75 Jahre Israel

Informationsstand des Bündnis gegen Antisemitismus Kassel am 15. Mai 2023 ab 14:00 Uhr

Veranstaltung mit Alex Feuerherdt am 15. Mai 2023 um 19:00 Uhr im Philipp-Scheidemann-Haus

Vor 75 Jahren, am 14. Mai 1948, wurde der Staat Israel gegründet. Das hat man in Israel und in den jüdischen Gemeinden Deutschlands nach dem jüdischen Kalender in diesem Jahr schon am 25 April gefeiert. Vor dem Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzungen in Israel hat der israelische Präsident an die Erfolge des gemeinsamen Aufbauwerks für ein jüdisches und demokratisches Gemeinwesen erinnert. Uns vom BgA-Kassel geht es darum, am Jahrestag der israelischen Unabhängigkeitserklärung die gesellschaftlichen Hintergründe in unserem Land zu beleuchten, die in den Debatten über den Staat Israel immer wieder zu Tage treten.

Die Gründung des Staates Israel ist Ausdruck der nationalen Selbstbestimmung des jüdischen Volkes. Theodor Herzl schreibt in Der Judenstaat: „Wir sind ein Volk, ein Volk. Wir haben überall ehrlich versucht, in den uns umgebenden Volksgemeinschaften unterzugehen und nur den Glauben der Väter zu bewahren. Man läßt es nicht zu. Vergebens sind wir treue und an manchen Orten sogar überschwengliche Patrioten, vergebens bringen wir dieselben Opfer an Gut und Blut, wie unsere Mitbürger, vergebens bemühen wir uns, den Ruhm unserer Vaterländer in Künsten und Wissenschaften, ihren Reichtum durch Handel und Verkehr zu erhöhen. In unseren Vaterländern, in denen wir ja auch schon seit Jahrhunderten wohnen, werden wir als Fremdlinge ausgeschrien; […] Wir sind ein Volk – der Feind macht uns ohne unseren Willen dazu […]“.

Trotz Jahrzehnte währender Bemühungen der israelischen Regierungen, mit den arabischen Nachbarn einen Ausgleich zu erzielen und eine friedliche Koexistenz zu entwickeln und obwohl Israel von Beginn an und bis heute der einzige demokratische Staat im Nahen Osten ist, wird bis heute der jüdische Staat – insbesondere von den palästinensischen Gruppierungen als Provokation und die nationale Selbstbestimmung der Juden von vielen Moslems nicht nur im Nahen Osten – als Beleidigung und Provokation angesehen. Diese Haltung wird von einer Mehrheit der in der UN Vollversammlung vertretenen Staaten geteilt. Immer wieder wird Israel dort als Beispiel eines aggressiven Apartheidstaats verteufelt und verurteilt. Trotz einer stabilen Demokratie, erwiesener Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, bleibt Israel auch nach 75 Jahren in den Augen eines bedeutenden Teils der Weltöffentlichkeit ein Unstaat, ein „Jude unter den Staaten“.

Auch in Deutschland dient der Staat Israel dem antijüdischen Ressentiment als Projektionsfläche, das uns in regelmäßigen Abständen die immer wiederkehrende Renaissance eines seit 1945 überwunden geglaubten irrationalen antisemitischen Wahns vor Augen führt. Die Gründung des Staates Israel ist die Antwort auf 2000 Jahre Judenhass und auf den in der Moderne fortexistierenden Antisemitismus. „Die Judenfrage besteht. Es wäre töricht, sie zu leugnen. Sie ist ein verschlepptes Stück Mittelalter, mit dem die Kulturvölker auch heute beim besten Willen noch nicht fertig werden konnten.“ (Theodor Herzl) Bis heute erinnert Israel die nichtjüdischen Gesellschaften – auch und ganz besonders Deutschland – daran, dass in ihnen ein jeder Vernunft spottender, irrationaler Wahn fortbesteht. Es ist also nicht nur der ewige Antisemit, der angesichts der schieren Existenz eines jüdischen Gemeinwesens glaubt, sein Unwesen treiben zu müssen, nein, es ist auch das in Abneigung und oft verkapptem Hass verkehrte schlechte Gewissen der deutschen Gesellschaft zu beklagen, dass das Bild der Gesellschaft vom israelischen Staat vollkommen verzerrt ist.

Wie zur Zeit des Dreyfuss-Prozesses oder des Berliner Antisemitismusstreits im 19. Jahrhundert stößt der Antisemitismus zwar auch heute auf teils deutliche Kritik, dennoch brechen antisemitische Ressentiments bis in die Gegenwart immer wieder aufs Neue hervor,

  • wie man es im deutschen Blätterwald und den sog. Qualitätsmedien allzu oft lesen und in den öffentlich rechtlichen Medien vernehmen kann,
  • wie man es 2022 während der 100 Tage auf der documenta 15 in Kassel sehen und erleben konnte,
  • wie man es z.B. an der ungebrochenen Popularität eines bedeutenden Rockmusikers der Gegenwart deutlich ablesen und/oder
  • wie man es an den regelmäßig wiederkehrenden islamistisch unterlegten und von linken Gruppen und Personen unterstützten Hassdemonstrationen gegen Israel,
  • und wie man es an der in einigen Städten Deutschlands zunehmenden Gefahr für Juden, tätlichen Übergriffen ausgesetzt zu sein und der allgemein hohen Zahl an antisemitischen Vorfällen beobachten kann.

Das deutsch-israelische Verhältnis ist seit Israels Staatsgründung vor 75 Jahren weder störungsfrei noch entspannt. Zum einen erinnern die lebenden Juden Deutschland immer daran, dass der Antisemitismus eine zentrale Rolle bei der Konstituierung der deutschen Volksgemeinschaft einnahm und die deutsche Nation es als Schicksalsaufgabe ansah, eine Welt zu schaffen, in der das Judentum als „Gegenvolk“ ausgerottet werden sollte. Der nach der deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg Jahrzehnte lang währenden Verdrängung der deutschen Verbrechen und der bis heute andauernden Herausstellung, Opfer eines „verdammten Krieges“ (Guido Knopp) zu sein, folgte ab Mitte der Achtziger Jahre das Mantra von der „historischen Verantwortung“ und der „Wiedergutmachung“ deutscher Schuld in Form inbrünstigen Gedenkens. Dieses Gedenken gipfelt regelmäßig darin, dass der Holocaust zu einem Teil eines nationalen Selbstverständnisses erklärt wird. In Verkehrung der klassischen Schuldabwehr der Nachkriegszeit stellt sich diese heute als kaum kaschierte Anmaßung dar, von den Überlebenden der Schoah und ihren Nachkommen Vergebung zu erwarten, ja diese fast einzufordern.

Gänzlich unerträglich wird es, wenn gerade aus der deutschen Ecke – wo man angeblich so mustergültig seine Lektion aus dem Nationalsozialismus gelernt hat – in Oberlehrermanier Verhaltensmaßregeln an Israel erteilt werden. Wie reagiert ein Land „angemessen“, das permanent von unterschiedlichen palästinensischen Terrororganisationen, mit Raketen, Schusswaffen und Messern, angegriffen wird? Wie soll reagiert werden, wenn kein Verhandlungsangebot Grundlage für Gespräche sein kann und darf, u.a. weil der Iran den palästinensischen Terror direkt protegiert und Israel das Existenzrecht radikal abspricht? Was prädestiniert uns Deutsche Israel gegenüber zum Ratgeber? Wollen wir besser wissen, ob Terroristen durch Nachsicht und Toleranz zur Duldung eines israelischen Staates bereit sind oder wären, wo doch Nachgeben der israelischen Seite bisher in fast allen Fällen das Gegenteil erreichte? So hat z.B. 2005 die Räumung des Gazastreifen durch Scharon lediglich die Terroraktivität der Hamas von dort aus erhöht.

Am Tage der Unabhängigkeitserklärung Israels steht für uns die Forderung nach einer unverbrüchlichen und bedingungslosen Solidarität mit dem Staat Israel im Vordergrund. Wir fordern von den politischen Vertretern, sich für ein Ende der Finanzierung der palästinensischen Terrororganisationen stark zu machen, deren Aktionen und Organisationen auf deutschem Boden zu verbieten und von der Bundesregierung zu verlangen, endlich wirksame Schritte gegen die antisemitische Mullah-Diktatur im Iran zu unternehmen. Dafür werden wir, wie fast jedes Jahr, mit unserem Info-Stand auf dem Friedrichsplatz in Kassel werben.

Ab 19:00 Uhr haben wir dann Alexander Feuerherdt dazu eingeladen, anlässlich des 14. Mai 1948 einen kritischen Blick auf das Bild Israels in der „internationalen Gemeinschaft“, in der deutschen Gesellschaft und deutschen Politik zu werfen.

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Alex Feuerherdt ist freier Publizist und veröffentlicht regelmäßig Texte zu den Schwerpunktthemen Israel/Nahost, Antisemitismus und Fußball, unter anderem in der Jüdischen Allgemeinen, in der Jungle World und auf Mena-Watch. Gemeinsam mit Florian Markl ist er Autor von „Vereinte Nationen gegen Israel“ (2018) sowie „Die Israel-Boykottbewegung. Alter Hass in neuem Gewand“ (2020), beide erschienen bei Hentrich & Hentrich.

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1948 – 2020: 72 Jahre Israel

In der Unabhängigkeitserklärung Israels heißt es: „Die Katastrophe, die in unserer Zeit über das jüdische Volk hereinbrach und in Europa Millionen von Juden vernichtete, bewies unwiderleglich aufs Neue, dass das Problem der jüdischen Heimatlosigkeit durch die Wiederherstellung des jüdischen Staates im Lande Israel gelöst werden muss, in einem Staat, dessen Pforten jedem Juden offenstehen, und der dem jüdischen Volk den Rang einer gleichberechtigten Nation in der Völkerfamilie sichert.“ Vor dem Hintergrund, dass die Hoffnungen auf Gleichberechtigung und / oder der Assimilation der Juden in der bürgerlichen Gesellschaft nach der französischen Revolution oder im Realsozialismus nach der russischen Revolution schon lange vor der Formierung der deutschen Volksgemeinschaft durch den Nationalsozialismus enttäuscht wurde, ist die Staatsgründung Israels zum einen der erfolgreiche Versuch der Juden, die Werte von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als Grundlage einer bürgerlichen Gesellschaft und Nation für sich zu erobern und zum anderen diese „Heimstatt“ gegen die antisemitische Internationale seit Gründung vor 72 Jahren des Staates bis heute zu verteidigen. Israel steht für die Wiederaneignung von Kraft und Gewalt durch die Juden.

Seit Jahren machen sich viele Juden in Deutschland angesichts der Zunahme antisemitisch motivierter Taten rechtsextremer Täter und islamisch sozialisierter Personen aus migrantischen Communities oder ebensolchen Einwanderern Sorgen. Begleitet wird diese Entwicklung durch eine antizionistische und israelfeindliche Haltung insbesondere linker Intellektueller und Bewegungen die in ihrem Engagement gegen Rassismus und einen „Postkolonialismus“ den Islam unter eine Art von Artenschutz stellen und gleichzeitig Israel eine aggressive rassistisch motivierte Politik, wenn nicht gar eine Apartheid-Politik unterstellen. Dabei entgeht dieser Linken, „dass der Islam eine innere Kraft hat: dass aus Sicht radikaler Muslime nach Jahrhunderten europäischer Eroberung und Expansion die Zeit der Rache gekommen ist; dass diese Muslime – selbstverständlich nicht alle Muslime, […] – nicht gegen das Unfaire […] im Westen kämpfen, sondern gegen das, was für uns das Wertvollste ist: den Säkularismus, die Gleichheit von Männern und Frauen oder genauer gesagt: die Präsenz von Frauen in der Gesellschaft. Jene Linke sehen auch nicht die Kraft und das Ausmass des Antisemitismus in der muslimischen Welt, ein Hass auf Juden, den man nicht als eine Reaktion auf westlichen Imperialismus erklären kann.“ (Alain Finkielkraut)

So beängstigend die Entwicklung des Antisemitismus in Europa auch ist, heute tritt der Antisemitismus in bewaffneter Form als Hamas, als Hisbollah, als islamischer Jihad und in Form von Parteigängern verschiedenster palästinensischer Gruppen der PLO sowohl gegen Juden allgemein und gegen Israel im besonderen auf. Alle diese Gruppen finden ihre Unterstützer in der Politik und Zivilgesellschaft europäischer Gesellschaften, in Deutschland und auch in Kassel. Besonders bedrohlich für Israel ist die bis heute von Europa nicht ernsthaft behinderte Atomrüstung des Irans und die dieser zugrunde liegenden Motivation des Mullah-Regimes Israel zu vernichten.

Dieses Szenario wird in Deutschland von der Politik oft ignoriert. Gelegentliche Verurteilungen terroristischer Akte gegen Israel folgen skandalöse Aufrufe an „beide Seiten, sich zu mäßigen“. Der Terror gegen Israel und dessen Gegenmaßnahmen werden oft von irreführenden Überschriften und Kommentaren in den Medien begleitet. Angesichts der gerade zum 75ten Jahrestag der Niederwerfung Nazideutschlands erneut beschworenen Verantwortung vor der Geschichte ist die zu beobachtende Äquidistanz in Politik und Öffentlichkeit gegenüber Israel zynisch. „Auschwitz, Chelmno, Majdanek, Sobibor und Treblinka dürfen nicht außerhalb der Analyse des Nationalsozialismus behandelt werden. Sie stellen nicht einfach seine furchtbarsten Randerscheinungen dar, sondern einen seiner logischen Endpunkte.“ (Moishe Postone) Wenn im Zusammenhang der Geschichte des deutschen Nationalsozialismus die Aussage „Nie wieder!“ eine Aussagekraft haben kann, so kann diese also nur heißen: Nie wieder Auschwitz! Nie wieder Auschwitz ist jedoch auch nach 55 Jahren Beziehungen zu Israel nicht deutsche Staatsräson sondern die Israels.

Nie wieder Auschwitz bedeutet in Deutschland daher:

Kampf dem Antisemitismus! Bedingungslose Solidarität mit Israel! Gegen Antizionismus und „Israelkritik“! Keine Kompromisse mit den Antisemiten!

Der Antizionist im Schafspelz und Hoffnungsträger

Im Neuen Deutschland, das heute ob der stark geschrumpften Auflage klein geschrieben wird, ist ein Interview mit dem Knesset-Abgeordneten Ayman Odeh zu lesen. Odeh, so steht dort geschrieben, sehe sich als einen, der religiöse und ethnische Spaltungen überwunden habe. Schauen wir uns ein paar Aussagen des Interviews an. Er wird gefragt wie die Liste, der er vorsitzt, aus so unterschiedlichen Kräften wie Sozialisten, Säkularen, Feministinnen und Religiös-Konservativen einen gemeinsamen Nenner finden könne. Die Interviewerin hätte sich nur jede x-beliebige Antira- oder Antiisrael-Demo in Europa, in den USA und in Deutschland, ein x-beliebiges Uniracket „linksradikal“-poststrukturalistischer Provenienz oder den Club der chritical-whiteness-Fabuliererix ansehen müssen, um zu wissen, dass dies Normalzustand nicht nur „der Guten“ in Israel ist und der gemeinsame Nenner also leicht zu finden ist. Odeh antwortet tapfer, das „Bündnis ist eine Vernunftehe gegen das Erstarken von Rechtsaußen.“ Wie das gehen soll, gegen Rechtsaußen zu erstarken, wenn man selbst äußerste Rechte in den eigenen Reihen einbindet und was das mit Vernunft zu tun hat, führt Odeh nicht aus. Den Gegner den er sieht, da meint natürlich nicht Rechtsaußen, sondern Netanyahu und den von ihm aktuell repräsentierten jüdischen Staat Israel. (Wobei ich hier nicht behaupten will, dass Netanyahu nicht rechts ist und dass einige seiner Bündnispartner noch weiter rechts stehen, eine Tatsache der man politisch durchaus entgegen treten kann oder sollte, sofern man in Israel um die Innenpolitik streitet, nur eben nicht mit Leuten, die nichts dabei finden, sich mit Antisemiten zu alliieren.) Dass die Fragende ganz nebenbei vergisst zu erwähnen, dass die „religiös-konservativen Kräfte“ Verbindungen zu den Muslim-Brüdern und zur Hamas aufweisen, es sich also bei ihnen um standfeste Islamisten handelt, sei hier nebenbei noch vermerkt.

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Ayman Odeh, „Hoffnungsträger jüdisch-arabischer Koexistenz“: Deutschland sollte Israel nicht als jüdischen Staat anerkennen!

Dann wird Odeh gefragt wie er es mit dem Zionismus halte. Hier antwortet er: „Von der zionistischen Idee halte ich grundsätzlich nicht viel. Zum einen lehne ich den Pessimismus der Idee ab, dass Antisemitismus eine ewige, nicht zu besiegende Kraft ist, so dass Juden nicht mit anderen Völkern in Frieden leben können.“ Was Odeh hier macht, ohne dass das die Interviewerin und mutmaßlich auch ohne dass die geneigte nd-Leserin oder -Leser es merken, ist, dass er Juden zum Problem erklärt. Nicht die Antisemiten sind diejenigen, die Juden nicht akzeptieren können und daher nie in Frieden mit Juden leben können, denn Antisemiten gibt es ja zum einen nach 1945 nicht mehr, sie sind die fixe Idee der Zionisten, sondern es sind zum anderen die Juden, die bisher nicht in Frieden mit den anderen Völkern haben leben können, ein Anschauungsbild des Weltbildes eines Antisemiten ist es, was uns der Hoffnungsträger anbietet. Dann führt er das palästinensische Narrativ der Nakba als Begründung an, dass er als gut situierter arabischer Israeli auch deswegen nichts mit dem Zionismus anfangen kann, „weil für den zionistischen Traum ein Großteil unseres Volkes vertrieben wurde.“ 1948 wurden tatsächlich Menschen vertrieben, andere flohen. Ca. 700.000 arabische Bewohner flohen oder wurden nach 1948 vertrieben, meistens nur ein paar dutzend Kilometer weiter, 820.000 Juden flohen oder wurden seit 1948 aus fast allen arabischen Staaten vertrieben. Sagt heute ein Israeli deswegen unwidersprochen, er spräche arabischen Nationen die Idee ab, eine arabische Nation zu sein? Nein. Die damals geflohenen Juden sind im Staat Israel integriert, was man von den geflüchteten und vertriebenen Palästinensern in den Staaten in die sie flohen bis heute nicht sagen kann.

Dann führt Odeh aus, dass er dem jüdischen Volk – was auch immer das in seiner Vorstellung ist – das Selbstbestimmungsrecht zugestehe und er deswegen für eine Zweistaatenlösung eintrete. Da sagt er das auf, was nicht nur der gemäßigte Teil der deutschen Linkspartei so hören will, sondern auch das, was für viele andere, als gewünschter Inhalt gemäßigter arabischer Politik zu gelten hat. Ein paar Fragen später redet Odeh Klartext: Odeh erwartet von deutschen Politkern, „dass Deutschland Israel nicht als jüdischen Staat anerkennen sollte.“ Hier spricht es aus ihm heraus, auf was auch die als gemäßigt geltende arabische Position hinausläuft. Israel ja, aber nicht als jüdischer Staat – und der Zionismus ist die Ursache dafür, dass Juden nicht mit anderen Völkern in Frieden leben können.

Die Hamas und die PLO sind da deutlicher, sagen aber das Gleiche. Die Hamas-Charta deklamiert „Unter dem Islam können Anhänger aller Religionen in Sicherheit … zusammenleben“. Das gilt eingeschränkt auch für die Juden, nämlich für die, die sich unter oder hinter dem Gharkad-Baum verstecken können, alle anderen gelte es nach Artikel 7 dieser Charta zu töten. Die PLO-Charta ist da etwas gemäßigter, im Artikel 6 erkennt sie Juden, die vor dem Beginn der „zionistischen Invasion in Palästina regulär ansässig waren“ als Palästinenser an. „Der Zionismus ist eine politische Bewegung, die organisch mit dem internationalen Imperialismus verbunden ist und im Widerspruch … der progressiven Bewegung in der Welt steht. Er ist rassistischer und faschistischer Natur.“ Und dagegen kann man ja auch mal Bündnisse mit sogenannten religiös-konservativen Kräften suchen.  Odeh sagt nicht Palästina, sondern Israel, meint im Endeffekt aber das gleiche, nur seine Methode unterscheiden sich von denen, die auch in seiner Fraktion sitzen. (jd)

Ein weiteres Interview mit Odeh ist hier zu finden: Arab lawmaker Ayman Odeh … no country was established without sin

Hanita oder Ebro?

Der spanische Bürgerkrieg und die Auseinandersetzung zwischen Zionismus und Antifaschismus

Vor 80 Jahren begann nach dem Putsch Francos der spanische Bürgerkrieg. Nachdem in Deutschland, ohne dass es die Arbeiterbewegung verhinderte, der Nationalsozialismus die deutsche Volksgemeinschaft formierte und anführte, um die Juden Europas auszurotten und die Welt in den Abgrund zu stürzen, hofften viele Demokraten, Kommunisten und Anarchisten den Faschismus in Spanien mit der Waffe in der Hand stoppen zu können. Anders als in Deutschland stellten sich große Teile der Bevölkerung den faschistischen Putschisten bewaffnet in den Weg. Nur mit massiver militärischer und logistischer Hilfe seitens Italiens und Deutschlands konnten sich die spanischen Faschisten gegen die Republikaner und Sozialrevolutionäre behaupten und dann in einem blutigen Bürgerkrieg durchsetzten.

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Die Fahne der jüdischen Kampfeinheit Naftali Botwin

Der Widerspruch sowohl einen sozialrevolutionären Gesellschaftswandel herbeizuführen und gleichzeitig die demokratische Republik zu verteidigen, schwächte die Verteidiger der Republik. Maßgeblich für die Niederlage gegen die Faschisten war jedoch die ausbleibende Unterstützung für die Republik seitens Frankreichs und Englands. Lediglich die Freiwilligen aus vielen europäischen Staaten und aus den USA, als auch militärische Fachkräfte aus der Sowjetunion kamen der spanischen Republik zur Hilfe. Einzig von der Sowjetunion wurde die Republik in einem nennenswerten Umfang mit schweren Waffen (Panzer und Flugzeuge) beliefert. Eher unbekannt ist, dass von den 6.000 Juden, die sich den Internationalen Brigaden anschlossen, 300 aus Palästina kamen. 70 von ihnen fielen im Kampf gegen Franco, 50 weitere von ihnen kamen in den folgenden Jahren im Kampf gegen den Nationalsozialismus ums Leben.

Der Einsatz der Freiwilligen für die Interbrigaden war im Jischuw wie auch in den anderen Nationen aus denen sie kamen nicht unumstritten. Der spätere Ministerpräsident Israels, Jitzchak Rabin fragte den ehemaligen Interbrigadisten Salman Salzman nach dessen Rückkehr nach Jerusalem: „Warum bist Du nach Spanien gegangen, was war mit Hanita?“ Salzman antwortete: „Ich bin gegangen, um gegen den Faschismus zu kämpfen … meinst Du, mit Hanita kannst Du Hitler aufhalten? Träum‘ weiter!“ Hitler wurde jedoch auch nicht in Spanien aufgehalten. Hanita war eine sogenannte Turm-und-Palisaden-Siedlungen. Diese waren wichtiger Bestandteil des wehrhaften Jischuw und trugen dazu bei, dass es den arabischen Pogromisten und Kämpfern nie gelang, die jüdischen Flüchtlinge und Einwanderer wieder aus Palästina hinauszuwerfen. Gegen Rommels Armee hätten aber auch sie wenig ausrichten können. Rommel, der den SS-Mann Walter Rauff im Schlepptau hatte und vom Mufti al-Husseini in Jerusalem sehnsüchtig erwartet wurde, wurde von der britischen Armee in El Alamein aufgehalten. In der englischen Armee kämpften ebenfalls Juden aus Palästina.

Dennoch, als einer der wenigen führenden Politiker überhaupt ehrte der israelische Staatspräsident Chaim Herzog 1986 den Einsatz der Interbrigadisten in Spanien: „Es ist unsere Pflicht, der Tausenden von Freiwilligen zu gedenken, die sich dem Faschismus entgegenstellten, … Wir schulden ihnen auch Dank für die Lehre, die wir aus diesem Krieg ziehen müssen und die lautet: Die Demokratie muß sich verteidigen können gegen faschistische und antidemokratische Kräfte.“ (jd)

Literaturhinweis: Arno Lustiger, Schalom Libertad! Juden im Spanischen Bürgerkrieg.

Das BgA-Kassel sieht sich am Montag, den 25. Juli 2016 um 19.00 Uhr den Dokumentarfilm „300 Juden Gegen Franco“ an und lädt zur anschließenden Diskussion ein. Ort: Pflegedienst PSH, Holländische Str. 33, Kassel