Kasseler Gelehrte für die Bestrafung Israels

(update 24.08.2023)

„The Elephant in the Room. Jews fight for Justice“ nennt sich eine Petition, die von Omer Bartov und anderen Professoren der Holocaust and Genocide Studies und der Hebrew University of Jerusalem verfasst wurde.1 Anlass der Petition ist das Vorhaben der israelischen Regierung, die Macht des Obersten Gerichtshofs einzuschränken. Gegen die Justizreform formiert sich in Israel seit Monaten eine breite Protestbewegung. Das Für-und-Wider der Justizreform, die Befürchtungen in der israelischen Gesellschaft angesichts der aktuellen Regierungskoalition, wer diese Regierung warum gewählt hat – all dies ist jedoch kein Thema der Petition. Das umstrittene Vorhaben der israelischen Regierung ist nur der Aufhänger dieser Petition, die „illegale Besatzung“ palästinensischer Territorien und ein Apartheidregime unter dem Palästinenser zu leiden hätten, zum x-ten Mal zu beklagen.

Die Protestbewegung gegen die Justizreform in Israel ist breit aufgestellt. So finden sich unter den Protagonisten und Anhängern der Bewegung zahlreiche Personen, die der politischen Mitte und auch dem Umfeld des Likud zuzuordnen sind. Ausgesprochene Gegner des Zionismus und Stimmen, die wie die Resolution den Jargon der antisemitischen Internationale übernehmend faktisch für die Abschaffung des jüdischen Staates eintreten, waren bisher in der Minderheit. Daher dürften die Unterzeichner der Resolution den bisher überwiegend für den Zionismus und für Israel demonstrierenden Gegnern der aktuellen israelischen Regierung keinen Gefallen getan haben .2

In der Liste der für „Gerechtigkeit kämpfenden Juden“ (Jews fight for Justice) findet man jedoch nicht nur die einschlägigen Bekannten wie z.B. die sattsam bekannten Antizionisten Judith Butler, Dirk Moses und Omri Boehm, sondern Personen, wie Benny Morris, Dan Diner, Saul Friedländer und andere, die man auf einer solchen Liste nicht vermutet hätte. Es sind Israelis, die sich sowohl dem Staat als auch dem Zionismus verbunden fühlen. Was ihre Beweggründe sind, sich mit dem bekannten Unterschriftenkartell antizionistischer Intellektueller gemein zu machen, bleibt ihr Geheimnis.3 Doch weder die Unterschrift Diners, noch die Morris‘ oder Friedländers erspart dem geneigten Leser die Anstrengung, sich mit den vorgebrachten Parolen der Petition auseinanderzusetzen. Der Vorwurf in Israel herrsche ein Apartheidregime ist und bleibt Unsinn und in der Frage, wie man den umstrittenen Status des Westjordanlandes bewertet, verbieten sich einfache Parolen.4

Die Autoren des Pamphletes reklamieren, dass „die Probleme [..] nicht erst mit der aktuellen radikalen Regierung [begannen]: Der jüdische Suprematismus wächst seit Jahren …“. Angesichts der durch die Illustration der Petition sichtbaren Anbiederung an das antiisraelische Milieu der Demokratischen Partei in den USA und an die antisemitische Black Lives Matter-Bewegung, sowie angesichts der Forderung nach der Bestrafung Israels und nach der Beschränkung der US-amerikanischen Militärhilfe für Israel5 , die zahlreiche z. T. prominente jüdische Wissenschaftler unterzeichnet haben, dürften die feuchten Träume deutscher Antizionisten wahr werden.

Weniger überraschend sind daher die Namen von Deutschlands Feuilleton-Liebling Meron Mendel, von Candice Breitz, Eva Menasse sowie den notorischen Stefanie Schüler-Springorum und Norman Paech (sic!).

Bei den drei Personen aus der Provinzstadt Kassel, die man auf der Liste der für Gerechtigkeit kämpfenden Juden ebenfalls findet, ist die Überraschung ebenfalls nicht so groß: Es sind die hiesigen ausgewiesenen Antizionisten, deren Lebensinhalt es seither war, Israel nicht nur bestraft zu wissen.

Werner Ruf, Professor of Political Science, University of Kassel

Aram Ziai, Professor in Political Science, University of Kassel

Marianne Hirschberg, Professor, Faculty of Human Sciences, University of Kassel.

Wir möchten an dieser Stelle auf drei weitere Artikel verweisen, die sich mit dieser Petition befassen:

Stefan Frank, Edward Said und der Elefant in Foucaults Wohnzimmer, mena-watch, 22.08.2023.

Nikas Lemberger, Elefant im Elfenbeinturm, Ruhrbarone, 18.08.2023.

Florian Markl, Der nächste „offene Brief“ gegen Israel, mena-watch, 19.08.2023.

______________________________________________________________________________

1 Elephant in the room.

2 Vgl. dazu Stefan Frank auf Mena Watch (s.o.): „Die Professoren, die das Dokument unterzeichnet haben, merken nicht, welch ein Bild sie abgeben, wenn sie von den Gegnern der israelischen Justizreform oder von jüdischen Unterstützern sozialer Bewegungen verlangen, sie hätten sich ihren antiisraelischen Glaubenssätzen unterzuordnen – weil sie anderenfalls keine »echten« Progressiven seien. Der »Elefant im Raum« ist nichts anderes als ein Götze, dessen Anbetung sie herrisch einfordern.
Ein Gedankenspiel: Was wäre, würden Teile der Bewegung gegen die Justizreform sich diesem Ansinnen anschließen? Das wäre das Ende der Protestbewegung. Es gäbe dann viele kleine, rivalisierende Gruppen, die miteinander stritten. Ob dies das Ziel des Manifests ist? Eine Stinkbombe in die israelische Protestbewegung werfen und sehen, was passiert? Es ist unwahrscheinlich, dass die Professoren so weit denken. 

3 Saul Friedländer führte in einem Interview mit dem Spiegel folgendes aus: „Was mich gerade sehr beunruhigt, ist der neue Antizionismus an den amerikanischen Universitäten. Studenten und Professoren haben sich zu einer Front gegen Israel zusammengetan. Das Schlimme ist, dass sie die Politik Israels nicht nur kritisieren – wofür es gute Gründe gibt -, sondern gleich Israel als Staat an sich delegitimieren. Das sind vor allem Leute aus der amerikanischen Linken, aber es gibt auch Professoren bei uns aus Asien oder Afrika, die meinen, Israel schaffe nur Probleme und sollte besser gar nicht existieren. Die antiisraelische Haltung hat leider manchmal einen Anklang von Antisemitismus. […] Der Antisemitismus braucht Benjamin Netanyahu gar nicht, er ist immer da. Aber natürlich denken sich viele, dieser Typ zeigt doch, wie böse die Juden sind.“ (Spiegel-Gespräch mit Historiker Saul Friedländer. „Meine Heimat ist meine Geschichte“, Spiegel, 27.12.2017) Wer die politischen Auseinandersetzungen in Israel kennt, weiß, dass zu diesen übermäßig polemische Zuspitzungen von allen Beteiligten gehören. Dieser Streit ist das, was Friedländer den Streit um die Politik Israels nennt, für den es gute Gründe gäbe.

4 Einen Einblick in dieses Thema bietet z.B. der Aufsatz Steven Höfner, Die neue israelische Regierung und ihre Agenda im Westjordanland, KAS, 2023. Über die völkerrechtlichen Fragen und den historischen Hintergrund des umstrittenen Status der Region westlich des Jordans siehe z.B.: Marcel Serr, Sicherheit geht vor. Israel und das Westjordanland, israelnetz, 12.06.2017.

5 Der Aufruf fordert unter Punkt 4: „Demand from elected leaders in the United States that they help end the occupation, restrict American military aid from being used in the Occupied Palestinian Territories, and end Israeli impunity in the UN and other international organizations.“

Hinterlasse einen Kommentar