Am 4. April 1945 marschierten US-Truppen in Kassel ein und beendeten die Naziherrschaft in dieser Stadt und setzten der deutschen Volksgemeinschaft ein Ende.
Die Truppen der Alliierten stießen bis in die letzten Tage auf Widerstand deutscher Einheiten, auch im Raum um Kassel. Bis in die letzten Tage produzierten Kasseler Rüstungskonzerne Panzer, die gegen die vorrückenden Alliierten eingesetzt wurden. Das lag daran, dass dem Nazi-Regime von der deutschen Bevölkerung kein entscheidender Widerstand entgegengesetzt wurde und dass dieses Regime bis in die letzten Wochen hinein, von einem großen Teil der deutschen Bevölkerung getragen wurde. So war es auch möglich, dass in den letzten Tagen der Naziherrschaft sowohl im Kasseler Gefängnis Wehlheiden politische Gegner und Zwangsarbeiter in Wilhelmshöhe ermordet wurden. (Hierzu im Überblick: Orte_der_Erinnerung)
Die Kasseler Geschichte ist dabei für Deutschland typisch. Kurz vor Kriegsbeginn – vom 3.- 5. Juni 1939 – kommt es in Kassel zu einem Massenspektakel. Über 200.000 ehemalige Soldaten und Angehörige der Deutschen Wehrmacht kommen, um das militärische Spektakel des „Großdeutschen Reichskriegertags 1939“ zu erleben.
In Kassel gab es eine Tradition des Nationalismus, Militarismus, Autoritarismus und des Revanchismus. Rechte Parteien, wie die DNVP und die DVP, Krieger- und Vaterländische Vereine und der Stahlhelm beherrschten das politische Klima mit Massenaufmärschen, Gedenktagen und Versammlungen. Die NSDAP griff das Gedankengut dieser Gruppierungen in verschärfter und zugespitzter Form auf und fand daher auch in Kassel schnell eine breite Zustimmung. In einigen Stadtteilen erhielt sie weit über 50 % der abgegebenen Stimmen. 1932 wurde die NSDAP mit knapp unter 50% der Wählerstimmen dann die stärkste Partei in Kassel.
Kassel war die Stadt Roland Freislers. Freisler war ein hoher Funktionär im NS-Staat, an der Wannseekonferenz beteiligt und dann berüchtigter Präsident des Volksgerichtshofes. Er war verantwortlich für etliche Todesurteile (z.B. gegen die Mitglieder der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“). Freislers Karriere begann in Kassel als gewählter Stadtverordneter.
In Nordhessen war Antisemitismus en vogue. Bei den Reichstagswahlen 1907 und 1912 setzte sich der Kasseler Kandidat der „Wirtschaftspartei“, ein bekennender Antisemit, durch. Die Hälfte der 1907 und 1911 in den deutschen Reichstag gewählten Vertreter der Antisemiten, kam aus dem Kasseler Regierungsbezirk. Schon seit Mitte der zwanziger Jahre kam es in Kassel immer wieder zu antisemitischen Übergriffen gegen Juden. Der offene Terror gegen die Kasseler Juden begann mit der Machtergreifung des Nationalsozialismus 1933. Der erste Höhepunkt der Verfolgung fand mit dem Pogrom am 07. November 1938 in Kassel statt, zwei Tage vor der reichsweiten Reichspogromnacht. 1941 setzte die Deportation der Kassler Juden nach den Osten ein, wo sie umgehend ermordet wurden. Eine organisierte Form, ihre jüdischen Nachbarn vor der Ermordung zu schützen, gab es wie in ganz Deutschland auch in Kassel nicht. Vielmehr profitierten auch in Kassel viele vom „Verschwinden“ ihrer jüdischen Nachbarn.
Kassel war eine wichtige Stadt der Rüstung. Bis in die letzten Kriegstage wurden in den Kasseler Firmen Rüstungsgüter produziert, die die Wehrmacht für den Angriffs- und Vernichtungskrieg ausrüsteten. Panzer und Lastwagen durch die Firmen Henschel, Credé & Co. und Wegmann sowie Flugzeuge, Flugzeugmotoren und Flugbomben durch die Firmen Henschel, Fieseler und Junkers. Doch nicht nur das Kapital, sondern das auch deutsche Proletariat produzierte weitgehend reibungslos in den Fabriken die erforderlichen Waffen, sofern es nicht als Vernichtungskrieger seinem Handwerk in den Reihen der Wehrmacht nachging. Verweigerung, Sabotage und Aufbegehren leisteten trotz massiven Terrors der Gestapo in erster Linie die ausländischen Zwangsarbeiter in den Kasseler Fabriken.
Kassel war Garnisonsstadt der Wehrmacht. Mehrere Wehrmachtseinheiten waren in den verschiedenen Kasernen Kassels stationiert. Sie wurden gegen Polen eingesetzt. Von dort wiederkehrend, wurden sie von mehreren Tausend Bürgern in Kassel feierlich begrüßt. Danach wurden sie in Frankreich und dann im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion eingesetzt. Die Blutspur dieser Einheiten reichte bis kurz vor Moskau, bis sie dann in Stalingrad von der Roten Armee vernichtet wurden. Nur etwa 100 Nordhessen machten den Vernichtungskrieg nicht mit, desertierten oder liefen über.
Wie überall in Deutschland leisteten einige mutige Nordhessen (Kommunisten, einzelne Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Humanisten, Christen, Anarchisten u.a.) Widerstand gegen das NS-Regime. Es wurden Flugblätter und Zeitungen verteilt, Plakate geklebt und Parolen gegen die Nazipolitik an die Wände gemalt. Die gesellschaftliche Isolierung des Widerstandes, Zerwürfnisse untereinander, aber auch ihre häufig fatalen Fehleinschätzungen des Nationalsozialismus führten dazu, dass der Widerstand schnell zerschlagen wurde und wirkungslos blieb.
Es war nicht der antifaschistische Widerstand in Deutschland der die Naziherrschaft in Europa und Deutschland beendete, sondern die Truppen der Alliierten. Es waren die Truppen der Westalliierten die demokratische und freiheitliche Verhältnisse in Kassel, in den westlichen Besatzungszonen und in Westeuropa durchsetzten. In Kassel waren es Einheiten der 80. US-Infanteriedivision.