grundwerte und schützt uns vor Grünfaschis- und Islamismus.“ Wenn das keine Wahlempfehlung ist.

Pressemitteilung: cakir-2017

(jd)

Ökumene und eine Bierzeltbotanikerin im Vorderen Westen

daß sie 
einmal mit uns Heiden umgehen könnten, 
wie sie zur Zeit Esthers in Persien mit den Heiden 
umgingen. O wie lieb haben sie das Buch Esther, das so 
fein zu ihrer blutdürstigen, rachgierigen, mörderischen 
Begier und Hoffnung stimmt! Kein blutdürstigeres und 
rachgierigeres Volk hat die Sonne je beschienen, als die 
sich dünken lassen, sie seien darum Gottes, daß sie sollen 
und müssen die Heiden morden und würgen. Und es ist 
auch das vornehmste Stück, das sie von ihrem Messias 
erwarten, er solle die ganze Welt durch ihr Schwert 
ermorden und umbringen. Wie sie denn im Anfang an uns 
Christen in aller Welt wohl erwiesen und noch gerne täten, 
wenn sie es könnten, habens auch oft versucht und darüber 
auf die Schnauze weidlich geschlagen worden sind.
Martin Luther, Von den Juden und ihren Lügen

Das Lutherjahr ist doch erst 2017, wieso also der Verweis auf den Begründer des Protestantismus und seine Lehre über die Juden? Das Evangelische Forum, die evangelische Kirchengemeinde der Friedenskirche und die dort ebenfalls beheimatete katholische Kirche in Kassel laden Sumaya Farhat-Naser, seit 1982 Dozentin für Botanik und Ökologie an der Universität Bierzelt – Entschuldigung (what a mess) Birzeit in Palästina, in das Stadtteilzentrum Vorderer Westen ein. Das Friedensforum freut sich, ob dieser Schützenhilfe der in dieser Angelegenheit vereinigten Kirchen.

Zäumen wir das Pferd von hinten auf. Wie eine Zwingburg thront der Vordere Westen über dem Rest der Stadt, den die Bewohner dieser Mops-, Mac-Donaldsfreien und einer Zone mit vergleichsweise wenig Migranten, meist nur zum Arbeiten in Behörden und zum Goutieren der Produkte kulturindustrieller Institutionen oder anlässlich des Ostermarsches und der Anti-TTIP Demonstration aufsuchen. Diese gleichen den Strafexpeditionen eines Drusus oder Germanicus: Man marschiert ins Land der Barbaren um ihnen zu zeigen, wer das Sagen hat, guckt sich die drei bösen M eine Weile mit angenehmen Gruseln oder multikulturellem Wohlgefallen an und geht dann wieder nach Hause.

Am Eingang der Zwingburg, an der Straßenbahnhaltestelle Annastraße, war jahrelang das Graffiti „Tsunami US Bomb – Tsunami Israeli Bomb“ zu lesen, gleichsam als Warnung, dass, wie Pur einst gesungen hat, der Eintritt in diesen Stadtteil den Verstand kostet, oder entsprechend des Eingangs zu Dantes Inferno: Ihr, die ihr eintretet, lasst alle Hoffnung fahren.

Sogar Bomber Harris hatte die Hoffnung, die Bewohner dieses Stadtteils zur Vernunft bomben zu können, fahren lassen, deswegen blieb die wilhelminische Bausubstanz 1943 weitgehend erhalten. Wäre die Besatzung der Zwingburg zu dem Maß an Selbstreflektion fähig, dem es bedarf, um Ironie empfinden zu können, so wäre es wohl ironisch zu nennen, dass der Stadtteil, der vor 1945 den überzeugtesten Nazis und heutzutage den überzeugtesten Antizionisten eine Heimat bot bzw. bietet, seine Existenz einem leibhaftigen jüdischen „Immobilienspekulanten“, nämlich Sigmund Aschrott verdankt.

Wer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Stadtteil für das gehobene bürgerliche Publikum aus dem Boden stampfen wollte, musste für entsprechende Kirchen sorgen, denn der Protestantismus galt nach Kulturkampf und Sozialistengesetz dem damaligen nationalliberalen Bildungsbürgertum als eine Art Staatsshintoismus, also als ein Religionssurrogat, an das zwar niemand wirklich glaubte, das aber Loyalität gegenüber Staat und herrschender Gesellschaftsordnung bekundete. (In anschaulicher Weise dokumentiert dies der Film Das Weisse Band.) Nachdem also Katholiken und gottloses Sozialistengezücht auf ihre Plätze verwiesen waren, lag es nahe, sich als nächstes der Juden anzunehmen. Der 3. Antisemitenkongress in der Kasseler Stadthalle war zwar eine eher klägliche, denn eine machtvolle Demonstration, gleichwohl nistete sich der Antisemitismus in Nordhessen als fester Bestandteil politischer Kultur ein. Die Wahlergebnisse der antisemitischen Parteien waren gut, Abgeordnete aus der Region waren im Reichstag vertreten und in der Weimarer Republik erzielte die NSDAP gute Wahlergebnisse in Kassel. Der Vorderer Westen war Wohn- und Wirkungsort des Politgangster Roland Freislers und seiner Anhänger. Die Kasseler Synagoge wurde in eigener Initiative der Volksgenossen zwei Tage früher als im restlichen Reichsgebiet verwüstet. Die von den Nazis angeführte deutsche Revolution führte das zu Ende, von dem die deutschen Antisemiten seit Beginn des 19. Jahrhunderts träumten und so wurden auch die Kasseler Juden in den sicheren Tod deportiert. Nicht wenige von ihnen wohnten im Vorderen Westen – fast keine/r von ihnen kehrte zurück. 

Springen wir in die Gegenwart: Heute übt man sich in der Ökumene, besonders dann, wenn es darum geht, Vertreter des Heldenvolkes von heute als „Friedensarbeiter“ zu ehren. Diese Heldenverehrung, der mit dieser komplementär sich äußernde Hass auf Israel und der Antiamerikanismus sind das letzte, was das im Vorderen Westen versammelte Milieu noch zusammenhält, denn vom protestantischen Glauben ist so wenig übrig*, dass der protestantische Habitus von dem eines Anhängers Blavatskis oder eines Willi Dickhuts nicht mehr zu unterscheiden ist, gleichsam als ob es keinen Unterschied mehr macht, ob an einen abstrakten Gott in jüdisch christlicher Tradition geglaubt wird, an einen Rentner aus dem Ruhrgebiet oder an Ur-Arier aus Atlantis.

Auch mit der protestantischen Ethik im Sinne eines Max Webers ist es nicht mehr weit her, denn durch Disziplin und andere Sekundärtugenden Kapital zu akkumulieren, ist für diejenigen, welche ein „Projekt“ betreuen und letzten Endes ökonomisch ebenso überflüssig weil von halb staatlicher, halb bandenförmiger Subvention abhängig, wie nur irgendein Hartz IV-Empfänger, ebenso unmöglich wie sinnlos. Askese ist hier nur noch Selbstquälerei, um auf jene hinab schauen zu können, die ihre Zeit vor dem Flachbildfernseher totschlagen und nicht mit Einradunterricht, Eurythmiestunden oder bei Volkstumskitsch, Kaffee und Kuchen in mediterranem Flair, antizionistische Propaganda sich zu Gemüte führen, sich in der vormals noch im Arbeiterviertel beheimateten „Volksbibliothek“ mit ausgesuchtem Werken über die „Zärtlichkeit der Völker“ oder entsprechenden Vorträgen das Hirn zu vernebeln. Als in Stein gewandelte Form, des oben genannten Spruchs, wacht nun heute ein Café, das sich Buch-Oase nennt, und besser Café Jihad heißen möge, darüber, dass der Verstand an der Pforte zum Stadtteil abgegeben wird.

So führt man in den Gebäuden, die das einstige Bürgertum hinterlassen hat, ein schattenhaftes Dasein wie Geister in einem Spukschloss, schenkt sich nichts zu Weihnachten, ist lactoseintolerant, schaut Tatort und die Anstalt und redet über schlechten Sex wie die Figuren in einem Updike-Roman oder einem Film von Ingmar Bergmann, ohne verstehen zu wollen und können, dass diese Künstler ihr Werk als Kritik an den postbürgerlichen Zuständen verstanden und nicht als Gebrauchsanweisung zur Nachahmung haben.

Aber immer wenn es um den großen und den kleinen Satan geht, erwachen die Geister zum Leben, gar zur Raserei. Passender Weise gibt es mit Sumaya Farhat-Naser ein Bindeglied zwischen deutschem Protestantismus, katholischem Pax-Christi-Betschwester- und -brüder-Habitus, sowie Berufspalästinensertum, nämlich eine von deutschen Diakonissen im Mädcheninternat Talitha Kumi als Vandani Shiva-Klon herangezüchtete promovierte Ökologin und „Friedensvermittlerin“, welche laut Wikipedia bekannt ist „für ihre klaren Meinungsäußerungen gegenüber den Medien und, insbesondere, für ihre verschiedenen Projekte, in denen sie Frauen motiviert, eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes herbeizuführen“. Sie ist außerdem Autorin von Büchern wie Thymian und Steine. Eine palästinensische Lebensgeschichte; Verwurzelt im Land der Olivenbäume. Eine Palästinenserin im Streit für den Frieden, Disteln im Weinberg. Tagebuch aus Palästina und Im Schatten des Feigenbaums heißen, so was verspricht, was der Anhänger des Volkstumskampfes erwartet, viel Tümelei und verwurzeltes Volk. So wie Farhat-Naser also über ihr eigenes Volk Bescheid weiß, so weiß sie Schauergeschichten über das andere wurzellose zu berichten: „In Sachen Gewalt steht Israel an erster Stelle in der Welt. Auf der Straße schlagen sich die Leute. Und wie oft im Bus. Sie schlagen sich, weil der eine vor dem anderen auf den Sitz will. Um Parkplätze, das ist bekannt in Israel: viele erschießen sich gegenseitig wegen einem Parkplatz.“ (Mädchen steh auf) Zum Glück gibt es unsere o.g. friedfertige Vertreterin und ihr Volk, die ja bekanntlich das genaue Gegenteil verkörpern, weswegen sie von den Kirche ja auch eingeladen wird.

Wie sieht nun die gewaltfreie Kommunikation, die Überwindung religiöser und interkultureller Schranken durch Integration, Kennenlernen, Anerkennung und Gemeinsamkeit der Frau Dr. Dr. Farhat-Naser in der Praxis aus? Hierüber gibt die kurze Zusammenfassung eines Auftritts der Doppeldoktorin im Gymnasium bei St. Stephan Auskunft, verfasst von Abt Theodor Hausmann**.

Schuld am Judenmord ist also nach dieser Lesart nicht etwa die Flut antisemitischer Propaganda, der palästinensische Jugendliche durch Medien, Schule, Universität etc. ausgesetzt sind, sondern die „Perspektivlosigkeit“, die ja schon 1991 die armen Ossis dazu trieb, aus Mangel an Tischtennisplatten, Flüchtlingsunterkünfte und Wohnungen von Asylbewerbern anzuzünden, oder 1930 folgende folgende Antrieb des deutschen Proletariats war, anstatt zur revolutionären Tat, dem Führer und der SA mitsamt des verlotterten Kleinbürgertums zur Formierung der Volksgemeinschaft zu folgen, um dann ein für alle mal zur deutschen Revolution, sprich zum Judenmord, zu schreiten.

Auch an der Verfolgung der Christen in islamisch dominierten Ländern sei letzten Endes nicht der Islam schuld, sondern die bösen Juden und die mit Ihnen verbündeten evangelikalen Christen: „Die Verheißung des Landes gelte eben nicht nur den Juden als erstem Gottesvolk, sondern diese Zusage gelte auch Christen und Muslimen als Kindern Abrahams. Sie kritisierte, dass sich evangelikale Christen aus den USA in Israel anmaßten, die „christliche Stimme“ zu sein und den Landraub an den Palästinensern als Vollzug des göttlichen Willens darstellten. Dies missachte die im Land seit der Zeit Jesu anwesenden Christen der orientalischen Kirchen und schüre Ablehnung und Hass der Muslime, die dann genau Angehörige dieser Kirchen träfen.“ Moslems sind somit keine denkenden Menschen, die Verantwortung für ihr Tun tragen, sondern Reiz-Reaktions Automaten; Schuld ist immer der Jude. Bei so viel Integration, Kennenlernen Anerkennung und Gemeinsamkeit kann ja nichts mehr schief gehen. (jh / jd)

* dies gilt wohlgemerkt für die offiziellen Staatskirchen. Das evangelikale Milieu ist ein Ding für sich, häufig „israelsolidarisch“, wenn auch aus Gründen, die meist wenig mit Aufklärung und Vernunft zu tun haben. Immerhin ist der evangelikale Protestantismus angelsächsischer Prägung als Relikt der Renaissance und frühbürgerlichen Revolution anzuerkennen, dem das Versprechen anhaftet, das die unmittelbare Beziehung zu Gott ohne Dazwischenschaltung kirchlicher Hierarchien nicht nur barbarischen Verzicht auf Vermittlung, sondern auch Befreiung von grausamer und ungerechter Autorität bedeuten kann.

** auch der Katholizismus ist gegen antizionistische Tendenzen und Antisemitismus keineswegs immun, handelt aber, im Gegensatz zum deutschen Protestantismus nicht aus reinem Wahn, sondern mit einem realen machtpolitischen Interesse, weil bestimmte Bevölkerungsgruppen im Nahen Osten und die ihnen angeschlossenen Parteien und Milizen dem Vatikan verbunden sind.

 

 

Antisemitismus, die unerwünschte Meinung der Schmuddelpolitiker

Offener Judenhass, unverklausulierte Projektionen auf den Zentralrat der Juden als das, das deutsche Volk eigentlich beherrschende Organ, die Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust, skurrile Verschwörungstheorien, der offen terroristische Jihad, all das sind Formen des Antisemitismus, die in Deutschland gesellschaftlich nicht erwünscht sind, ggf. sanktioniert werden oder auf einhellige Ablehnung stoßen. Das ist gut so, das ist eine zu begrüßende Konsequenz aus einem Gott sei dank verlorenen Krieg. Einem Krieg in dem sich die deutsche Volksgemeinschaft anschickte, die Welt in den Abgrund zu stürzen und die Juden in Europa auszurotten. Der teuer erkaufte Sieg der Alliierten sorgt bis heute für eine gewisse zivilisatorisch wirkende Disziplinierung der postnazistischen Gesellschaft. Diese hält den Deckel über einen braunen Urgrund, in dem das Unterbewusstsein der deutschen Volksseele fortwest und gelegentlich in Rülpsern alternder Dichter, unterbelichteter Provinzpolitiker, ehemaliger Maoisten und anderer unbotmäßiger Zeitgenossen zum Ausdruck kommt.

AfD beschädigt

Die Sorgen der HNA am 27.07.16: Eine beschädigte Partei

Zuletzt der bramarbasierende AfD-Politiker Gottfried Klasen aus dem Kasseler Landkreis. Dieser offenbar an geminderter Intelligenz leidende Lokalpolitiker posaunte offen seine antijüdischen Ressentiments und Meinungen in das soziale Netzwerk hinaus. Nordhessische Journalisten griffen dies auf und brachten diese Bemerkungen an die breite Öffentlichkeit. (FR, 22.07.2016: Hessischer AfD-Politiker hetzt gegen Juden) Von FDP, CDU, SPD über die Grünen bis hin zu den Linken (ausgerechnet diese!), alle distanzierten sich von dieser, wie es die HNA so vortrefflich formuliert, „Judenhetze“.

Ähnlich erging es dem Admin der DITIB in Melsungen. Als seine Lehren aus dem Koran ins Deutsche übersetzt wurden und nicht nur die Gemeinde türkischer Muslime verstand, was da zu lesen war, war er nur noch ein Einzeltäter, der Thesen über die Juden ins Netz stellte, von dem sich dann fleißig distanziert wurde.

Antisemitismus unerwünscht! Prima! Roland Freisler und der zwei Tage früher begangene Judenpogrom stehen offensichtlich nicht mehr für das Kassel von heute. Ist nun alles gut?

Nicht immer steht die Einheitsfront der Empörten, deren Empörung mehr über diese selbst aussagt als über die Bedeutung dessen, worüber sie sich empören. Zumindest die HNA und die CDU empörten sich noch über die wiederholten Umtriebe der ebenfalls von keinem gemochten Salafisten in Kassel. Aber hier stießen sie schon auf das Mauern derjenigen, die im Islam lieber einen Partner des Dialoges, als eine zu bekämpfende Ideologie sehen. (Salafisten – Eine Anfrage – Keine Antworten)

Was ist aber mit den Freunden des Irans in der Kasseler Industrie- und Handwerkskammer? Freunde guter Wirtschaftsbeziehungen zu einem Land, dass Israel mit der Vernichtung droht und natürlich auch mit dem aus dem Handel erwirtschafteten Gewinn, nahezu ungehindert von der deutschen Politik, sein dafür notwendiges Atomprogramm fortsetzt.

Was ist mit den Freunden des interreligiösen Dialogs in Kassel? Unter der Schirmherrschaft des Kasseler Oberbürgermeisters trifft sich der Rat der Religionen, mit am Tisch sitzen die DITIB (die Claquere der antisemitischen und islamistischen AKP) und die Milli Görüs (IGMG). Die Milli Görüs, die 2009 eine antiisraelische Hassdemo tatkräftig unterstützte, bei der es zu antisemitischen Ausschreitungen kam.

rat der religionen

Im Rat der Religionen gibt es u.a. sunnitische Gemeinden und Verbände aus Kassel als Mitglieder. Schaut man näher hin, so finden sich dort nicht nur die DITIB gleich in dreifacher Ausfertigung, sondern auch die schamvoll abgekürzte IGMG.

Was ist mit der GEW, einer Einzelgewerkschaft des DGB, eine Interessenvertretungsorganisation von Lehrern (!), die jedes Jahr eine von einem Israelhasser geführte „Bildungsreise“ für Lehrer durchführt? (Israelhass – Ein Bildungsangebot der GEW)

Was ist mit dem DGB, der es nicht fertig bringt, klar und deutlich Stellung gegen Aufrufe zu beziehen, die zum 1. Mai zur Vernichtung Israels aufrufen und sich nicht dazu durchringt, diese Figuren von seinen Demonstrationen und Festen zu verbannen? (Der DGB ist übrigens einer der Unterstützer der Informationsstelle Antisemitismus in Kassel, die fleißig Hakenkreuze in Kassel aufspürt.)

Was ist mit dem auf dem Portal der Stadt Kassel gepriesenen Stolperstein in Kassel e.V., der zwar alles für den Ruf der Stadt tut, indem er der toten Juden gedenkt, dessen Vorsitzender aber gegen Israel demonstriert hat und der bis heute keine Stellung zur antisemitischen Rede eines seiner Mitglieder genommen hat? (Verschiedene Beiträge zu diesem Thema finden sich hier: Stolpersteine)

Was ist von einer Universität zu halten, die zwar eine Franz-Rosenweig-Professur unterhält, die „zur Vergegenwärtigung der durch den Nationalsozialismus zerstörten Kultur des europäischen Judentums und der Auseinandersetzung mit der jüdischen Gegenwart“ dienen soll, aber einen standhaften Antizionisten als Gastprofessor einlädt?

Was ist mit dem Bündnis gegen Rechts, dass bei jedem popeligen Naziaufmarsch versucht, die Stadt dazu zu mobilisieren, Gesicht zu zeigen, wachsam und bunt zu sein, das jedoch Hardcore-Antizionisten und Stalinisten in den eigenen Reihen duldet, beim Aufmarsch der Antisemiten im Jahre 2014 nicht gesehen ward und zum Salafismus eisern schweigt?

Was ist mit einer Partei wie die SPD, die z.B. mit Dr. Rabani Alekuzei immer noch Leute als Vertreter der Partei in die Parlamente entsendet, die zum jährlichen Ostermarsch aufrufen, dort gelegentlich auch reden, um Israel als den Gefährder des Weltfriedens anzuprangern und den Jihad als eine Widerstandsform unterdrückter Völker zu erklären?

Was ist von einer CDU zu halten, die aus Gründen der Opportunität einen Ortsvorsteher wählt, der einer ultrastalinistischen Partei angehört, die auch ganz offen gegen Israel agitiert?

Was ist – trotz einiger hinsichtlich Israelberichterstattung erfreulicher Lichtblicke – von einer Lokalzeitung zu halten, die Meldungen über terroristische Attentate in Israel in der Regel mit „Palästinenser getötet“ überschreibt?

Was ist von einer Stadt zu halten die auf ihrem Portal über das sogenannte Ehrenmal für die Opfer des Faschismus verkündet, dass auch Soldaten und Bombenopfer Opfer des Faschismus seien, „Vernichtete“ sind? Wo behauptet wird, dass denen zu vergeben sei, „die sich von dem ‚Glanz‘ der Nationalsozialisten haben leiten lassen“ und wo mit der faustdicken Lüge aufgewartet wird, viele hätten „erst ‚Erkenntnis‘ erlangt, nachdem der Zweite Weltkrieg beendet war und ihnen die Wahrheit deutlich vor Augen geführt wurde.“

Was ist von einer alternativen Szene zu halten, die jedes Jahr einen Blut-und-Boden-Tag in der Stadt veranstaltet, an dem von Initiativen gegen Handystrahlung bis hin zur Verkäufer*in von Selbstgestricktem alles vertreten ist, was den Verstand an der Biegung des Fulda begraben hat. An der Fulda, an der mit dem Segen der Stadt jeden Sommer der Atombombentag gefeiert wird, um an die Schrecknisse des 2. Weltkrieges zu erinnern – die vom bösen Ami begangen wurden?

Ja all das, Kumpanei mit den schlimmsten Antisemiten, sogenannte Israelkritik, Geschichtsrevisionismus usw. (die schon viel zu lang geratene Reihe ließe sich noch weiter fortsetzten) wird von der sogenannten Meinungsfreiheit gedeckt, das scheint auch so gut zu sein! Genauso gut wie der Umstand es zu sein scheint, dass dem offen antisemitischen Wahn im Sinne des Streites der Meinungen entgegengetreten wird, warum eigentlich? Um – wie es die DIG-Kassel sagt, sich darum zu sorgen, dass der Ruf des Parlaments nicht beschädigt wird, oder sich dem aussichtslosen Unterfangen zu widmen, den Antisemiten davon zu überzeugen, dass er eine unvollständige Meinung hat oder eine falsche Meinung vertritt?

Oder nicht vielleicht doch deswegen, um sich der richtigen Gesinnung zu vergewissern, weil man eine böse Ahnung davon hat, dass es nicht so weit her ist, mit der eigenen guten Gesinnung oder mit einer klaren Haltung der sog. Zivilgesellschaft in Sachen Antisemitismus? Man wird den Eindruck nicht los, dass desto lauter die aufrechten Mahner und Erinnerer, die Freunde des Dialoges und der Versöhnung, die Friedensfreunde und „Freunde“ Israels, die Engagierten und Vertreter der richtigen Gesinnung, die Streiter für den guten Ruf der Stadt über die schmuddeligen Volksgenossen sich erregen, je tiefer sie in den Abgrund ihres eigenen Meinens blicken oder in den, der sich angesichts der Zivilgesellschaft so auftut, wenn sie mal wieder sich gewahr wird, dass es ein Volk ist und nicht das Individuum und die Grundlagen der Zivilisation, die es zu verteidigen gilt.

Die AfD ist keine harmlose Partei, sie zieht Quartalsirre an wie das Licht die Motten. In Polen und in Ungarn bekommt man einen Anschauungsunterricht, was es heißt, wenn solche Kräfte an der Macht beteiligt werden. Die viel gelobte Zivilgesellschaft ist jedoch keine Gewähr dafür, dass wir vor solchen Prozessen verschont bleiben – die Zivilgesellschaft bildet nur das Hintergrundrauschen, solcher Rülpser, die jetzt zu vernehmen waren. (jd)