Antizionistischer und israelfeindlicher Propaganda keinen Raum in Kassel

Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Kassel Sven Schoeller

Sehr geehrter Herr Sven Schoeller,

am 19. September 2022 erklärten Sie angesichts der skandalösen Entwicklung der documenta 15, dass wir in Kassel „mit einer historischen Verantwortung“ leben und Sie es nicht erleben wollen, „dass in unserer Stadt offen ausgestellte antisemitische Schmähbildnisse keine heftigen Reaktionen mehr hervorrufen.“1 Auf dem Israel-Day im Sara Nussbaum Zentrum forderten Sie vor dem Hintergrund der stärker gewordenen AfD und eines in Deutschland nach wie vor virulenten Antisemitismus, „das Recht allein hilft uns nicht gegen diejenigen, die es darauf anlegen, unsere Werteordnung zu zerstören. Dafür müssen wir zusammenstehen.“2 Vor dem Hintergrund der von Rechtsterroristen verübten Morde an Halit Yozgat und Walter Lübcke in Nordhessen ist es wichtig vor der Gefahr des Rechtsextremismus zu warnen. In Kassel jedoch geht der Antisemitismus weniger von der AfD aus, von der in Kassel generell nicht viel zu hören ist, sondern von anderen Akteuren.

Die Recherche- und Informationsstelle Hessen (RIAS Hessen) veröffentlichte vor ein paar Wochen ihren ersten Bericht.3 Danach kam es in Hessen im Jahr 2022 zu 179 antisemitischen Vorfällen. Kassel, so die RIAS, liegt dabei mit 52 dokumentierten Vorfällen an der Spitze. Den Höhepunkt erreichten die Vorfälle während der Weltkunstausstellung. Diese Entwicklung wirke sich konkret auf den Alltag jüdischer Bürgerinnen und Bürger aus und „beeinträchtige auch das individuelle Sicherheitsempfinden.“ In der Wochenzeitschrift Jungle World überschrieb der Autor Pascal Beck seinen Artikel über die Veröffentlichung des Berichtes der RIAS mit dem Titel „Die Documenta schafft Angst“.4 In Kassel selbst fand der Bericht der RIAS wenig Echo. Drei weitere kulturelle Ereignisse im laufenden Jahr in Kassel erwecken den Eindruck, als hätten die politisch Verantwortlichen und die des Kasseler Kulturbetriebes keine Konsequenzen aus dem größten kulturpolitischen Skandal der letzten Jahrzehnte gezogen.

Das Café Buch-Oase oder der mit diesem Café eng verbundene Verein Palästinensische Gemeinde – Kassel konnte sich auf dem Frühlingsfest des Schlachthofes5, dem Altstadtfest6 und zuletzt auf der Kasseler Museumsnacht präsentieren. Alle drei Veranstaltungen werden direkt oder indirekt von der Stadt, die Sie repräsentieren, unterstützt.

Auf der Internetseite der Museumsnacht wird das Café Buch-Oase als Ort vorgestellt, in dem Rassismus und Intoleranz keinen Platz hätten.

In der diesjährigen Museumsnacht wurde dem Café Buch-Oase eine Bühne geboten. Im Programmheft, für das Sie das Grußwort verfassten, heißt es: „Im Café Buch-Oase finden Foto- und Gemäldeausstellungen, Konzerte, Lesungen, Kabarett und politische Veranstaltungen statt. Ein Ort der respektvollen Begegnung, an dem Rassismus und Intoleranz keinen Platz haben und Menschen aus aller Welt willkommen sind.“ Die Ausstellung, die das Café im Rahmen der Museumsnacht präsentierte, wurde von Ursula Mindermann konzipiert.

Ursula Mindermann ist nicht nur Unternehmerin und Fotografin, sondern stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft (DPG), die nach israelischen Recherchen mit den Muslim-Brüdern verbandelt ist7 und die, wie auch die Kasseler Regionalgruppe der DPG, zu den erklärten Unterstützern der antisemitischen BDS-Bewegung gehört.8 Ein weiterer Streiter der DPG Kassel, Ulrich Restat, formulierte in einer Rede, die er 2014 vor dem Rathaus in Kassel hielt, den berüchtigten Satz: „Der Tod ist ein Meister aus Israel“.9

In den Räumen des Cafés fanden in der Vergangenheit bis in die jüngste Gegenwart hinein zahllose meistens von der DPG ausgerichtete Veranstaltungen statt, in denen gegen Israel gehetzt, z. T. antisemitische Stereotype verbreitet und für den Boykott Israels, bzw. für die antisemitische BDS-Bewegung geworben wurde.10

Das Café Buch-Oase stellt auch immer wieder den Tarnorganisationen der MLPD Räume zur Verfügung. Die MLPD gehört nicht nur zu den politischen Gruppierungen, für die Stalin und Mao auch heute noch zu den großen historischen Vorbildern gehören, sondern sie ist wie die in Kassel agierende Tarnorganisation dieser Partei, Solidarität International, mit den palästinensischen Terrorgruppen PFLP und DFLP verbunden.11

Am 27. Oktober 2018 wurde die sogenannte Spoken Word Künstlerin Faten El vom Verein Palästinensische Gemeinde – Kassel in das Café Buch-Oase eingeladen. Faten El ist in der Vergangenheit sowohl auf einer Veranstaltung zu Ehren der „Märtyrer“ der Mörderbande DFLP aufgetreten als auch für die Deutsche Jugend Palästina, die Verbindungen mit der terroristischen Hamas hat.12

Unter der Adresse des Cafés firmiert eben dieser Verein Palästinensische Gemeinde – Kassel. Die stellvertretende Vorsitzende des Vereins ist gleichzeitig Betreiberin des Cafés. Diesem Verein wurde sowohl auf dem Kasseler Altstadtfest als auch zum wiederholten Mal auf dem Frühlingsfest die Möglichkeit gewährt, einen Stand zu präsentieren. Der Vorsitzende des Vereins gehörte zu den Teilnehmern der beiden israelfeindlichen Kundgebungen in Kassel am 16. Juli 2022 und am 15. Mai 2021. In der HNA bekannte sich der Vorsitzende am 02. Juli 2022 in einem Interview zur Parole „From the River to the Sea – Palestine will be free“, die für die Abschaffung des jüdischen Staates Israel steht.13

Auf die zugegebener Maßen scharfe Kritik reagiert das Café und dessen Umfeld aggressiv. Diejenigen, die benennen, wofür das Café steht, werden umstandslos als Rassisten diffamiert.

Antisemitismus in der klassischen Form, wie er von rechtsextremistischen Parteien wie dem III. Weg oder Die Rechte und von Nazigruppen wie die inzwischen aufgelöste Scheiteljugend geäußert wird ist in der Gesellschaft weitgehend geächtet und wird in Kassel nur selten öffentlich kundgetan. In der Form antizionistischer Propaganda äußert sich hingegen der Antisemitismus z. B. in den Parolen „Kindermörder Israel“, „From the River to The Sea …“ oder „Khaibar Khaibar ya yahud jaish muhammad sa yahud!“, die in der Vergangenheit 201414, 201715, 202116 und 202217 auf vergleichsweise gut besuchten Kundgebungen auch in Kassel zu hören waren. Auf einigen dieser Kundgebungen kam es zudem zu bedrohlichen Szenen oder es wurden gar jüdische Bürger oder Bürger die sich solidarisch mit Israel zeigten bedroht.

Wie oben angeführt wurde eine dieser antisemitischen Parole von den israelfeindlichen Protagonisten aus dem Umfeld des Café Buch-Oase in der Lokalzeitung HNA offen zu Protokoll gegeben. Der Antisemitismus äußert sich ebenso in der Forderung der BDS-Bewegung, Israel auf allen Ebenen zu boykottieren, für die im Café Buch-Oase regelmäßig Propaganda betrieben wird.

Wir appellieren an Sie als Oberbürgermeister der Stadt Kassel, als Kulturdezernent und Aufsichtsratsvorsitzender der documenta und Museum Fridericianum gGmbH dem israelbezogenen Antisemitismus deutlich zu widersprechen und darauf hinzuwirken, dass israelfeindlichen und antizionistischen Organisationen wie dem Verein Palästinensische Gemeinde – Kassel oder dem Café Buch-Oase zukünftig keine Möglichkeit mehr geboten werden, sich auf städtischen Veranstaltungen oder auf Veranstaltungen, die von der Stadt mitveranstaltet oder unterstützt werden, zu präsentieren.

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1 Sven Schoeller, Stellungnahme zur documenta 15, 19.09.2022.

2 Joachim F. Tornau, Solidarität in schwierigen Zeiten, Jüdische Allgemeine, 20.07.2023.

3 Jahresbericht RIAS Hessen. Antisemitische Vorfälle in Hessen 2022, 2013.

4 Pascal Beck, Die Documenta schafft Angst, Jungle World, 35/2023.

5 Falafel und Israelhass auf dem Frühlingsfest in Kassel, BgA-Kassel, 13.06.2023.

6 Kulturengasse in der Oberen Freiheit.

7 Ehud Rosen, The Spider Web. The Roots of BDS and the Campaign to Delegitimize Israel, Jerusalem, 2018.

8 Auf der Internetseite BDS-Kampagne wird die Regionalgruppe Kassel der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft als unterstützende Gruppe und Organisation aufgeführt.

9 Dora Streibl, Das Gedenken mit Füßen treten, Jungle World, 32 / 2015. Als Vertreter der DPG unterzeichnete Ulrich Restat auch den Brief zur Unterstützung der antisemitischen BDS-Bewegung „Für Meinungsfreiheit auch in der Palästinafrage„. Er befindet sich dabei in guter Gesellschaft mit dem ebenfalls immer wieder im Café Buch-Oase gern gesehenen Gast Werner Ruf.

10 Ausführlich zum Café Buch-Oase siehe: Die Café Buch-Oase Connection, BgA-Kassel, 2018.

11 Über die Verbindungen der MLPD zur PFLP siehe: Stefan Laurin, Die Verbindungen der MLPD zur palästinensischen Terrorgruppe PFLP, Ruhrbarone 2017. Die in Kassel agierende Tarnorganisation der MLPD Internationalistischen Bündnis ist hingegen mit der DFLP verbunden, siehe: Hans Roth und die Abgründe, die sich in Rothenditmold (Kassel) auftun, BgA-Kassel, 2021.

12 Über den Auftritt Faten El und Quellen siehe FN 10.

13 Antisemitismus auf documenta: „Deutschland hat ein Problem mit seiner Erinnerungskultur“, HNA, 02.07.2022. Weitere Angaben über die Verbindung des Vereins Palästinensische Gemeinde Kassel zum Café Buch-Oase, siehe: FN 10.

14 Die größte derartiger antisemitischer Kundgebungen, bei der es zu massiven Bedrohungen gegen Teilnehmer einer kleinen Kundgebung zur Solidarität mit Israel kam und die aufgrund ihrer deutlich antisemitischen Ausrichtung Angst und Schrecken unter den Kasseler Juden auslöste fand 2014 in Kassel statt. Siehe: Martin Sehmisch, Angst in Kassel, Jüdische Allgemeine, 16.07.2014.

15 Der judenfeindlich Schlachtruf „Khaibar Khaibar ya yahud jaish muhammad sa yahud!“ Auf deutsch: „Juden, erinnert euch an Khaibar, die Armee Mohammeds kommt zurück!“ wurde im Jahr 2017 auf einer Kundgebung am Rathaus Kassel skandiert. Khaibar – Khaibar – Allahu Akbar – Jerusalem ist unser! BgA-Kassel 2017.

16 Am 15. Mai 2021 mobilisierte die der PFLP nahestehende Gruppe Samidoun und das temporär in Erscheinung tretende Bündnis Palästina spricht bundesweit Kundgebungen. Auch in Kassel fand eine Kundgebung statt. Dort sprach der Mitbetreiber des Café Buch-Oase Jörg Ulloth. Auf der Kundgebung wurden antisemitische Parolen skandiert, jüdische Bürger Kassels wurden bedroht und es zeigten sich Sympathisanten der Hamas. Ausführlich: From the River to the Sea – Der Mob formierte sich auch in Kassel, BgA-Kassel 2021.

17 Zur Eröffnung der documenta 15 mobilisierte die Kasseler Szene der Israelhasser zu einer Kundgebung auf der zum widerholten Male die Parole „From the River to The Sea – Palestine will be free“ skandiert wurde und Israel als Apartheidstaat verunglimpft wurde. Siehe: documenta in Kassel: Steinmeier bezieht Stellung – Proteste begleiten Eröffnung, HNA, 20.06.2022. Auch hier kam es zu Bedrohungen gegen Personen, die sich solidarisch mit Israel zeigten.

Mit „Israelkritik“ gegen Antisemitismus? – Die Volte einer Bildungsstätte

Mit offizieller Unterstützung der Stadt Kassel, des Landes Hessen und der Amadeu-Antonio-Stiftung lud die Bildungsstätte Anne Frank am 28.11. 2018 zum Thema “Zündstoff – Der Nahostkonflikt an unseren Schulen“ ein. Die Bildungsstätte ist durch die Zusammenarbeit mit Organisationen des Politischen Islam und der rabulistischen Methode, den islamischen Antisemitismus zu eskamotieren, zu Recht in Verruf geraten. (Hierzu näher: Die Gruppe Thunder in Paradise: „Die Pädagogen der Demagogen“ und Sigrid Hermann Marschall: „Bildungsstätte Anne Frank kooperiert mit Strukturen der Muslimbrüderschaft„).

In der Veranstaltung sollte es um die Rolle des Nah-Ost-Konflikts an den Schulen gehen und welche Rolle der Konflikt bei der Bildung von Gruppenidentitäten „migrantisch und muslimisch positionierter Jugendlicher“ spielt. Die Bildungsstätte, die vorgibt gegen Antisemitismus zu arbeiten, hatte zum Thema Antisemitismus in den Schulen die, der postmodernen Linken zuzuordnenden, Mitarbeiterinnen der Bildungsstätte Deborah Krieg und Azadê Peşmen geladen. Als Expertin in Sachen Naher-Osten wurde von den Veranstaltern auf dem Podium als dritte im Bunde Dr. Claudia Baumgart-Ochse präsentiert. Dr. Baumgart-Ochse arbeitet für das Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) und veröffentlichte im renommierten Nomos-Verlag 2008 das Buch „Demokratie und Gewalt im Heiligen Land“, das der Verlag wie folgt vorstellt:

„Das Verhalten Israels im Konflikt mit den Palästinensern gibt der Forschung zum demokratischen Frieden Rätsel auf: Es ist eine Demokratie, die an der Besatzung fremden Territoriums festhält und auch vor dem Einsatz militärischer Gewalt nicht zurückschreckt. Die Studie geht der These nach, dass die jüdische Siedlerbewegung und ihr Milieu, der religiöse Zionismus, mitverantwortlich sind für das Scheitern des Osloer Friedensprozesses. […] Die Analyse des Friedensprozesses zeigt, wie die Siedlerbewegung die Strukturen der israelischen Demokratie nutzte, um den Friedensprozess nachhaltig zu stören.“

2013 formulierte die Wissenschaftlerin in dem Pamphlet „Ist mit Palästina ein Staat zu machen?“ folgende Empfehlung: „Israel [sei] stärker unter Druck zu setzen, […] und andererseits einen Dialog mit der Hamas zu beginnen.“ An gleicher Stelle vermeldete sie: „Die EU hat mit ihrer Entscheidung, finanzielle Ressourcen im Rahmen des Wissenschaftsprogramms Horizon 2020 nicht mehr an israelische Institutionen jenseits der Grenzen von 1967 zu vergeben, bereits ein richtiges Zeichen […] gesetzt. Einige Unternehmen und zivilgesellschaftliche Gruppen flankieren diese Maßnahmen, indem sie Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen, die in jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten operieren, ablehnen“ und reproduzierte somit auch Positionen, die sonst mit einer Organisation namens BDS in Verbindung gebracht werden. Allein am Beispiel dieser Referentin lässt sich aufzuzeigen, was für Abgründe sich auftun, wenn eine Stätte, die den Namen von Anne Frank am Revers trägt, zur Diskussion lädt.

Auf dem Podium erklärte Dr. Baumgart-Ochse, der Nah-Ost-Konflikt sei im Kern ein Territorialkonflikt, der durch den aus Europa importierten Nationalismus befeuert worden sei. Dieser Nationalismus hätte die Idee propagiert „Ein Volk braucht ein Land.“ Selbstverständlich war und ist es die Idee des Zionismus, eine Nation des jüdischen Volkes zu propagieren, diese mit einem bestimmten Territorium zu verknüpfen und auch umzusetzen, insofern ist der Zionismus eben auch eine nationale Idee, die jedoch wie jede Idee einer Nation vollkommen legitim ist. Doch wer den Zionismus nur so definiert übersieht, dass dieser die einzig richtige Antwort auf das Scheitern der Ideen der Emanzipation und / oder Assimilierung der Juden, oder des Internationalismus ist, dass er die einzige Antwort auf den bis heute fortexistierenden Antisemitismus in Europa und in der islamischen Welt ist. Der Kern des Nah-Ost-Konfliktes ist in jeder Hinsicht der Antisemitismus, des historischen, sowie des aktuellen in Deutschland und in Europa, als auch des arabischen und islamischen. Nur wenn man die Geschichte und die gegenwärtige Brisanz des Antisemitismus ignoriert,  indem der Nah-Ost-Konflikt als ein Konflikt zwischen Nationalismen gedacht wird, kann man auf die folgende Idee kommen, die Dr. Baumgart-Ochse so formulierte: Dieser Konflikt sei kein Fußballspiel, in dem man Position beziehen könne: „Don’t ever take sides!“ sei vielmehr das Leitmotiv, dem man folgen müsse.

Im Verlauf der Veranstaltung wurde vorgeführt, dass man im Duktus der Postmoderne viel sprechen kann, aber wenig zu sagen hat. Zunächst wurden zwar pflichtgemäß der 3-D-Test dargelegt, um zu erläutern, dass „Israelkritik“ antisemitisch sein könne und es wurde auch nicht versäumt, den Rapper Kollegah als Ausdruck einer Jugendkultur zu erwähnen, in der antisemitische Vorurteile grassierten. Doch schon hier ließ die Bemerkung aufhorchen, dass man sich zu sehr auf den Rapper fokussiere, die Musikindustrie, die ihr Geschäft mit diesem Herren betreibe, sei doch der wahre Schuldige.

Krieg, die für die Bildungsstätte arbeitet, schloss sich der Vorgabe, „don’t take sides“ an und war im Übrigen der Auffassung, dass die Arbeit mit der Wahrheit über den Konflikt im Nahen Osten die Positionen der Jugendlichen nur verhärten würde, denn Emotionalität spiele eine wichtige Rolle in der Rezeption und Verarbeitung des Themas Nah-Ost-Konflikt. Peşmen sekundierte diesen antiaufklärerischen Offenbarungseid politischer Bildung dann mit der Feststellung, dass es eine unzulässige Markierung von Migranten sei, sie als muslimische Antisemiten zu bezeichnen, wenn sie sich in antijüdischem Hatespeach gefallen. Dadurch würde das Vorurteil vom rückständigen Migranten bedient und das Sprechen über muslimischen Antisemitismus sei durchsetzt vom „antimuslimischen Rassismus“.

Sofern es nicht darum ging, Israel der rechten Regierung zu zeihen, wurde noch viel um den heißen Brei herumgeredet und umso weniger konkretes zur Problematik auf Deutschlands Schulhöfen beigetragen. Erst ein Gast aus dem Publikum, der beruflich mit muslimischen Jugendlichen zu tun hat, wartete mit der These auf, dass Antisemitismus oder Judenhass möglicherweise einfach hipp unter den Jugendlichen sei und er meinte, da sei es vielleicht doch angezeigt, klare Grenzen aufzuzeigen. Diese, angesichts der auch auf dem Podium konstatierten Reichweite solcher Medien wie You-Tube, al Jaziera und Hip-Hop-Musik bekennender Antisemiten naheliegenden Feststellung, löste jedoch bei einem im Publikum anwesenden Vertreter des Café Buchoase den Jihad aus. Ohne dass das Podium eingriff, durfte der pöbelnde Volksbibliothekar den Fragestellter niederbrüllen. Als der Vorsitzende des Vereins Palästinensische Gemeinde-Kassel mit Vertriebenenhintergrund hingegen von Bantustans auf der Westbank fabulierte, roch das zwar dem Podium doch zu sehr nach Apartheid und es schwante ihm, das Geäußerte könne antisemitisch sein, doch Dr. Baumgart-Ochse war gleich zur Stelle und führte vor, wie sich die Bildungsstätte den Umgang mit solchen Schwerenötern wohl vorstellt. Man serviere einfach Metaphernsalat: Die Westbank sei wie ein löchriger Käse, sie sei ein Flickenteppich. Und zum Schluss salbaderte sie von einer unaufhaltsamen Flut, die die Eilande arabischer Palästinenser umspülten und von Palästina nur ein Archipel übriglasse. Diesen Sprachgebrauch internalisierend können natürlich auch die wüstesten Antisemiten zu Subjekten der kulturellen Bereicherung im Multi-Kulti-Land mutieren und man schreitet mit ihnen Seit an Seit gegen einen „antimuslimischen Rassismus“, gegen LGBT-Feindlichkeit, Sexismus und gegen all das, was der Blumenstrauß der Intersektionalität sonst noch so hergibt. Geflissentlich übersehen wird dabei, dass diese „Gruppenbezogenen-Menschenfeindlichkeiten“ als sakrosante Bestandteile der „Kultur“ eines, als wahlweise vom Siedler, von einer rechten Regierung, von den Zionisten oder vom Juden unterdrückt angesehenen, Volkes in den besetzten Gebieten in Reinform gepflegt werden.

Dass die Amadeu-Antonio-Stiftung, die in der Vergangenheit Vieles gefördert hat, das dem Kampf gegen den Antisemitismus diente, mit dieser Bildungsstätte zusammenarbeitet, wirft ein entzauberndes Licht auf diese NGO von bundesdeutschen Gnaden: Wenn es dem postmodernen Diskurs dient und nur ein paar Stichwörter aus dem Baukasten der Kritik des Antisemitismus fallen, dann ist den guten Menschen der Stätten und Stiftungen wohl alles andere wurscht.

Es blieb das Geheimnis der Veranstalter, wie mit solchen Ideengebern wie Dr. Baumgart-Ochse, Peşmen und Krieg Strategien entwickelt werden sollen, die dazu beitragen könnten, dass an den Schulen Judenfeindschaft, Antisemitismus und Israelhass kompromisslos zurückgewiesen wird. Der erklärte Unwille, der antisemitischen Weltanschauung, mit einer der Aufklärung verpflichteten Bildung und antisemitischen Taten notfalls auch mit Sanktionen entgegenzuwirken, geriet an diesem Abend zur weiteren Bankrotterklärung einer hochtrabend und im Auftrage der Stadt, des Landes und des Staates daherkommenden Bildungsstätte.

Wir verteilten an dem Abend dieses Flugblatt.