8. Mai 1945 Zerschlagung des deutschen Nationalsozialismus

Thank You!  спасибо!  Merci!

Der 8. und 9. Mai sind die Tage der Kapitulation der Deutschen Truppen im 2. Weltkrieg. An diesen beiden Tagen wurde ein in der Geschichte einmaliger Raub- und Vernichtungskrieg beendet, der mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Tschechoslowakei am 15. März 1939 begann und seinen Höhepunkt im Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion fand. Ein Feldzug, der das Ziel hatte, Osteuropa bis zum Ural der direkten deutschen Herrschaft zu unterwerfen und Westeuropa unter deutscher Vorherrschaft zu einen. Die in Osteuropa ansässige Bevölkerung sollte dezimiert und vertrieben werden, der verbliebene Rest als Arbeitssklaven sowohl der deutschen Industrie als auch der Landwirtschaft zugeführt werden. Osteuropäische Industriebetriebe und riesige Agrarflächen sollten deutschen Besitzern übereignet werden. Zentrales Moment der nationalsozialistischen Politik und Kriegsziel war die Auslöschung der europäischen Juden. Diese wahnsinnigen und pathologischen Ziele prägten das Handeln der deutschen Kriegsmaschinerie. Die eroberten Gebiete wurden systematisch ausgeplündert, deutsche Soldaten brachten aus aller Herren Länder Beutegut mit nach Hause, Zwangsarbeiter, landwirtschaftliche Produkte und Industrieprodukte wurden nach Deutschland transportiert, um dort die Produktion und den Konsum aufrecht zu erhalten. Der millionenfache Hungertod in den besetzten und belagerten Großstädten der Sowjetunion, Terror und Massenmord waren bewusste Bestandteile der deutschen Eroberungspolitik in allen besetzten Ländern Europas, Hunger der Bevölkerung die Folge der Ausplünderung dieser Länder. Der Eroberungszug der Wehrmacht, das tadellose Funktionieren der Reichsbahn und der deutschen Bürokratie, das Zuschauen und Mittun der deutschen Bevölkerung machte die systematische Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in ganz Europa erst möglich. Den deutschen Wehrmachteinheiten folgten Polizei und SS-Einheiten, die in regelrechten Menschenjagden bis in die letzten Winkel Europas Juden zusammen trieben, um sie in den Osten zu deportierten und dort – oft in direkter Zusammen-arbeit mit der Wehrmacht – in Massenerschießungen zu ermorden. Eigens zum Zweck ihrer industriellen Tötung wurden die Vernichtungslager Auschwitz, Treblinka, Belzec, Sobibor und Majdanek in Ostpolen errichtet. In Auschwitz wurden auch viele Sinti und Roma und politische Gefangene aus ganz Europa umgebracht.

Von Hitler geführt, von breiten Bevölkerungsteilen unterstützt und von führenden Industriellen finanziert gelang es der NSDAP 1933 mit Unterstützung rechtsgerichteter Parteien im Reichstag eine Mehrheit hinter sich zu vereinen. Reichspräsident Hindenburg ernannte Hitler zum Reichskanzler. Mit dem gegen die Stimmen der SPD (die kommunistischen Abgeordneten waren schon vorher verhaftet worden oder untergetaucht) durchgesetzten Ermächtigungsgesetz und durch offenen Straßenterror unterdrückte die nationalsozialistische Regierung sehr schnell jegliche Opposition. Diese blieb deshalb vereinzelt und isoliert. Die Kommunisten setzten dem NS-Regime anfangs organisierten Widerstand entgegen, aber auch sozialdemokratisch, christlich und humanistisch orientierte Menschen und Gruppen leisteten tapferen Widerstand. Massenhafte Denunziation, brutaler Terror und effektive Polizeiarbeit zerschlugen schnell jeden Widerstand. In den in ganz Deutschland errichteten Konzentrationslagern schmachteten Tausende politische Gegner und viele andere Missliebige wurden gefoltert und umgebracht. Ausgrenzung, Verfolgung, Terror und Mord gegen Juden, Behinderte, Andersdenkende und gesellschaftliche Außenseiter waren Programm der Politik des Nationalsozialismus, bevor dann die systematische Ermordung der Juden nach der Wannseekonferenz in Berlin 1942 begann. „Ruhe und Ordnung“, Antisemitismus, die Ideologie der Volksgemeinschaft, die Formulierung weitgesteckter Eroberungsabsichten und der bis 1941 erfolgreiche Eroberungsfeldzug trugen dazu bei, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung sich hinter das nationalsozialistische Regime und seine Politik stellte und der Widerstand in Deutschland isoliert blieb.

Das nationalsozialistische Regime musste von Außen zerschlagen werden. Bewaffneter Widerstand organisierte sich in fast allen besetzten Nationen, allen voran in Jugoslawien und Polen, in den besetzten sowjetischen Gebieten, Griechenland, Frankreich, der Tschechoslowakei und in Norwegen. In Dänemark widersetzte sich die Bevölkerung dem antisemitischen Mordprogramm, die Holländer versuchten mit einem Generalstreik, die Deportation der Juden zu unterbinden und es gab kleine bewaffnete Kommandoaktionen gegen die Besatzer, in Belgien gab es zahlreiche Sabotageakte gegen die Deportation der Juden und andere Untergrundaktionen. Viele Juden beteiligten sich, als Soldaten in allen alliierten Armeen und als Partisanen aktiv an den gefährlichen Kämpfen gegen die faschistischen Besatzer. Viele emigrierte deutsche Juden kehrten kämpfend als Soldaten der alliierten Truppen nach Deutschland zurück.

Die Hauptlast des Krieges zur Zerschlagung des deutschen Nationalsozialismus und Befreiung Europas trug die Rote Armee. Die bis nach Moskau, Stalingrad und Leningrad vorgedrungenen deutschen Eroberer wurden von der Roten Armee unter größten Opfern aus der Sowjetunion, dann auch aus den anderen osteuropäischen Staaten vertrieben. Die sowjetischen Truppen erfuhren militärische Unterstützung zunächst durch die alliierten Luftangriffe auf Deutschland und durch umfangreiche Materiallieferungen vor allem aus den USA. Im Sommer 1944 landeten alliierte Truppen in Frankreich und vertrieben die deutschen Besatzer aus Frankreich und aus den Beneluxstaaten. Nach der schon 1943 erfolgten Landung amerikanischer und britischer Truppen in Sizilien entledigte sich das italienische Volk selbst der faschistischen Mussolini-Diktatur. Viele Italiener reihten sich ein in den antifaschistischen Kampf gegen die brutal vorgehenden deutschen Besatzungstruppen. Vergleichbare Aktionen gab es in Deutschland nicht. In Deutschland stellte sich das Volk teils in apathischer Ergebenheit teils in fanatischer Hingabe bis zuletzt hinter das nationalsozialistische Regime. Die alliierten Truppen mussten in oft äußerst erbitterten Kämpfen fast das ganze Reichsgebiet besetzen, bis organisierter Kampf faktisch nicht mehr möglich war.

Deutschland wird nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung, sondern als ein besiegter Feindstaat. (Direktive des Joint Chiefs of Staff 1067)

Es waren die alliierten Truppen, die dem systematischen Judenmord ein Ende setzten.

Es waren die alliierten Truppen, die das bis in die letzten Tage anhaltende Morden in den Vernichtungslagern, Konzentrationslagern, in den Gestapogefängnissen und in den Zuchthäusern beendeten.

Es waren die alliierten Truppen, die die wenigen überlebenden Juden, Millionen von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen und einige Tausend deutsche Nazigegner aus den Kerkern und Lagern befreiten.

Es waren die alliierten Truppen, die die nationalsozialistischen Politiker in Stadt und Provinz aus ihren Ämtern vertrieben, einige auch einkerkerten und dem Galgen überantworteten.

Es waren die alliierten Truppen, die den überwinternden und emigrierten Demokraten nach und nach den demokratischen Neuanfang in Deutschland ermöglichten.

(Der Text ist eine mehrfach überarbeitete Version eines zuerst 2005 erschienenen Flugblatts.)

Werbung

Die Tränen der Volksgenossen und die Lautsprecher der Volksgemeinschaft unseligen Angedenkens

Im Folgenden veröffentlichen wir eine Kritik zur Erinnerungskampagne im Rahmen der sogenannten Kasseler Bombennacht. Sie lesen im folgenden eine gekürzte Variante. Die ausführlichere Version kann hier als PDF gelesen werden: Die Tränen der Volksgenossen und die Lautsprecher der Volksgemeinschaft (Langfassung)

Die Besatzung eines Lancaster Bombers. Mit diesen Bombern griff die Royal Air Force Kassel 1943 an. Etwa 40 von ihnen wurden mit ihren Besatzungen abgeschossen. Foto: Air Force Museum of New Zealand.

Kassel war, wie andere deutsche Städte, mehrfach Ziel alliierter Bombenangriffe. Das Datum der gründlichsten Bombardierung Kassels jährt sich in diesem Jahr zum 75. Mal. Dies ist Anlass für eine von der HNA vorangetriebene Erinnerungsoffensive. In der HNA widmet man sich seit geraumer Zeit in regelmäßigen Abständen und in dichter werdender Folge diesem Thema mit ganzseitigen Ausführungen. Auf der Internetseite der Zeitung gibt es sogar eine eigenständige Rubrik zum Thema. Darüber hinaus hat der ehemalige Redakteur der HNA Horst Seidenfaden hat zusammen mit Harry Soremski (Extra-Tip) einen aufgeplusterten Band über die Erinnerungen der vom Bombenangriff betroffenen Kasseler herausgebracht. Der HNA-Journalist Thomas Siemon zog ein paar Monate später mit einem kleineren Bändchen nach. In beiden Bänden kommen sogenannte Zeitzeugen zu Wort. Seidenfaden und Soremski fügen noch weitergehende Ausführungen bei, die zur historischen und politischen Einordnung der Berichte ihrer „Zeitzeugen“ und des Angriffs auf Kassel aber buchstäblich nichts beitragen. Die Berichte der „Zeitzeugen“ drücken par excellence das aus, was den nach Deutschland einmarschierenden Alliierten unangenehm auffiel, als sie 1945 auf die Deutschen trafen: Empathielosigkeit, Selbstbezogenheit, Sentimentalität, Selbstviktimisierung und die Leugnung Nazi gewesen zu sein. Die Chronisten des Angriffs auf Kassel kommen so gut wie ohne Bezug zum Nationalsozialismus aus, kennen keine Nazis, sondern nur noch Opfer und sind zu Tränen gerührt. „Trümmer, Tod und Tränen“ heißt der eine, „Diese Tränen trocknen nie …“ der andere Band.

Die Luftangriffe auf Deutschland waren – von 1940, dem Fall Frankreichs bis 1943, der Landung der Alliierten in Sizilien – abgesehen von der „Atlantikschlacht“ und einigen Nebenkriegsschauplätzen die einzige Möglichkeit der Westalliierten direkt militärisch gegen Nazideutschland vorzugehen. Der Luftkrieg wurde gegen eine Nation geführt, die die Volksgemeinschaft nicht nur propagierte sondern auch formierte und die den totalen Krieg ausgerufen hatte, den sie bis zum 8. Mai 1945 unerbittlich führte. Entgegen immer wieder kolportierten Behauptungen, der Luftkrieg sei gegen eine unbewaffnete und wehrlose Bevölkerung geführt worden, fügten die deutsche Luftwaffe und Flugabwehr den Alliierten schwerste Verluste zu. Mehr als 100.000 alliierte Bomberbesatzungen kamen bei ihren Einsätzen gegen Nazideutschland ums Leben. Die Bomberpiloten zogen einen massiven Beschuss auf sich. Die in großen Mengen im Land aufgestellten Geschütze und die Massen in die Luft geschossene Munition fehlten der Wehrmacht an anderer Stelle. Auch dies war letztendlich ein Beitrag, der zum Erfolg der alliierten Bodenoperationen beitrug. Der Luftkrieg war als Bestandteil des notwendigen Krieges gegen Nazideutschland bis zur Kapitulation eine notwendige, richtige und letztendlich auch effektive Maßnahme.

In beiden Büchern geht es hauptsächlich darum „Zeitzeugen“ zu präsentieren. Sie sprechen zu lassen suggeriert nicht nur Authentizität, sie stellen rundweg die Stimmen der damaligen Volksgemeinschaft dar. Die ungefilterte und unkommentierte, häufig auf Emotionen setzende Reproduktion dieser Stimmen sind der Grundtenor sowohl Seidenfadens und Soremskis als auch des kleineren Bändchens Siemons. An zwei Stellen werden in Seidenfadens und Soremskis Buch Juden erwähnt. Ein Onkel einer „Zeitzeugin“ war mit einer Jüdin verheiratet. Der Onkel und seine jüdische Frau starben beim Angriff. Der Tod einer (sic!) Jüdin wird also in einem Buch erwähnt, das sich dem Jahr 1943 widmet. Die „Täter“ sind britische Bomber. Ein Inhaber einer Druckerei, die 1933, „als die Nazis in Deutschland die Macht übernahmen“, geschlossen wurde, weil Juden zu seinen Kunden gehörten, ist die zweite Stelle, an der erwähnt wird, dass es Juden in Kassel gab. Und es ist die einzige Stelle, an der das Jahr 1933 erwähnt wird. Dass es in Kassel vor 1933 ca. zweitausend Juden gab und 1943 keine mehr, das fällt unter den Tisch. Keiner der „Zeitzeugen“ erinnert sich daran, dass es Juden in der Stadt gab, dass antisemitische Propaganda den Alltag beherrschte, dass mit der Reichspogromnacht auch in Kassel 1938 ein Zeichen gesetzt wurde, dass spätestens jetzt alles anders als zuvor war. Keiner erinnert sich daran, dass die letzten Kasseler Juden 1942 vor aller Augen durch die Stadt zum Bahnhof auf eine „Reise“ geschickt wurden, von der sie nie wieder kamen. Antisemitismus als Bestandteil der Politik der Formierung der Volksgemeinschaft wurde von den „Zeitzeugen“ nicht als Schrecken wahrgenommen, sie gehörte zur Normalität.

Hitler war 1943 seit zehn Jahren an der Macht. In Kassel jedoch war bis 1943 die Welt, so wie es beiden Erinnerungsbänden zu entnehmen ist, in Ordnung. Seidenfaden und Soremski beginnen ihr Buch mit dieser Überschrift: „Es war ein wunderschöner Herbsttag, der Himmel war wolkenlos …“. Ein entsprechendes idyllisch gehaltenes Bild von Spaziergängern an der Schönen Aussicht soll diesen Eindruck illustrieren. Die Autoren kommen, wenn sie von Kassel erzählen, aus dem Schwärmen nicht heraus. „Es war, daran erinnern sich noch heute alle Überlebenden, ein wunderschöner Herbsttag. Dieser 22. Oktober 1943.“ Seidenfaden und Soremski ergehen sich in der Beschreibung der Stadt vor dem Angriff in Superlativen. Um die Situation vor dem Angriff zu beschreiben, ist es ihnen offensichtlich wichtig zu betonen, dass die Altstadt „wunderschön“ gewesen sei. Sie schreiben von „schönsten und prächtigsten“ Gebäuden, davon, dass die Stadt 1943 „in voller Schönheit“ stand und die Innenstadt Kassels vor „Lebensfreude sprühte“.

Dann „ereilte“ aber „das Grauen“ die Stadt, wie es in der HNA in einer Besprechung am 19.06.2018 heißt und die „vor Lebensfreude sprühende“ Stadt war, als ob es 1933 nie gegeben hätte, „mit einem Schlag“ Geschichte. Über den „Alltag mit seinen normalen Abläufen und Routinen“ brachen eine Katastrophe und eine Tragödie herein. Seidenfaden und Soremski lassen nicht unerwähnt, dass Kassel ein wichtiges Zentrum der Rüstungsindustrie und deswegen Ziel britischer Angriffe war. Wenn es um den Zusammenhang des Angriffs und die Rolle Kassels als Rüstungsstandort geht, kommen die Autoren nicht über floskelhafte Plattitüden hinaus. Welche Rolle die Stadt und die Bevölkerung in der Nazizeit spielten, wird ganz weggelassen. So heißt es seltsam unbestimmt, „man produzierte Militärfahrzeuge“. Wer dieses man war, wozu hier Rüstungsgüter produziert wurden, wird nicht weiter ausgeführt. Der HNA-Journalist Siemon führt in einem (in Zahlen 1) Satz im Vorwort seines Bombenbändchens aus, dass der Auslöser der Zerstörung der deutsche Angriffskrieg und die Luftangriffe auf London waren. Näher wird auf Angriffskrieg und deutsche Luftkriegsstrategie auch hier nicht eingegangen.

Um so plötzlicher der Luftangriff. „Die Mutter hatte am Nachmittag im Ufa-Filmtheater noch den Film ‚Münchhausen‘ mit Hans Albers gesehen. Und dann der Angriff.“ Die britischen Flieger läuteten die „Todesstunde“ der Stadt Kassel ein und auf 1.000 Jahre Geschichte folgte der 22. Oktober 1943, „die Nacht, in der Kassel starb […]“. Seitenlang liest man in beiden Büchern dann Geschichten über die in Kellern erstickten Opfer, von Leichenbergen, die wiederholt abgebildet werden, es wird von verkohlten Leichen erzählt, von brennenden Menschen, von Ruinen, vom Pfeifen und Krachen der Bomben, von im Stakkato auf die Altstadt prasselnden Bomben, von heißen Feuern in der Innenstadt, von Phosphor, von Flächenbränden, Druckwellen, Sogwirkung, von Trümmern und verwüsteten Straßenzügen. Kurz: Es wird ein Inferno beschrieben, das der massive Angriff für die Bewohner Kassels bedeutete. Dass Kriegshandlungen gegen einen hochgerüsteten, zutiefst amoralischen und zu allem entschlossenen Feind jedoch voller Gewalt sein müssen, das fällt bei dieser Betrachtung notwendig unter den Tisch. Die Erinnerungsbände sind so konzipiert, dass das Inferno für sich sprechen und Betroffenheit auslösen soll.

Auffällig ist, dass im „Alltag und seinen normalen Abläufen“ der Nationalsozialismus wenn überhaupt, dann nur sehr beiläufig vorkommt. Von Nationalsozialismus und Nazis ist bei den „Zeitzeugen“ keine Rede. Die „Zeitzeugen“ oder ihre Angehörigen waren, so wie es viele Deutschen nach 1945 behaupteten, keine Nazis. Sie waren Luftwaffenhelfer, Flakhelfer, Soldaten der Wehrmacht auf Fronturlaub oder „irgendwo in Frankreich“, sie waren als Soldaten mit Aktensichtung beschäftigt, oder mit Helfen beim Aufräumen oder Bergen. Andere „machten Kriegseinsatz bei Henschel“, waren Sanitätssoldaten, Wirtsleute, es gab freundschaftliche Nachbarbeziehungen „zum Fleischer, zum Bäcker, zum Inhaber des Zigarrengeschäfts […] bei dem es immer mal was Süßes gab“, es gab Straßenbahner, Wachhabende der Luftschutzwache, einen Lehrling bei Henschel-Flugmotoren und z.B. eine Verkäuferin.

Einmal wird erwähnt, dass „die Jungs der Hitlerjugend und die Mädchen des Bundes Deutscher Mädels“ für die an der Front kämpfenden Soldaten an verschiedener Stelle einspringen mussten. Aber Hitlerjunge oder BDM-Mädel war dann jedoch keiner der „Zeitzeugen“. Man „ehelicht 1939 unter der Fahne […] Und kurz danach, am 29. September, feiert man das 50-jährige Bestehen der Gaststätte.“ Es fällt der Begriff „Kinderlandverschickung“. Ein deutscher Jagdflieger hatte „seinen ersten Einsatz während des Spanischen Bürgerkrieges mit der Legion Condor.“ Über eine „Horst-Wessel-Mittelschule“ gibt es nichts weiter zu sagen außer dem Umstand, dass sie nach dem Angriff zerstört war.

Dann an einer Stelle bekommt man eine Ahnung davon, dass es so etwas wie einen politischen Konflikt in Kassel gegeben haben muss. Es wird Reinhard Henschel, Sprössling der Industriellenfamilie Henschel, zitiert, der in Ankara als Diplomat an der deutschen Botschaft tätig war. Seine Ausführungen über den Generaldirektor der Firma, der mit „Braunhemden“ in Konflikt gerät, werden zitiert. Man erfährt jedoch nichts über den Konflikt im Henschelwerk, weder ob es ihn gegeben hat noch über die Geschichte des Werkes während des Nationalsozialismus. Seidenfaden und Soremski werfen dem ratlosen Leser ein paar Brocken nebulöser Gedanken Henschels hin: „Da kann man lange philosophisch über Gesetz und Recht meditieren, Entscheidung schafft doch letztendlich nur die innere Betroffenheit. […] es war richtig gewesen, den Brief an Churchill zu schreiben.“ Dass Henschel zum erweiterten Umfeld des Widerstandes des 20. Juli gehörte, wird nicht erwähnt. Die sich daraus ergebenden Fragen, „Was für eine Entscheidung?“, „Warum ein Brief an Churchill?“, „Was versteht Henschel unter Recht und Gesetz und in welchem Zusammenhang sinniert er über diese Frage?“ werden nicht aufgegriffen. Der Leser wird ratlos zurückgelassen. Es wird nichts dazu ausgeführt.

Nazis, politische Verfolgung, Bücherverbrennung, Reichspogromnacht, Deportation der jüdischen Bürger Kassels, Judenmord, Raub- und Vernichtungskrieg, alles das scheint es in Kassel nicht gegeben zu haben oder ohne die Kasseler bewerkstelligt worden zu sein. Mit diesem mehr als dürftigen Bezug zum Nationalsozialismus fallen die Chronisten der Bombennacht selbst weit hinter den, den historischen Gegenstand notorisch trivialisierenden allgemeinen Erinnerungsdiskurs in Deutschland zurück. Als state of the art gilt seit Knopp, Neitzel & Co. folgender Satz: Wenn man von Opfern unter den Deutschen spricht, soll man auch von den Opfern der deutschen Täter nicht schweigen.

Es soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, dass es kein zu bedauerndes individuelles Leid auch unter den Individuen der Volksgemeinschaft gab und gibt, auch nicht, dass den Angehörigen der vielen Toten und Überlebenden die individuelle Trauer verwehrt werden soll. In Sachen Nationalsozialismus sollte aber klar sein, dass jede öffentliche Zurschaustellung individuellen Leids der Angehörigen der Täternation zwangsläufig zur grundsätzlich verkehrten Darstellung der Rolle der Volksgemeinschaft als Opfer eines „schrecklichen Krieges“ führt. Die vielen Artikel der HNA zum Thema und die beiden Bände zur „Bombennacht“ führen diese Verkehrung exemplarisch vor. Und wenn man dann auch noch sein Buch theatralisch „Diese Tränen trocknen nie …“ nennt, lässt sich sogar Vorsatz unterstellen. Bei „Trümmer, Tod und Tränen“ ist dies auch nicht besser. Und wie zum Beweis führt ein anderer Journalist der HNA vor, wie der Zusammenhang sich herstellt. Wolfgang Blieffert zitierte am 14.02.2018 in der HNA den in Sachen Nationalsozialismus notorischen Gerhard Hauptmann wie folgt: „Wer das Weinen verlernt hat, der lernt es wieder beim Untergang Dresdens“ und beansprucht dann aber „vorurteilsfrei und sachlich über den Krieg“ zu diskutieren. Aber er plaudert aus, was neben der unübersehbaren Emotionalisierung das Ziel der Kampagne ist: Es ginge um den überfälligen „Prozess der deutschen Selbstversöhnung“. Auf dem Klappentext des Bandes von Seidenfaden und Soremski heißt es, er soll als „Mahnmal für Frieden, Verständigung und Versöhnung“ stehen. Versöhnung angesichts Auschwitz kann jedoch nur obszön sein, Selbstversöhnung auch.

Resumee

Der Klappentext Siemons Bändchens führt aus, sein „Buch [sei eines] von Zeitzeugen für Zeitzeugen und gegen das Vergessen.“ Die „Zeitzeugen“ fungieren hier als der Sprecher der Unwahrheit über den Nationalsozialismus. Sie reden von Normalität, wenn es darum gehen sollte, vom Grauen zu zeugen, an dem sie direkt oder indirekt beteiligt waren und sie reden über das Grauen, als es darum ging, mit notwendiger Gewalt das Grauen zu überwinden. Sie verschweigen also durchweg die Wahrheit des Nationalsozialismus und werden zu Zeugen der Unwahrheit.

Die politische Schlussfolgerung, die aus der sogenannten Bombennacht, bzw. aus dem Bombenkrieg gegen Deutschland zu ziehen ist, ist nicht etwa „Bomber Harris do it again“. Diese Parole hatte als politische Provokation in Zeiten allgemeiner nationaler Besoffenheit im Zuge der deutschen Wiedervereinigung ihre Berechtigung. Sie ist heute, gegen Sachsen gerichtet, angesichts vor allem (aber nicht nur) dort auftretender Nazi-Gruppen, die auf einhellige Ablehnung der bundesrepublikanischen Gesellschaft stoßen, aber nur noch abgeschmackt. Die Schlussfolgerung aus dem Krieg gegen NS-Deutschland, den die Alliierten mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln vortrugen, ist, dass Ideologien und Herrschaftsverhältnissen, wie dem Nationalsozialismus und den Versuchen, seine ihm wesentlichen Ziele zu verfolgen, kompromisslos entgegen getreten werden muss. In der Bundesrepublik tut das mal mehr mal weniger ausreichend die Polizei. Auf internationaler Ebene gegen Regime vorzugehen, die danach trachten, in die Fußstapfen Nazideutschlands zu treten, tut sich allein die Regierung der Vereinigten Staaten hervor.

„So etwas darf sich nie wiederholen“ stellt der Chronist Siemon im Interview seiner Zeitung fest. (HNA, 05.09.2018) Damit treffen sich die Chronisten und „Zeitzeugen“ mit jenen, die zwar auch die Nase über diese beiden Bände rümpfen, die aber der Auffassung sind, der Welt den Frieden erklären zu müssen und die, wenn sie über den Nationalsozialismus reden, das Wort Faschismus in den Mund nehmen. Sie stehen sich näher als sie sich bewusst sind und betreiben das gleiche Geschäft. Sie meinen mit „Nie wieder“ nicht das Fehlen, einer zur schnelleren Niederwerfung Nazideutschlands anwendbaren effektiveren Waffentechnologie, oder das Ende der dreißiger Jahre zulange zögerliche Handeln der Alliierten, Nazideutschland entgegen zu treten. Nein, diese Floskel drückt den klammheimlichen Wunsch nach „Nie wieder Krieg gegen Faschismus“ aus.

(jd)

Unrat der Religionen – Der Kasseler Aufruf zum Märtyrertod

Der Schein der trügt und die Naiven

In Kassel gibt es nicht nur eine DITIB-Gemeinde. Eine davon ist die in Oberzwehren. Dort steht eine „imposante“ (Christine-Brückner-Schule) Moschee. Dieser Moschee stattete eine Klasse der Kasseler Christine-Brückner-Schule einen Besuch ab. Sie traf dort auf einen Imam, der Semih Ögrünc heißt. Der Text der Schule führt weiter aus: „In einem interessanten Vortrag erklärte Semih Ögrünc uns zunächst wesentliche Ansichten und Traditionen des Islam, … und ging anschließend auf die im Vorfeld schon erarbeiteten zahlreiche Fragen der Klasse ein. Geduldig wurden alle Fragen beantwortet, sodass wir hinterher nicht nur schlauer, sondern auch inspiriert und beeindruckt wieder Richtung Schule von dannen zogen.“ Was die inspirierten und beeindruckten Schüler lernten: „Islam bedeutet Frieden.“

islam-bedeutet-frieden

Screenshot von der Webseite der Christine-Brückner-Schule. Unter dem Logo „Islam bedeutet Frieden“ posieren die Schüler hier mit dem Imam.

Das wahre Gesicht: Dunkle Mächte, Vernichtungsabsicht, Märtyrertod und Volksgemeinschaft

Nach dem Putschversuch in der Türkei trat am 17. Juli eben dieser Imam auf dem Königsplatz in Kassel auf und hielt dort eine Predigt. Die Initiative „DITIB Die Marionetten Erdogans*“ hat diese Rede übersetzt. Der Beitrag des Imams begann mit der raunenden Suggestivfrage, „Wer auch immer, welche üble Gewalt auch immer, welche Parallelorganisation auch immer, welche unaufzählbare Macht auch immer daran arbeitet den Zusammenhalt dieser Menschen zu brechen …“ und kommt zur Aufforderung diese Mächte zu vernichten: „… lasse sie uns vernichten und verwahrlosen mein Herr. Amen!“ Seine Rede endete mit dem Aufruf, dass wenn der Herr wieder eine Anordnung gebe, das Leben für das Vaterland zu geben, „dann sind wir mit unseren Geschwistern zusammen bereit Märtyrer zu werden.“ Die Predigt ist hier zu finden: Imam verherrlicht Märtyrertod.

friedliche-demo

Ausschnitt der HNA-Meldung. Auch die HNA sieht eine friedliche Kundgebung – Sie hat dem Imam nicht zugehört.

Deutlich wird in der Predigt die Affinität des politischen Islam zur volksgemeinschaftlichen Ideologie. Der Imam propagiert eine Volksgemeinschaft und sieht in geheimnisvollen Mächten Kräfte, die das Volk spalten. Sie gilt es zu vernichten. Dazu braucht es nach Ansicht des Imams zum Tode bereite Kämpfer. Soviel zur Religion des Friedens.

Partner des interreligiösen Dialoges in Kassel

Die DITIB ist wie die faschistische und antisemitische Milli Görüs Mitglied im Kasseler Rat der Religionen. Der Rat der Religionen der Stadt Kassel, ist unter dem Vorsitz vom Kasseler Oberbürgermeister Bertram Hilgen am 11. Mai 2011 gegründet worden. Im Selbstverständnis des Rates der Religionen ist die Rede davon, dass sich die Beteiligten „für die Förderung des interreligiösen Dialogs und das friedliche, gleichberechtigte Miteinander aller Menschen in Kassel einsetzen.“

rat-der-religionen-10-12-16

Nach wie vor werden als Mitglieder des Kasseler „Rat der Religionen“ 3 DITIB-Gemeinden aufgeführt sowie die Milli Görüs, die sich hinter dem Kürzel „IGMG- Ayasofya Moschee“ verbirgt.

In der Erklärung zum 11. September 2001 wird von diesem Rat ausgeführt, dass „Misstrauen und Vorbehalte bis hin zu Hass gegenüber Andersgläubigen“ nach dem massenmörderischen Attentat verstärkt wurden. Gemeint ist nicht der Hass, der die Attentäter zu ihrer Tat trieb, sondern das gewachsene Misstrauen einer Religion gegenüber, die, wie es oben beschrieben wird, von viel zu vielen immer noch als Religion des Friedens und als Dialogpartner gilt. Es bleibt abzuwarten, ob der Imam wieder nur ein bedauerlicher Einzelfall ist und das Bild vom Islam, der Frieden heißt, wieder aufgerichtet wird. (jd)

* Die hier genannte und an sich lobenswerte Initiative, soll nicht ganz ohne Kritik bleiben. Die Illustrierung Erdogans als großen Strippenzieher hat zwar einen rationalen Kern, weil eben die DITIB tatsächlich dem türkischen staatlichen Präsidium für religiöse Angelegenheiten unterstellt ist, dennoch haben wir es z.B. auch in Kassel mit aktiv handelnden politischen Subjekten zu tun, die sich mit dem Regime und mit den diesem unterstellten Religionsverbänden identifizieren und dafür sorgen, dass diese islamisch-türkisch-nationalistische Ideologie verbreitet wird. Wenn das in der Illustration darauf reduziert wird, dass es eine im Hintergrund agierende Macht gibt, die die willenlosen Puppen tanzen lässt, so weist dieses Bild wiederum eine strukturelle Nähe zur hier kritisierten Rede auf.