Zwischen „Auschwitz on the beach“ und Zustimmung zu den Pogrompalästinensern

Der Lange Sommer des Antisemitismus in Kassel – Eine Chronik1

Unsere Broschüre online: Die documenta 15 und der Antisemitismus-Skandal. Wer Antizionisten einlädt, erntet Antisemitismus 2

Prolog

Auf der documenta 14 wird im August 2017 die Performance „Auschwitz on the beach“ mit Franco Berardi aufgeführt. Das Mittelmeer ist Auschwitz, Benjamin Netanyahu wird als Gauleiter bezeichnet. Das BgA-Kassel protestiert damals. Wichtige Personen aus der Stadtgesellschaft werten den antisemitischen Künstler durch eine Diskussionsveranstaltung auf.

08. Dezember 2021: The Question of Funding wird in einem Artikel der HNA erwähnt.

07. Januar 2022: Der Artikel „Documenta fifteen: Antizionismus im lumbung“ wird auf unserem Blog und auf Ruhrbarone veröffentlicht. Im Mittelpunkt stehen die Rolle des Khalil Sakakini Cultural Center in Ramallah und die Rolle Yazan Khalilis (The Question of Funding). Ferner decken wir die antiisraelischen und antisemitischen Bekenntnisse der meisten Personen aus der künstlerischen Leitung (Findungskommission / Beirat und der Ruangrupa) auf.

09. Januar 2022: Wir schreiben den Oberbürgermeister der Stadt Kassel und Aufsichtsratsvorsitzenden der documenta gGmbH Christian Geselle an.

12. Januar 2022: d15 erklärt, sie unterstütze in keiner Weise Antisemitismus sondern das Anliegen, „Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus … entgegenzutreten.“

12. Januar 2022: Thomas E. Schmidt bringt mit dem Artikel „Verschweigen, das geht nicht mehr“ in der Zeit die überregionale Debatte ins Rollen.

15. Januar 2022: Die HNA veröffentlicht im Artikel „Ist die documenta antisemitisch?“ die wichtigsten Punkte unserer Kritik.

16. Januar 2022: Pressemitteilung Geselle: „Mit dem indonesischen Künstlerkollektiv Ruangrupa kuratieren […] zum ersten Mal Vertreter aus Asien die documenta, die auch die Perspektive des globalen Südens berücksichtigen. […] Die Freiheit der Kunst [sei] zu wahren und zu verteidigen [..] Aufgabe aller, die an die Werte unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung glauben. Eine Überprüfung […] dürfe es nicht geben.“

19. Januar 2022: In einer Presseerklärung der d15 ist die Rede von verfälschenden oder rassistischen Diffamierungen. Die Erklärung verweist auf das Recht, sich gegen Diskriminierung einzusetzen und auf die notwendige Kontextualisierung. Ein „Expert*innenforum We need to talk“ wird angekündigt. Später wird klar, dass der für diese Runde auch vorgesehene Wissenschaftler Nathan Sznaider nicht näher über das Konzept dieser Veranstaltung, auf der auch „antipalästinensischer Rassismus“ diskutiert werden soll, in Kenntnis gesetzt wurde. Er und andere schlagen daraufhin die Einladung aus. Das „Expert*innenforum“ kommt nicht zustande.

27. Januar 2022: Am Holocaustgedenktag besucht Geselle mit einer Delegation aus Ramat Gan und Ruangrupa-Mitgliedern das ruru-Haus. Die Tatsache, dass in der documenta-Leitung die Mehrheit erklärte Gegner des jüdischen Staates sind, war seit 20 Tagen bekannt.

Screenshot der Internetseite der Stadt Kassel vom 27. Januar 2022

07. Februar 2022: Die documenta GmbH mahnt – mutmaßlich nach einer rechtlichen Prüfung unserer Darstellungen – das BgA-Kassel und die Ruhrbarone wegen Urheberrechtsverletzung ab. Wir hatten, dem Prinzip Lumbung folgend, eine Graphik genutzt, um unserer Kritik an der d15 zu illustrieren. Kostenpunkt: 2147,00 EUR.

16. März 2022: Die Staatsministerin Claudia Roth kommt nach Kassel und erklärt: „Antisemitismus ist keine Meinung, für Antisemitismus, für Rassismus, für jede Form der Menschenfeindlichkeit ist in unserer Gesellschaft überhaupt kein Platz“ und weiter: „Das Engagement aller Beteiligter im Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus ist noch einmal deutlich unterstrichen worden, und ich messe den Versuchen aller Beteiligter, die notwendigen Diskussionen offen und transparent zu führen, eine hohe Glaubwürdigkeit bei. Ich würde mich freuen, wenn deren Gesprächsangebot zu einer friedlichen und lösungsorientierten Debatte breite Zustimmung erhält.“

21. März 2022: Wir Schreiben Claudia Roth an und bitten um ein Gespräch. Eine Antwort gab es nicht.

25. Mai 2022: Der Zentralrat der Juden, das American Jewish Comitee (AJC) und die WerteInitiative melden sich zu Wort. Man dürfe sich von Begriffen wie „Weltoffenheit“, „Multiperspektivität“ und „Diversität“ nicht täuschen lassen […] „Dahinter verbirgt sich nichts anderes als ordinärer israelbezogener Antisemitismus“, heißt es in einer Erklärung des AJC.

30. Mai 2022: Unbekannte hinterlassen in den Ausstellungsräumen WH22 Graffity-Schmierereien. Geselle wirft den Kritikern der Ausstellung vor, die Künstler durch Straftaten einschüchtern zu wollen. In der Berliner Zeitung ist gar von Morddrohungen die Rede. Candize Breitz redet davon, die Medien hätten die Täter in rassistischer Weise angestiftet.

15. Juni 2022: Christian Geselle, Angela Dorn (Kulturministerin Hessen) und Sabine Schormann (Generaldirektorin d15) feiern im Auestadion die Eröffnung der Ausstellung und weisen die Kritik als von außen aufgezwungen und unangemessen zurück.

16. Juni 2022: Die d15 wird eröffnet. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier übt offen Kritik. Bundeskanzler Olaf Scholz weigert sich, die d15 zu besuchen. Das BgA-Kassel und ca. 150 aus Deutschland angereiste Gleichgesinnte demonstrieren gegen Antisemitismus auf der Ausstellung. Aus Kassel beteiligen sich lediglich die Junge Union, das Junge Forum DIG und Einzelpersonen. Gleichzeitig findet eine Kundgebung für Palästina statt, auf der u.a. unter Beteiligung verschiedener Aussteller der mittlerweile strafbewehrte Slogan „From the River to the Sea“ skandiert wird.

16. Juni 2022: Das Kollektiv The Question of Funding überläßt die Räume des WH22 den Galeristen Eltiqa. Diese kommen aus dem Gaza. Ihre Kunstwerke richten sich nicht gegen die Hamas-Diktatur sondern gegen Israel.

17. Juni 2022: Taring Padi hängt das berüchtigte Banner „People’s Justice“ auf.

08. Juli 2022: Als einzige Künstlerin verweigert sich Hito Steyerl dem postmodernen Spektakel. Sie lässt ihre Kunstwerke abbauen.

18. Juli 2022: Frau Schormann wird als Generaldirektorin abberufen. Nachfolger ist Axel Fahrenholtz.

10. August 2022: Axel Fahrenholtz sagt in einem Interview: „Ich würde nie öffentlich sagen, dieses oder jenes ist antisemitisch und anderes nicht, dazu fehlt mir die fachliche Kompetenz.“

09. September 2022: Das Gremium zur fachwissenschaftlichen Begleitung wird eingesetzt, um als antisemitisch identifizierte bzw. diskutierte Werke zu analysieren.

10. September 2022: Mitglieder des Gremiums zur fachwissenschaftlichen Begleitung kommen zu dem Ergebnis, dass „die Vorführung der unter dem Namen ‚Tokyo Reels Film Festival‘ gezeigte Kompilation von propalästinensischen Propagandafilmen aus den 1960er-1980er [Jahren] […] zu stoppen [ist].“ Die Mitglieder begründen diese Forderung damit, dass nicht nur „die antisemitischen und antizionistischen Versatzstücke“ in den Filmen „hoch problematisch“ seien, sondern auch die zwischen den Filmen eingefügten Kommentare der Künstler, weil diese „den Israelhass und die Glorifizierung von Terrorismus des Quellmaterials durch ihre unkritische Diskussion legitimieren.“

10. September 2022: Künstler der documenta verkünden in der Erklärung We are angry, we are sad, we are tired, we are united: Letter from lumbung: „Resistance to the State of Israel is resistance to settler colonialism, which uses apartheid, ethnic cleansing, and occupation, as forms of oppression.“ Die Kritik der fachwissenschaftlichen Begleitung wird als unwissenschaftlich zurückgewiesen. Es werden Bilder in den Räumen der Ausstellung aufgehängt, die sich positiv auf BDS beziehen. Zu den Unterzeichnern gehören die Ruangrupa – also die Kuratoren der „Weltkunstausstellung“ – und drei Personen aus dem Artistic Team, Frederikke Hansen, Gertud Flentge und Lara Khaldi, sprich die künstlerischen Leitung der d15, u.a. die Kollektive Archives des luttes des femmes en Algérie, INLAND, Party Office, Subversive Film, Taring Padi, The Question of Funding und Trampoline House sowie die Einzelpersonen Graziela Kunsch, Jumana Emil Abboud, Kiri Dalena, Lara Khaldi, Safdar Ahmed und viele andere mehr.

25. September 2022: Nach Beendigung der documenta erklärt Geselle: „Einzelne Kunstwerke verletzten durch mangelnde Einordnung Gefühle, […]“. Die beiden Protagonisten Reza Afisina und Iswanto Hartono erhalten Gastprofessuren an der Uni Kassel und an der Uni Hamburg.

24. Februar 2023: Die RIAS Hessen veröffentlicht eine Broschüre zum Antisemitismus rund um die documenta 2022. Einige Tage später wird der Jahresbericht der RIAS veröffentlicht. Die RIAS führt aus: „Für Jüdinnen und Juden habe die Documenta fifteen 100 Tage lang zusätzliche Angst vor antisemitischen Anfeindungen im Alltag bedeutet. […] Insgesamt registrierte die Recherchestelle 179 antisemitische Vorfälle in Hessen im vergangenen Jahr – also etwa an jedem zweiten Tag im Jahr einen.“

Epilog

Im Frühjahr 2023 soll eine neue Findungskommission für die kommende d16 zusammengestellt werden. Auch an die Ruangrupa wird der Wunsch herangetragen, sich an dieser zu beteiligen. Als am 07.10.2023 die Einsatzgruppen der Hamas in Begleitung zahlreicher Zivilisten das Grenzgebiet zu Israel überfallen und ein Pogrom ungeahnten Ausmaßes anrichten und Teilnehmer einer Rave-Party abschlachten, entführen und vergewaltigen, bekunden die beiden Gastprofessoren aus Kassel und Hamburg und ruangrupa-Mitglieder Iswanto Hartono und Reza Afisina auf Instagram ihre Sympathien für die in Berlin jubelnden Sympathisanten der Hamas.

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1 Die hier veröffentlichte Chronik wurde am 22. Februar 2024 auf unserer Veranstaltung „Die documenta 15 und der Antisemitismus-Skandal. Wer Antizionisten einlädt, erntet Antisemitismus“ vorgetragen.

2 Die zweite überarbeitete und korrigierte Auflage unserer Broschüre ist vergriffen. Gegen eine Spende von 5,00 € können Exemplare der ersten Auflage erstattet werden, die einige wenige Druck- und Formatfehler enthält.

Viel Rauch um Nichts – HNA-Lesertreff zur documenta

Gegen Antisemitismus auf Kasseler Bühnen und Ausstellungen – Keinen Plan

Der Plan war, ein Flugblatt zum HNA-Lesertreff am 18.03.2024 am Kulturbahnhof in Kassel mitzubringen und zu hören was es dort zu diskutieren gab. Es sollte dort um die Frage gehen, wie es mit der documenta weitergeht. Doch dann kam der Artikel Hans Eichels in der Frankfurter Rundschau dazwischen, der die Jüdische Gemeinde Kassel, den Zentralrat der Juden und die DIG dafür verantwortlich machte, dass die von der documenta gGmbH berufene Expertenkommission „ungeprüft“ die Vorwürfe gegen die documenta fifteen übernahm, und so zum großen Desaster im Sommer 2022 beigetragen habe. Dieses Argumentationsmuster war dann für uns Anlass eine Kundgebung anzumelden. Denn Eichel ist einer der Initiatoren der Initiative #standwithdocumenta, die als Teilnehmer auf dem Podium des Lesertreffs der HNA geladen war.1

Wir documentieren im Folgenden die Begrüßung und Einführung von Jonas Dörge (BgA-Kassel), den Redebeitrag Dr. Jürgen Gehbs und eine Einschätzung der Veranstaltung, die Eckhard Jochum (BgA-Kassel) im Anschluss an die Veranstaltung der HNA verfasst hat.

Den Frühstücksverleumdern entgegentreten
(Jonas Dörge, BgA-Kassel)

Über die Vorwürfe, antisemitische Machwerke seien auf der Documenta 15 ausgestellt worden, ließ vor ein paar Tagen Hans Eichel (SPD), ehemaliger Bundesfinanzminister, ehemaliger Kasseler Oberbürgermeister und Ministerpräsident Hessens und jetzt der große Zampano der Initiative #standwithdocumenta, in einem Aufsatz in der Frankfurter Rundschau verlautbaren:

„Aber wenn man zu einem wissenschaftlich qualifizierten Urteil über die Reaktionen auf die Vorwürfe kommen will, muss man doch auch die Vorwürfe auf ihre Validität hin überprüfen. Das tut der Bericht überhaupt nicht. Er nimmt sie einfach als bare Münze […] Diese Einseitigkeit wird noch einmal gesteigert, weil die Positionen liberaler und linker Juden überhaupt nicht einbezogen werden, sondern nur die(konservativen) des Zentralrats der Juden als vermutete Mehrheitsmeinung, auch gelegentlich die der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und der Kasseler Jüdischen Gemeinde.“

Es ist mehr als erstaunlich, dass diese direkten Angriffe eines der führenden Köpfe der Initiative #standwithdocumenta auf jüdische Institutionen keine weitere Beachtung fanden.

Lügt der Jud‘?

Ist der Jud‘ schuld?

Hat der Jud’ zu viel Einfluss?

Ach, nein. Wenn man kein Antisemit sein will und trotzdem den schädlichen Einfluss jüdischer Verbände beklagen will, führt man jüdische Freunde oder wie Eichel in seinem Pamphlet ihm genehme Juden an. Es seien liberale und linke Juden, die sich gegen die Jüdische Gemeinde Kassel, gegen den Zentralrat der Juden und gegen die DIG ins Feld führen ließen. Diese Juden seien nämlich nicht einbezogen worden. Die äußerst dürftige Argumentation dieser tatsächlich nur sehr wenigen Personen interessiert Eichel natürlich genauso wenig, wie die während der d15 von der RIAS Hessen auch in Kassel dokumentierten antisemitischen Vorfälle, die für ein Klima der Angst sorgen.

Wie war das mit Khalil al-Sakakini, dem Namensvetter des Kulturzentrums aus Ramallah, dessen Vertreter von der Ruangrupa als eine der ersten Gruppen für die d15 kuratiert wurden? Der war von Hitler begeistert, denn der habe den Deutschen die Augen geöffnet, die dann als erste den Juden die Stirn geboten und keine Angst mehr vor ihnen gehabt hätten. Tatsächlich, so al-Sakakini, sei die Welt von zwei Nationen zum Narren gehalten worden: den Juden und den Briten. Hitler habe die Juden in ihre Schranken gewiesen.

Wer meint unter dem Label der Kunstfreiheit solche Gesellen auch zukünftig auf Kassels Ausstellungen agieren zu lassen, der gefährdet viel eher die Zukunft einer Kunstausstellung, als irgendwelche Selbstverpflichtungen zukünftiger Ausstellungsmacher, antisemitische und israelfeindliche Agitatoren in die Schranken zu verweisen.

Es hat nichts mit Kunstfreiheit zu tun, dem Antisemitismus entgegenzutreten
Redebeitrag von Dr. Jürgen Gehb.

HNA Lesertreff – Thema verfehlt. Eine Nachbetrachtung
(Eckhard Jochum, BgA-Kassel)

Das Problem war, dass es um die Dinge, die uns am Herzen liegen, (fast) gar nicht ging. Wir möchten verhindert sehen, dass sich weder im Vorfeld noch auf einer neuen documenta Judenhass ausbreitet und erneut Hetze gegen Israel betrieben wird. Und wir wollten natürlich – mussten das aber vor der Veranstaltung selbst machen – dass denen (wie Hans Eichel und der von ihm ins Leben gerufenen Initiative #standwithdocumenta) entgegengetreten wird, die letztlich die Juden noch selbst dafür verantwortlich machen, was 2022 in Kassel und danach an vielen anderen Orten (jüngst in Berlin) so alles passiert ist.

Weder das eine noch das andere durften wir erwarten.

Im Prinzip war das Ganze ein Schau- oder Diadochen–Kampf zwischen 2 Gruppen. Die eine (#standwithdocumenta), die nichts verändern will, gar nichts und die darauf scheißt, dass eine neue documenta wieder eine Bedrohung für jüdisches Leben bedeuten könnte. Die andere Gruppe um Hoffman und Co. möchte sich nicht international blamieren, die Kunstfreiheit natürlich auch nicht einschränken und mit ein paar Einhegungen, wie auch immer genannt, eine Wiederholung des Desasters im Sommer 2022 verhindern. Andreas Hoffmann hat von den beiden Codes of Conducts den einen, der sich auf die Kuratoren beziehen sollte, schon in vorauseilendem Gehorsam und unter vielfältigem Druck noch vor der bald stattfindenden Aufsichtsratssitzung kassiert. Das muss man als einen Erfolg der Eichel-Truppe bezeichnen.

Und zum Publikum lässt sich sagen, dass die politische, ökonomische und kulturelle Crème de la Crème der Provinz- und ehemaligen Zonenrandstadt Kassel anwesend war. Brav und artig. Vollzählig. Voller Begeisterung, dass es zu dieser Debatte um und über die große documenta kam und sich dafür feiernd. Wie schön dialogorientiert wir doch alle sind!

Dass die Allermeisten jedoch keine wirkliche Vorstellung davon haben, was Antisemitismus ist, darf vorausgesetzt werden, dass sie darüber hinaus auch über keinen genauen Begriff verfügen, was Kunstfreiheit bedeutet, dürfte ebenso der Fall sein. Aber man stellt sich der (weltweiten) Kritik, mutig einerseits und diskursiv andererseits. Dem von der Initiative #standwithdocumenta aufgebauten Druck konnte Hoffmann nicht wirklich etwas entgegensetzen. Hoffmann war eloquent und kämpferisch, aber zu sehr auf Konsens aus. Hätte er mal auf unseren Hauptredner gehört, er hätte das Tam-Tam der Initiative leicht als Popanz entlarven können.

Dann noch die von vielen – auch von den Kämpfern für den palästinensischen Volkstumskampf – gefeierte Saskia Trebing. Die Redakteurin der Zeitschrift monopol, die als eine der wichtigeren zu gelten hat, in der von Beginn an gegen uns gegiftet wurde, hat immerhin das Format besessen, die tiefgreifenden Konfliktlinien zwischen dem gigantisch großen Kunst-und-Kultur-Zirkus, der sich längst mit Teilen der Intelligenz und Wissenschaft bzw. dem Uni – Umfeld zusammengeschlossen hat und den anderen eher kritischen Teilen des Landes ansatzweise deutlich gemacht zu haben. Letztlich steht sie natürlich auf der Seite der Kunst – und die will ja bekanntlich keine Fesseln! Die will genauso frei sein wie Palästina und deshalb freie Schussbahn auf Israel haben.

Anmerkungen

1 Ausführlich unser Beitrag: Dem Antisemitismus entgegentreten – Keine Bühne den Antisemiten – Kein Ausstellungen mit Israelhassern, 14.03.2024.

Dem Antisemitismus entgegentreten – Keine Bühne den Antisemiten – Kein Ausstellungen mit Israelhassern

Eine Kundgebung des Bündnis gegen Antisemitismus Kassel mit dem Gastredner Dr. Jürgen Gehb

18. März 2023 18:15 Uhr am Kulturbahnhof, Kassel

Wie geht es mit der documenta weiter? Darüber will die HNA am 18. März diskutieren. Geladen hat sie zu dieser Veranstaltung „Experten“. Ein Experte ist Wendelin Göbel. Göbel gehört zu jenen, die koste was es wolle, nichts auf die documenta kommen lassen wollen. Er ist neben Hans Eichel einer derjenigen, die die Initiative #standwithdocumenta initiiert haben. Ihnen geht es um nichts geringeres, als die Freiheit der Kunst zu retten, die sie gefährdet sehen, weil es Überlegungen gibt, Antisemiten und Israelhassern die Präsentation ihrer Machwerke auf den kommenden Weltkunstausstellungen entgegenzuwirken.

Im Sommer September 2022 war Göbel Initiator der Petition documenta fifteen: Danke stolz darauf, die Stimme des Volkes zu Wort kommen zu lassen.1 Damit traf er die Kasseler Verhältnisse ganz gut auf den Punkt. Damals hieß es angesichts der in vielen Medien geäußerten Kritik: „Die Kritik kommt von außen!“ In der Stadtgesellschaft und lokalen Politik waren kritische Reaktionen auf den langen Sommer des Antisemitismus in Kassel die Ausnahme. Zunächst schien es so, als würden die Verantwortlichen der documenta auch nach Ende der Ausstellung unbeeindruckt von der überregional geäußerten Kritik und der gutachterlich bescheinigten Tatsache, dass es auf der documenta 15 zu inakzeptablen antisemitischen Vorfällen kam, einfach so weitermachen. So sollte sogar Ruangrupa sich an der Suche einer neuen Findungskommission beteiligen. Die Gruppe lehnte das aber ab. Mit Adam Szymczyk, Katherine David, Carolyn Christov-Bakargiev und Roger M. Buergel wurden dann Personen mit der Berufung der Findungskommission beauftragt, die für die posthumanistische und postmoderne Wende in der Kunst stehen, die dem „Kulturalismus“ (Bazon Brock) den Weg bereitet hat, zu dem der Antizionismus wie das Amen in der Kirche gehört. Szymczyk selbst gehört direkt zum Umfeld der BDS-Supporter. Es wurde dennoch eine Findungskommission berufen, die zunächst unverdächtig schien. Mit Bracha L. Ettinger wurde sogar eine Künstlerin aus Israel berufen.

Die Kunstwerke der Moderne, die als entartete Kunst bezeichnet wurden, in die Nähe der Propagandawerke auf der d15 zu rücken, ist ein Affront.

Doch dann kam der 7. Oktober! Der vom Pogrom schockierten und den Raketensalven aus dem Gaza ausgesetzten Ettinger wollte man keine Sitzungspause gönnen und über den zunächst unverdächtigen indischen Künstler Ranjit Hoskoté kam dann heraus, dass auch er ein Anhänger der Israelboykottbewegung BDS ist. Das Arrangement platzte: Hoskoté trat ob der zu erwartenden öffentlichen Reaktionen zurück und die übrigen zogen nach und gaben die Beleidigten.2 Und wie ein Rülpser aus der antisemitischen Hölle geriet die Zustimmung zweier Mitglieder der Ruangrupa zu den Jubelpalästinensern, die auf spontan organisierten Feiern des Pogroms Süßigkeiten in den Straßen Berlins verteilten.3 Damit straften sie alle jene Lügen, die auf die Beteuerungen der stets als freundlich bezeichneten Indonesier reinfielen, sie seien am Dialog interessiert und bereit zu lernen.

Eine von der documenta gGmbH berufene Unternehmensberatung legte den Verantwortlichen der zukünftigen Ausstellungen nahe, sich so etwas wie eine Firmenphilosophie, eine Corporate Identity, bzw. ein Selbstverständnis zu geben, die dann als „Codes of Conducts“ für aufgeregtes Geschnatter in der Kunst- und Kulturszene sorgten. Dabei sollten diese nur dazu beitragen, dass die gGmbH und die Findungskommission sich eindeutig gegen Antisemitismus, Rassismus und sonstige Formen der Diskriminierung positionieren und ggf. abgrenzen können. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen, dass es heute – fast 80 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus – notwendig erscheint, Regeln zu schaffen, die verhindern, dass eine Kunstausstellung nicht zur Propaganda-Veranstaltung von Israelhassern und Antisemiten herabsinkt.

Doch den vom ehemaligen Bürgermeister, Ministerpräsidenten und Bundesfinanzminister Hans Eichel zusammengetrommelten Apologeten des Kasseler Kunstspektakels ging das zu weit.

Sie sehen die Freiheit der Kunst gefährdet, wenn sich die zukünftige Leitung einer neuen documenta dazu durchringt, genauer hinzusehen, wen sie zu Lasten des Steuerzahlers einlädt. Es stößt diesen Propagandisten eines „Weiter so!“ sauer auf, wenn sich zukünftige Kuratorinnen bereit fänden, eine Selbstverpflichtung einzugehen, um Antisemitismus, Israelhass und Antizionismus schon im Vorfeld wirksam entgegen zu treten.

Sie sehen die Freiheit der Kunst gefährdet, wenn man Antisemitismus als Antisemitismus benennt, auch wenn dieser von Personen geäußert wird, die jenseits der Grenzen Europas aufgewachsen sind.

Sie sehen die Freiheit der Kunst gefährdet, wenn man denen Einhalt gebietet, die den künstlerischen Boykott gegen Menschen fordern, die im Staat der Juden leben und auch dort dazu beitragen, den Menschen mit Kunst und Kultur das Leben schöner zu machen.

Doch sie sehen nicht nur die Freiheit der Kunst gefährdet. Sie sehen sich an die Zeiten erinnert, als man die Kunst der Moderne mit dem Begriff „Entartete Kunst“ diffamierte, weil es die Forderung gibt, Antisemitismus auch dann nicht zu akzeptieren, wenn er im Gewand des Kunstwerkes daherkommt. Sie rücken damit die Kritiker antisemitischer Umtriebe in die Nähe der NS-Kulturfunktionäre. Infamer geht es kaum. Sie rücken zudem die plumpen, inhaltlich, formal und ästhetisch von äußerster Dürftigkeit gekennzeichneten auf der d15 präsentierten Propagandawerke in die Nähe der Werke der Moderne, die im Nationalsozialismus als entartete Kunst diffamiert wurden. Das ist nicht nur geschichtsvergessen sondern zeugt von fehlendem Sachverstand.

Mit denen, für die der lange Sommer des Antisemitismus eine Petitesse war, ein Ausdruck von Kontroversen, die es auszuhalten gelte, mit denen, für die antisemitische Agitation dann kontextualisiert werden muss, wenn sie von Kunstschaffenden aus dem „Globalen Süden“ vorgetragen wird, mit denen die dem Boykott gegen die Juden mit Gleichgültigkeit begegnen, kurz mit denen, die einfach so weiter machen wollen, als sei im Sommer 2022 nichts Bemerkenswertes geschehen, außer dass eine fantastische Kunstausstellung mit fantastischen Menschen zelebriert wurde, mit diesen wird am 18.03.2024 auf einer Veranstaltung der HNA im Kulturbahnhof (Südflügel) diskutiert.

Am 13.03.2024 veröffentliche Hans Eichel in der Frankfurter Rundschau eine Sottise gegen die („konservativen“) Juden, die dazu beigetragen hätten, dass das im Sommer 2022 berufene Expertengremium ungeprüft Vorwürfe übernommen und ein einseitiges Bild von der documenta in die Welt gesetzt hätte, obwohl die Besucher der documenta ein völlig anderen Eindruck gewonnen hätten.4 Eine Beschreibung die an die Situation in der Paulskirche erinnert, als ein deutsche Dichter vor Kühnheit erzitternd seinem Ressentiment gegen die Juden freien Lauf ließ und das vom Publikum – mit Ausnahme Ignatz Bubis – mit großem Beifall goutiert wurde. Spätestens jetzt ist öffentlich geäußerter Widerspruch angezeigt.

Wir demonstrieren am 18.03.2024 an dem Ort, von dem aus die nordhessischen Juden ab Dezember 1941 in die Todeslager geschickt wurden. Es ist ein Ort an dem sich auch jene gerne der Vergangenheit erinnern, die heute dem Boykott der Juden in der Kunstwelt und dem Hass der Kunstschaffenden auf den Staat der Juden mit Gleichgültigkeit begegnen und die darüber diskutieren wollen, ob ein bisschen Antisemitismus als Ausweis der Kunstfreiheit gelten darf oder kann. Diese bigotte Haltung gilt es zu demaskieren.

„Nie wieder!“ heißt:

Dem Antisemitismus entgegentreten!

Dem Antisemitismus darf auch in Kassel keine Bühne geboten werden!

Keine Freiheit den Antisemiten!

Unser Flugblatt

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1 Ein Zeichen für den Austausch, HNA 17. September 2022.

2 Jonas Dörge, Hamas-Terror und BDS-Pamphlete: Das ficht die Documenta doch nicht an!, Ruhrbarone, 12.11.2023.

3 Krieg gegen Israel. Hamas mordet – Palästinenser jubeln – ruangrupa gefällt das. BgA-Kassel, 08.10.2024.

4 Jonas Dörge, Ehemaliger Bundesfinanzminister Hans Eichel schmollt wegen Documenta-Abschlussbericht, Ruhrbarone, 14. März 2024.

Raum für urbane Experimente und Israelhass in Kassel

An die Stadt Kassel und den Verein Urbane Experimente

Update 10.03.2024:
Der Verein Urbane Experimente e.V. hat uns angeschrieben. Den Brief und eine Antwort dokumentieren wir im Anschluss. Außerdem gab es einen Bericht in der HNA, den wir ebenfalls dokumentieren. Die Stadt Kassel hat die Fahne und die Parolen übertünchen lassen.

Seit dem 28. Februar ziert eine große Flagge „Palästinas“ die Unterführung des Holländischen Platzes. Sie muss dort am helllichten Tag an die Wand gemalt worden sein. Zusätzlich sind die folgenden Parolen zu finden: „Fuck Zionism Free Palästina“ und „Politiker/innen dienen der dunklen Seite wie Darth Vaider (sic!).“ Der Ort ist einige Meter von der Kasseler Synagoge entfernt und wird auch als Verbindungsweg von der Haltestelle Holländischer Platz zur Universität Kassel genutzt. In der Vergangenheit kam es an der Universität Kassel wiederholt zu Bedrohungssituationen für jüdische Studentinnen und Studenten.

Der Raum der Unterführung ist Urbane Experimente e.V. von der Stadt Kassel zur Verfügung gestellt worden, um dort Graffiti-Workshops anzubieten. Die Stadt Kassel ist Eigentümerin dieses öffentlichen Raumes. Die Stadt Kassel informiert auf ihrer Homepage darüber, dass der Verein dazu beitrage, innerstädtische Orte wie die Unterführung des Holländischen Platzes zu beleben und zu verändern, ferner kulturelles Leben zu wecken. Der Verein wurde 2016 mit dem Kulturförderpreis der Stadt Kassel ausgezeichnet.

Am 7. Oktober 2023 überfielen Einsatzgruppen der Hamas in Begleitung zahlreicher Zivilisten aus dem Gaza Israel mit dem Ziel, möglichst viele Juden zu ermorden. Sie richteten das schlimmste Pogrom seit 1945 an. Die Ideologie der palästinensischen Mörder und Pogromisten kann in der Charta der Hamas nachgelesen werden. Dort wird völlig unverhohlen Antisemitismus verbreitet. Zentrales Ziel ist die Vernichtung Israels. Die Hamas gewann 2005 in freien Wahlen im Gaza die absolute Mehrheit. In Folge des 7. Oktober konnte die Hamas im Gaza und auch in der Westbank deutlich an Popularität gewinnen. In vielen europäischen und arabischen Städten wurde das Pogrom unter Präsentation der Fahne „Palästinas“ und der Parole „Free Palestine“ und ähnlicher Parolen gefeiert. Als der Staat Israel sich gegen die antisemitischen Mörder zur Wehr setzte, um dafür zu sorgen, dass so etwas wie am 7. Oktober nie wieder geschehe und die israelische Armee dazu überging, die Verantwortlichen für das Pogrom zur Verantwortung zu ziehen und ihre Strukturen zu zerschlagen, mobilisierte die Unterstützerszene der Palästinenser in Europa, in Deutschland und auch in Kassel, zu zahlreichen Kundgebungen, um das jüdischen Nationalbewusstsein und den jüdischen Staat verächtlich zu machen und die Vernichtung oder Überwindung Israels zu fordern.

In der Folge kam es auch in Deutschland zu zahlreichen antisemitischen Übergriffen und Vorfällen. Juden wurden körperlich angegriffen, ihre Wohnhäuser mit „Judensternen“ markiert und auch in Kassel wurden Juden an der Universität bedroht, wurde auf Kundgebungen an der Universität und in der Stadt der jüdische Staat verächtlich gemacht und diffamiert und Hass auf Israel gepredigt.

Für dieses zunehmend antisemitische und judenfeindliche Klima, das Juden in Deutschland in Angst und Schrecken versetzt, stehen spätestens seit dem 7. Oktober auch die Fahne „Palästinas“, die Parolen „Free Palestine“ und „From The River to the Sea …“. Die Präsentation der Fahne „Palästinas“ muss nach dem 7. Oktober als Mittel angesehen werden, den öffentlichen Raum zu dominieren und jüdische Studenten und Studentinnen auf ihren Weg zur Universität und Mitglieder der jüdischen Gemeinde auf dem Weg zur Synagoge einzuschüchtern.

Am 11. Oktober sagte der Oberbürgermeister der Stadt Kassel, Dr. Sven Schoeller, auf der Kundgebung zur Solidarität mit dem angegriffenen jüdischen Stadt folgendes: „Wir verurteilen diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wir stehen an der Seite der Menschen in Israel. […] Wir stehen hier alle zusammen, um unsere Solidarität mit Israel zu bekunden. […] Unsere Herzen sind verbunden und unsere Gedanken sind bei den Menschen, die von diesem Terror heimgesucht werden. […] Wer Terrorangriffe bejubelt oder in welcher Form auch immer billigt, handelt in höchstem Maße verächtlich. Wir werden das in unserer Stadt nicht dulden.“ (Zitiert nach dem Videomitschnitt der Kundgebung.)

Wir erwarten von der Stadt Kassel und hoffen darin auf die Unterstützung der Universität Kassel, dass sie den hehren Worten des Oberbürgermeisters und der Leitung der Universität Taten folgen lässt und den Propagandisten der palästinensischen Sache öffentlich entgegentritt.

Wir sind der Meinung, dass die unmissverständliche Parteinahme für die palästinensische Sache keine Belebung der Unterführung des Holländischen Platzes ist und auch nicht kulturelles Leben weckt, sondern der Versuch von erklärten Feinden Israels ist, den öffentlichen Raum zu besetzen.

Daher erwarten wir von der Stadt Kassel, dass sie Urbane Experimente e.V. auffordert, keine israelfeindliche Propaganda im öffentlichen Raum zu dulden und sofort einzuschreiten und die israelfeindlichen und antisemitischen Parolen sowie die Fahne der Unterstützer des Krieges gegen Israel auf den ihm zur Verfügung stehenden Flächen zu entfernen.

Wir erwarten von der Stadt, dass sie Vereinen, die israelfeindliche Propaganda betreiben, solche Propaganda dulden oder ihr nicht entgegentreten, jede Förderung und Unterstützung entzieht.

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Die Stadt Kassel hat reagiert:

Die HNA berichtet am 8. März 2024

Palästina-Graffito ist übertüncht. Vorwürfe wegen Schmierereien in Unterführung – Staatsschutz ermittelt.

Das Schreiben des Vereins Urbane Experimente

Hallo BGA Kassel,
es verhält sich so, wie es auf HNA berichtet hat. Eure Briefe und Posts sind auf fälschliche Ansagen basiert. Wir bespieleng die Unterführung schon seit über 10 Jahren und es gab noch nie so einen Fall, dass wir Platz geboten haben für Diskriminierung und Anfeindungen jeglicher Art. Außerdem sind die RuE Unterführungen öffentliche Räume, die für jeden Menschen 24 Stunden zugänglich sind.
Auch wir leider sehr stark unter Vandalismus, die besonders in unserer Betriebspause in den Wintermonaten eskalieren, weil wir nicht Vorort sind.
Wir bitten euch diese Posts zu löschen, sonst werden wir gezwungen sein euch wegen Verbreitung von falschen Informationen anzuzeigen.
Fragt doch bitte das nächste Mal zuerst nach, bevor ihr solche Geschichten veröffentlicht.
9. März 2024
(Schreibweise im Original des Verfassers)

Unsere Antwort

Sehr geehrte Damen und Herren,
wenn Sie den Beitrag auf unserem Blog genau gelesen hätten, könnten Sie feststellen, dass dieser keine fälschliche Aussagen enthält. Wir beschreiben lediglich die Situation, dass auf der Ihnen zur Verfügung gestellten Fläche israelfeindliche Propaganda zu finden waren und haben dann die Stadt – die Eigentümerin der Fläche ist – dazu aufgefordert, diese umgehend zu entfernen, oder eben Ihren Verein dazu aufzufordern. Wir haben oben ausgeführt:
„Daher erwarten wir von der Stadt Kassel, dass sie Urbane Experimente e.V. auffordert, keine israelfeindliche Propaganda im öffentlichen Raum zu dulden und sofort einzuschreiten und die israelfeindlichen und antisemitischen Parolen sowie die Fahne der Unterstützer des Krieges gegen Israel auf den ihm zur Verfügung stehenden Flächen zu entfernen.“
Sie hingegen haben laut HNA am . März 2024 darauf insistiert, dass Sie sich politisch neutral verhalten. Diese Aussage ist angesichts des 7. Oktober tatsächlich skandalös.
Vor einigen Monaten prangte schon einmal eine Solidaritätserklärung zu den Judenmördern in der Unterführung. Da nichts passierte übersprühten einige unserer Mitstreiter diese Parolen und fügten „Am Yisrael Chai!“ hinzu. Übersetzt heißt dies: „Die israelische Nation lebt“. Das ist angesichts des Strebens der Hamas und vieler Anhänger der Solidaritätsszene für die palästinensische Sache, Israel auszulöschen, eine mehr als angemessene Losung. Sie sind der Auffassung, dass Ihre Flächen mit proisraelischen Parolen „beschmiert“ worden seien. Die im Laufe des 28. Februar am helllichten Tag die Wand gepinselte riesige Fahne der Judenmörder wieder selbst zu übermalen schien uns angesichts des zu erwartenden Publikums dieses Mal jedoch zu riskant und letztlich redundant. Aus diesen Gründen haben wir als Bündnis gegen Antisemitismus Kassel den Weg gewählt, die Verantwortlichen für diese Fläche anzuschreiben. Sofern der Eindruck entstanden ist, dass Sie direkt für die Parole verantwortlich sind, oder diese gar selbst dort angebracht haben, betonen wir noch ein mal: Bei den israelfeindlichen Graffitis handelt sich um eine Aktion der Solidaritätsszene für die palästinensische Sache und es ist die Aufgabe der Stadt und Ihres Vereins hierzu klar Stellung zu beziehen und so etwas zu unterbinden.
BgA-Kassel, 10.03.2024

Die documenta 15 und der Antisemitismus-Skandal. Wer Antizionisten einlädt, erntet Antisemitismus

Präsentation der Broschüre „Die documenta 15 und der Antisemitismus-Skandal. Wer Antizionisten einlädt, erntet Antisemitismus“ mit:

Stefan Hensel (Antisemitismusbeauftragter der Stadt Hamburg) und

Niklas Reuther (Thunder in Paradise)

Eine Veranstaltung des Bündnis gegen Antisemitismus Kassel am Donnerstag, den 22.02.2024 um 17:00 Uhr im Philipp-Scheidemann-Haus

Vor etwa zwei Jahren veröffentlichten wir unsere Recherche über die Gruppe The Question of Funding, die als Künstlerkollektiv auf der als Weltkunstausstellung präsentierten documenta 15 (d15) eingeladen wurde. Auch den Einfluss israelfeindlicher Aktivisten sowohl unter den für die d15 berufenen Künstlern als auch in den Führungsstrukturen der Ausstellung legten wir in unserem Blogbeitrag im Januar 2022 ausführlich dar.

In der Folge kam es zu einer umfassenden gesellschaftlichen Debatte, die bis heute nachwirkt. Die Debatte der Kasseler Öffentlichkeit zeigte, dass lokalpatriotischer Stolz und fehlendes Problembewusstsein jede rechtzeitige Intervention angesichts der zu erwartenden antisemitischen und antizionistischen Agitation auf der d15 vereitelte. Nicht die für Antisemitismus und Israelhass offene ideologische Ausrichtung vieler „Kulturschaffenden“ war Thema in der regionalen Debatte, nicht die impertinente Weise, in der Aktivisten der postmodernen Linken und des sogenannten globalen Südens ihre Agitation als Kunstwerke adelten, sondern der Widerspruch gegen sie wurde zum Problem ernannt, als Herabwürdigung des Standorts Kassel und als Infragestellung der Kunstfreiheit denunziert. Diese sehr spezielle Kasseler Ignoranz offenbarte aber in exemplarischer Weise auch, was für weite Kreise in der Gesellschaft im Allgemeinen gilt: Unverständnis, Ignoranz hinsichtlich des manifesten Antisemitismus in der Kunst- und Kulturszene. Auch die Akzeptanz des Israelhasses und antisemitischer Weltanschauung als spezifischer Ausdruck einer kulturellen Prägung von Aktivisten des „globalen Südens“.

Die d15 schloss mit einem trotzigen Bekenntnis vieler der Aussteller zum Israelhass und mit der Verbrüderung mit den Agitatoren des palästinensischen Volkstumskampfes. Auch hier war aus Kassel kaum Widerspruch zu vernehmen. Wie im Rahmen der Kasseler Kunstausstellung sonst auch üblich, wurden zwei der für den langen antisemitischen Sommer Verantwortlichen mit Gastprofessuren an der Kunsthochschule Kassel und Hamburg „belohnt“.

Ein Jahr nach dem Ende der Kunstausstellung wurde Israel von Todeskommandos aus dem Gaza überfallen. Das Ziel der von zahlreichen Zivilisten aus dem Gaza begleiteten Einsatzkommandos war es, so viele Juden wie möglich zu töten, die jüdischen Siedlungen zu plündern und jüdische Frauen zu vergewaltigen. In vielen europäischen Städten – auch in Kassel – kam es zu Kundgebungen gegen Israel und Bekundung der Sympathie für die Terrorpalästinenser. Begleitet wurden diese Kundgebungen von Äquidistanz, einer klammheimlichen, bisweilen auch offenen Sympathie für den „Widerstand gegen den Siedlerkolonialismus“ aus der Kunst- und Kulturszene.

Symptomatisch für diese Haltung war die bösartige Ignoranz der neu berufenen Findungskommission, die sie ihrem Mitglied, der israelischen Künstlerin Bracha L. Ettinger, entgegenbrachte, die sich angesichts des Pogroms bestürzt zeigte und wegen des anhaltenden Raketenbeschusses durch die Hamas auf ihren Wohnort um einstweiliges Aussetzten der Gremienarbeit bat.

Wir wollen auf unserer Veranstaltung unsere Broschüre vorstellen, der ein Grußwort des Antisemitismusbeauftragten der Stadt Hamburg Stefan Hensel vorangestellt ist. Ferner veröffentlichen wir dort zwei unserer zentralen Blogbeiträge in überarbeiteter Form, den Redebeitrag der Gruppe Thunder in Paradise auf unserer Kundgebung am Eröffnungstag der documenta 15 und das Kurzreferat Lukas Savaris auf unserer Tagung Antisemitismus im Nah-Ost-Konflikt und in der Kunst der postbürgerlichen Gesellschaft“ am 16 Juli 2022. Auf unserer Veranstaltung wird es darum gehen, am Beispiel unsere Recherche die Reaktionen auf das Phänomen des Antisemitismus in Deutschland generell und speziell in Kassel zu reflektieren.

Stefan Hensel wird dabei auf die Berührungspunkte der Stadt Hamburg mit der Kunstausstellung in Kassel eingehen und dabei die Bedeutung der Ausstellung und auf sie folgende Ereignisse für die Situation der Juden und Jüdinnen in Deutschland darlegen.

Niklas Reuther wird auf das Phänomen des rebellisch daherkommenden Antisemitismus im kultur- und identitätssensiblen, von postmodernen, postkolonialen und queeren Diskursen geprägten Milieu eingehen, dem auf der d15 eine öffentlich finanzierte Plattform für Agitation und Propaganda geboten wurde.

Die überarbeitete Auflage unserer Broschüre ist leider vergriffen. Wir stellen sie hier zum Download bereit: Die documenta 15 und der Antisemitismus-Skandal. Wer Antizionisten einlädt erntet Antisemitismus
Es gibt noch gedruckte Exemplare der ersten Auflage, die einige wenige (aber ärgerliche) Druck- und Formatierungsfehler enthält. Broschüre dieser Auflage geben wir gegen ein Spende für 5,00 € (incl. Versandt) ab. Diese können über unsere Kontaktadresse bestellt werden.

Die Veranstalter behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die israelfeindlichen, antizionistischen Organisationen oder Zusammenhängen angehören, die dieser Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch antisemitische, antizionistische oder israelfeindliche Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder sie von dieser auszuschließen.

Die Veranstaltung findet am Donnerstag, den 22. Februar 2024, im Philipp-Scheidemann-Haus, Holländische Straße 72-74 in Kassel statt. Beginn ist 17:00 Uhr.

Die Presse über uns:

Documenta 15-Dokumentation: „Wer Antizionisten einlädt, erntet Antisemitismus“, Ruhrbarone, 11.02.2024

„Sehr spezielle Kasseler Ignoranz“, HNA, 21.02.2024

Lob für documenta-Kritiker, HNA, 24.02.2024

Antizionistischer und israelfeindlicher Propaganda keinen Raum in Kassel

Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Kassel Sven Schoeller

Sehr geehrter Herr Sven Schoeller,

am 19. September 2022 erklärten Sie angesichts der skandalösen Entwicklung der documenta 15, dass wir in Kassel „mit einer historischen Verantwortung“ leben und Sie es nicht erleben wollen, „dass in unserer Stadt offen ausgestellte antisemitische Schmähbildnisse keine heftigen Reaktionen mehr hervorrufen.“1 Auf dem Israel-Day im Sara Nussbaum Zentrum forderten Sie vor dem Hintergrund der stärker gewordenen AfD und eines in Deutschland nach wie vor virulenten Antisemitismus, „das Recht allein hilft uns nicht gegen diejenigen, die es darauf anlegen, unsere Werteordnung zu zerstören. Dafür müssen wir zusammenstehen.“2 Vor dem Hintergrund der von Rechtsterroristen verübten Morde an Halit Yozgat und Walter Lübcke in Nordhessen ist es wichtig vor der Gefahr des Rechtsextremismus zu warnen. In Kassel jedoch geht der Antisemitismus weniger von der AfD aus, von der in Kassel generell nicht viel zu hören ist, sondern von anderen Akteuren.

Die Recherche- und Informationsstelle Hessen (RIAS Hessen) veröffentlichte vor ein paar Wochen ihren ersten Bericht.3 Danach kam es in Hessen im Jahr 2022 zu 179 antisemitischen Vorfällen. Kassel, so die RIAS, liegt dabei mit 52 dokumentierten Vorfällen an der Spitze. Den Höhepunkt erreichten die Vorfälle während der Weltkunstausstellung. Diese Entwicklung wirke sich konkret auf den Alltag jüdischer Bürgerinnen und Bürger aus und „beeinträchtige auch das individuelle Sicherheitsempfinden.“ In der Wochenzeitschrift Jungle World überschrieb der Autor Pascal Beck seinen Artikel über die Veröffentlichung des Berichtes der RIAS mit dem Titel „Die Documenta schafft Angst“.4 In Kassel selbst fand der Bericht der RIAS wenig Echo. Drei weitere kulturelle Ereignisse im laufenden Jahr in Kassel erwecken den Eindruck, als hätten die politisch Verantwortlichen und die des Kasseler Kulturbetriebes keine Konsequenzen aus dem größten kulturpolitischen Skandal der letzten Jahrzehnte gezogen.

Das Café Buch-Oase oder der mit diesem Café eng verbundene Verein Palästinensische Gemeinde – Kassel konnte sich auf dem Frühlingsfest des Schlachthofes5, dem Altstadtfest6 und zuletzt auf der Kasseler Museumsnacht präsentieren. Alle drei Veranstaltungen werden direkt oder indirekt von der Stadt, die Sie repräsentieren, unterstützt.

Auf der Internetseite der Museumsnacht wird das Café Buch-Oase als Ort vorgestellt, in dem Rassismus und Intoleranz keinen Platz hätten.

In der diesjährigen Museumsnacht wurde dem Café Buch-Oase eine Bühne geboten. Im Programmheft, für das Sie das Grußwort verfassten, heißt es: „Im Café Buch-Oase finden Foto- und Gemäldeausstellungen, Konzerte, Lesungen, Kabarett und politische Veranstaltungen statt. Ein Ort der respektvollen Begegnung, an dem Rassismus und Intoleranz keinen Platz haben und Menschen aus aller Welt willkommen sind.“ Die Ausstellung, die das Café im Rahmen der Museumsnacht präsentierte, wurde von Ursula Mindermann konzipiert.

Ursula Mindermann ist nicht nur Unternehmerin und Fotografin, sondern stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft (DPG), die nach israelischen Recherchen mit den Muslim-Brüdern verbandelt ist7 und die, wie auch die Kasseler Regionalgruppe der DPG, zu den erklärten Unterstützern der antisemitischen BDS-Bewegung gehört.8 Ein weiterer Streiter der DPG Kassel, Ulrich Restat, formulierte in einer Rede, die er 2014 vor dem Rathaus in Kassel hielt, den berüchtigten Satz: „Der Tod ist ein Meister aus Israel“.9

In den Räumen des Cafés fanden in der Vergangenheit bis in die jüngste Gegenwart hinein zahllose meistens von der DPG ausgerichtete Veranstaltungen statt, in denen gegen Israel gehetzt, z. T. antisemitische Stereotype verbreitet und für den Boykott Israels, bzw. für die antisemitische BDS-Bewegung geworben wurde.10

Das Café Buch-Oase stellt auch immer wieder den Tarnorganisationen der MLPD Räume zur Verfügung. Die MLPD gehört nicht nur zu den politischen Gruppierungen, für die Stalin und Mao auch heute noch zu den großen historischen Vorbildern gehören, sondern sie ist wie die in Kassel agierende Tarnorganisation dieser Partei, Solidarität International, mit den palästinensischen Terrorgruppen PFLP und DFLP verbunden.11

Am 27. Oktober 2018 wurde die sogenannte Spoken Word Künstlerin Faten El vom Verein Palästinensische Gemeinde – Kassel in das Café Buch-Oase eingeladen. Faten El ist in der Vergangenheit sowohl auf einer Veranstaltung zu Ehren der „Märtyrer“ der Mörderbande DFLP aufgetreten als auch für die Deutsche Jugend Palästina, die Verbindungen mit der terroristischen Hamas hat.12

Unter der Adresse des Cafés firmiert eben dieser Verein Palästinensische Gemeinde – Kassel. Die stellvertretende Vorsitzende des Vereins ist gleichzeitig Betreiberin des Cafés. Diesem Verein wurde sowohl auf dem Kasseler Altstadtfest als auch zum wiederholten Mal auf dem Frühlingsfest die Möglichkeit gewährt, einen Stand zu präsentieren. Der Vorsitzende des Vereins gehörte zu den Teilnehmern der beiden israelfeindlichen Kundgebungen in Kassel am 16. Juli 2022 und am 15. Mai 2021. In der HNA bekannte sich der Vorsitzende am 02. Juli 2022 in einem Interview zur Parole „From the River to the Sea – Palestine will be free“, die für die Abschaffung des jüdischen Staates Israel steht.13

Auf die zugegebener Maßen scharfe Kritik reagiert das Café und dessen Umfeld aggressiv. Diejenigen, die benennen, wofür das Café steht, werden umstandslos als Rassisten diffamiert.

Antisemitismus in der klassischen Form, wie er von rechtsextremistischen Parteien wie dem III. Weg oder Die Rechte und von Nazigruppen wie die inzwischen aufgelöste Scheiteljugend geäußert wird ist in der Gesellschaft weitgehend geächtet und wird in Kassel nur selten öffentlich kundgetan. In der Form antizionistischer Propaganda äußert sich hingegen der Antisemitismus z. B. in den Parolen „Kindermörder Israel“, „From the River to The Sea …“ oder „Khaibar Khaibar ya yahud jaish muhammad sa yahud!“, die in der Vergangenheit 201414, 201715, 202116 und 202217 auf vergleichsweise gut besuchten Kundgebungen auch in Kassel zu hören waren. Auf einigen dieser Kundgebungen kam es zudem zu bedrohlichen Szenen oder es wurden gar jüdische Bürger oder Bürger die sich solidarisch mit Israel zeigten bedroht.

Wie oben angeführt wurde eine dieser antisemitischen Parole von den israelfeindlichen Protagonisten aus dem Umfeld des Café Buch-Oase in der Lokalzeitung HNA offen zu Protokoll gegeben. Der Antisemitismus äußert sich ebenso in der Forderung der BDS-Bewegung, Israel auf allen Ebenen zu boykottieren, für die im Café Buch-Oase regelmäßig Propaganda betrieben wird.

Wir appellieren an Sie als Oberbürgermeister der Stadt Kassel, als Kulturdezernent und Aufsichtsratsvorsitzender der documenta und Museum Fridericianum gGmbH dem israelbezogenen Antisemitismus deutlich zu widersprechen und darauf hinzuwirken, dass israelfeindlichen und antizionistischen Organisationen wie dem Verein Palästinensische Gemeinde – Kassel oder dem Café Buch-Oase zukünftig keine Möglichkeit mehr geboten werden, sich auf städtischen Veranstaltungen oder auf Veranstaltungen, die von der Stadt mitveranstaltet oder unterstützt werden, zu präsentieren.

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1 Sven Schoeller, Stellungnahme zur documenta 15, 19.09.2022.

2 Joachim F. Tornau, Solidarität in schwierigen Zeiten, Jüdische Allgemeine, 20.07.2023.

3 Jahresbericht RIAS Hessen. Antisemitische Vorfälle in Hessen 2022, 2013.

4 Pascal Beck, Die Documenta schafft Angst, Jungle World, 35/2023.

5 Falafel und Israelhass auf dem Frühlingsfest in Kassel, BgA-Kassel, 13.06.2023.

6 Kulturengasse in der Oberen Freiheit.

7 Ehud Rosen, The Spider Web. The Roots of BDS and the Campaign to Delegitimize Israel, Jerusalem, 2018.

8 Auf der Internetseite BDS-Kampagne wird die Regionalgruppe Kassel der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft als unterstützende Gruppe und Organisation aufgeführt.

9 Dora Streibl, Das Gedenken mit Füßen treten, Jungle World, 32 / 2015. Als Vertreter der DPG unterzeichnete Ulrich Restat auch den Brief zur Unterstützung der antisemitischen BDS-Bewegung „Für Meinungsfreiheit auch in der Palästinafrage„. Er befindet sich dabei in guter Gesellschaft mit dem ebenfalls immer wieder im Café Buch-Oase gern gesehenen Gast Werner Ruf.

10 Ausführlich zum Café Buch-Oase siehe: Die Café Buch-Oase Connection, BgA-Kassel, 2018.

11 Über die Verbindungen der MLPD zur PFLP siehe: Stefan Laurin, Die Verbindungen der MLPD zur palästinensischen Terrorgruppe PFLP, Ruhrbarone 2017. Die in Kassel agierende Tarnorganisation der MLPD Internationalistischen Bündnis ist hingegen mit der DFLP verbunden, siehe: Hans Roth und die Abgründe, die sich in Rothenditmold (Kassel) auftun, BgA-Kassel, 2021.

12 Über den Auftritt Faten El und Quellen siehe FN 10.

13 Antisemitismus auf documenta: „Deutschland hat ein Problem mit seiner Erinnerungskultur“, HNA, 02.07.2022. Weitere Angaben über die Verbindung des Vereins Palästinensische Gemeinde Kassel zum Café Buch-Oase, siehe: FN 10.

14 Die größte derartiger antisemitischer Kundgebungen, bei der es zu massiven Bedrohungen gegen Teilnehmer einer kleinen Kundgebung zur Solidarität mit Israel kam und die aufgrund ihrer deutlich antisemitischen Ausrichtung Angst und Schrecken unter den Kasseler Juden auslöste fand 2014 in Kassel statt. Siehe: Martin Sehmisch, Angst in Kassel, Jüdische Allgemeine, 16.07.2014.

15 Der judenfeindlich Schlachtruf „Khaibar Khaibar ya yahud jaish muhammad sa yahud!“ Auf deutsch: „Juden, erinnert euch an Khaibar, die Armee Mohammeds kommt zurück!“ wurde im Jahr 2017 auf einer Kundgebung am Rathaus Kassel skandiert. Khaibar – Khaibar – Allahu Akbar – Jerusalem ist unser! BgA-Kassel 2017.

16 Am 15. Mai 2021 mobilisierte die der PFLP nahestehende Gruppe Samidoun und das temporär in Erscheinung tretende Bündnis Palästina spricht bundesweit Kundgebungen. Auch in Kassel fand eine Kundgebung statt. Dort sprach der Mitbetreiber des Café Buch-Oase Jörg Ulloth. Auf der Kundgebung wurden antisemitische Parolen skandiert, jüdische Bürger Kassels wurden bedroht und es zeigten sich Sympathisanten der Hamas. Ausführlich: From the River to the Sea – Der Mob formierte sich auch in Kassel, BgA-Kassel 2021.

17 Zur Eröffnung der documenta 15 mobilisierte die Kasseler Szene der Israelhasser zu einer Kundgebung auf der zum widerholten Male die Parole „From the River to The Sea – Palestine will be free“ skandiert wurde und Israel als Apartheidstaat verunglimpft wurde. Siehe: documenta in Kassel: Steinmeier bezieht Stellung – Proteste begleiten Eröffnung, HNA, 20.06.2022. Auch hier kam es zu Bedrohungen gegen Personen, die sich solidarisch mit Israel zeigten.

Falafel und Israelhass auf dem Frühlingsfest in Kassel

Am 15. Mai 1974 kam es in Israel zu einer Geiselnahme in einer Schule. Als Sicherheitskräfte versuchten, die rund 100 Schüler und Lehrer zu befreien, warfen die Geiselnehmer zwei Handgranaten auf die Schüler und beschossen sie anschließend mit ihren Maschinenpistolen. 22 Schüler wurden von den Geiselnehmern ermordet. Weitere 6 Erwachsene ermordeten sie, als sie sich den Weg in die Schule bahnten.1 Was hat dies lang zurück liegende Ereignis mit Kassel zu tun? Die Geiselnehmer waren palästinensische Terroristen der Gruppe Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP)2 und deren ideologischer Background hat einen propagandistischen Nachhall auch in Kassel.

Auf dem jährlich vom Kulturzentrum Schlachthof ausgerichteten Frühlingsfest wurde der Palästinensischen Gemeinde – Kassel e.V. erneut die Möglichkeit geboten, einen Stand zu betreiben, an dem laut HNA vom 05.06.2023 sehr erfolgreich Falafel feilgeboten wurde.3 Auf der Homepage der Palästinensische Gemeinde – Kassel e.V. kann man lesen, dass sie am 27.10.2018 „die junge deutsch-palästinensische Künstlerin, Autorin und Politologin Faten El“ in das Café Buch-Oase eingeladen hatte.4 Faten El-Dabbas ist nicht nur Künstlerin und Autorin, sondern steht der DFLP nahe. Im Februar 2015 trat El-Dabbas bei einer Berliner Festveranstaltung zum 46. Jahrestag der Gründung der extremistischen DFLP auf. Auf der Veranstaltung wurden die „Märtyrer“, sprich Mörder und Terroristen, der DFLP mit einer Gedenkminute gewürdigt. El-Dabbas arbeitet für die JUMA, einem Verein, dem Verbindungen zur Muslim-Bruderschaft nachgesagt wurden. Auch hatte die „Künstlerin“ keine Probleme damit, für die Deutsche Jugend für Palästina (DJP) aufzutreten, einer Organisation, die dem Umfeld der Hamas zuzuordnen ist.5

Im Vorstand der Palästinensischen Gemeinde – Kassel e.V. sind Dana Al Najem und Ahmed Tubail vertreten. Tubail beteiligte sich am 15.05.2021 neben der ehemaligen „Chefin“ (HNA) der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft Kassel, Brigitte Domes, an einer Kundgebung, auf der antisemitische Parolen verbreitet wurden, bei der Hamas-Anhänger zugegen waren und bei der es zu Bedrohungen gegenüber Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde kam.6 In der HNA vertrat Tubail in einem Interview die These, dass die Parole „From the River to the Sea“ eine „gerechte Forderung nach Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit“ sei.7 Die Parole steht für die Liquidierung des jüdischen Staates Israel. Tubail beschreibt ferner die antisemitische BDS-Bewegung8 als Ausdruck eines „friedlichen Protest im Sinne von Mahatma Gandhi“ und den Boykott „israelischer Produkte aus den Siedlungen“ als Selbstverständlichkeit.

Al Najem ist neben Jörg Ulloth Betreiberin des Café Buch-Oase, das seit Jahren insbesondere unter Beteiligung des Vereins Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft Kassel israelfeindliche Propaganda betreibt. Diese Gesellschaft gehört namentlich zu den Unterstützern der antisemitischen BDS-Bewegung. Zahllose Beispiele antiisraelischer Agitation sind in unserem Blog-Beitrag „Die Café Buch-Oase Connection“ aufgeführt.9 Die Palästinensische Gemeinde – Kassel e.V. firmiert unter der gleichen Adresse wie das Café Buch-Oase.

Auf dem Stand der Palästinensischen Gemeinde – Kassel e.V. des Frühlingsfestes wurde nicht nur Falafel verkauft, sondern auch ein Flugblatt verteilt, das eine Veranstaltung mit Fuad Hamdan im Café Buch-Oase bewirbt. Fuad Hamdan ist Leiter des Dritte Welt Zentrums im Eine-Welt-Haus in München, das Israelhass und BDS-Propaganda Raum gibt.10 Das Flugblatt, das uns vorliegt, ist überschrieben mit „Apartheid, Nakba, ethnische Säuberungen: Bittere Realität für Palästinenserinnen – kein Thema für die ‚werteorientierte deutsche Außenpolitik‘“. Der Begriff „Apartheid“ trägt nicht zum Verständnis des Konflikts Israels mit den Palästinensern bei, vielmehr dient er der einschlägigen Szene zur Diffamierung Israels. Auch Tubail führte in dem oben genannten Interview mit der HNA aus, dass Palästinenser in einem „Apartheid-Regime“ leben. Ebenso problematisch ist der Begriff „Nakba“ im Zusammenhang der Rezeption der Folgen des arabischen Angriffskrieges gegen Israel im Jahr 1948.11 Auch diese beworbene Veranstaltung wird von der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft Kassel ausgerichtet. Dieses Jahr wurde ferner am 24.01.2023 der Autor Arn Strohmeyer eingeladen, im Café Buch-Oase über „Falsche Loyalitäten“ zu referieren. Strohmeyer sieht in Israel einen Staat, der geschickt im Hintergrund Einfluß nähme, um den Antisemitismus-Begriff zu instrumentalisieren damit die BDS-Bewegung („Die einzige Hoffnung der Palästinenser“) diskreditiert werden könne.12

Der Bundestagsbeschluss zur antisemitischen Boykottbewegung BDS forderte insbesondere die Kommunen und die Länder auf, den Propagandisten der BDS-Bewegung entschieden entgegenzutreten.13 Das Kulturzentrum Schlachthof wird zu nicht unerheblichen Teilen aus öffentlichen Mitteln der Kommune Kassel finanziert, das „Frühlingsfest“ aus Mitteln des Landes Hessen und des Bundes. Wenn der von fast allen Parteien im Bundestag getragene Beschluss zur BDS-Bewegung irgendeine Bedeutung haben soll, verbietet es sich auch aus diesem Grund antiisraelischen Agitatoren, wie die aus dem Verein Palästinensische Gemeinde – Kassel e.V., eine viel beachtete Plattform zu bieten.

Auf der Homepage des Kulturzentrums Schlachthofs ist zu lesen, „als soziokulturelles Herz Kassels verbindet das Kulturzentrum Schlachthof seit seiner Gründung im Jahr 1978 in seiner Arbeit Menschen aller Nationen und Kulturen. Wir verstehen uns […] als Gestalter von Integration und Teilhabe von Menschen unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft, als Ort, an dem Mitarbeiter*innen, Teilnehmer*innen und Bewohner*innen kulturelle Vielfalt und lebendiges Miteinander immer wieder neu gestalten.“

Wer für „kulturelle Vielfalt und lebendiges Miteinander“ wirbt, der sollte eine klare Haltung gegen die Feinde Israels einnehmen, für die eben dieser Verein steht, der auf dem Frühlingsfest erfolgreich Falafel verkaufen konnte. Ob das Team Schlachthof im Namen der kulturellen Vielfalt und eines lebendigen Miteinanders die Agitation der Berufspalästinenser gegen Israel als ihre angeborene Eigenschaft und nicht abzulegenden spezifisch kulturell erworbenen Habitus toleriert, oder erkennt, dass der Israelhass und Antizionismus entweder eine Form des Antisemitismus ist oder regelmäßig mit Antisemitismus einhergeht14, bleibt genauso abzuwarten, wie die Reaktion der politisch Verantwortlichen, die wir alle angeschrieben haben.

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Wir haben das Kulturzentrum Schachthof angeschrieben. Hier kann unser Brief nachgelesen werden.

Auch die Stadtverordneten, den Oberbürgermeister und Kulturdezernent in spe Sven Schoeller und das Hessische Ministerium für Kunst und Wissenschaft haben wir angeschrieben. Hier kann das Schreiben nachgelesen werden.

Verweise

1 Terror im Nahen Osten. So erlitten Israels Elitekämpfer ihre schwerste Niederlage, welt.de, 15.05.2021.

2 Die DFLP ist eine Abspaltung der linksextremistischen palästinensischen Terrorgruppe PFLP. Die DFLP wird in der EU und den USA nicht mehr als Terrorgruppe geführt, gehört aber einem Bündnis palästinensischer Gruppen an, die im Bunde mit der HAMAS bis heute an den regelmäßigen Raketenangriffen auf Israel beteiligt sind. Vgl.: Joe Truzman, Bewertung von Israels Operation „Schild und Pfeil“, mena-watch, 23.05.2023; Der militärischem Arm der DFLP, „die ‚National Resistance Brigades‘, leistet jedoch ein klares Bekenntnis zum Terrorismus. In einem 2016 veröffentlichten Video erklärt ein Sprecher der National Resistance Brigades, dass man einen neuen ‚Terror-Tunnel‘ errichtet habe, der in israelisches Staatsgebiet reichen soll.“, Florian Markl, Nächste palästinensische Terror-Feier in Berlin, mena-watch, 22.02.2017.

3 Bunte Power-Party der Kulturen. Internationales Frühlingsfest lockt Tausende in die Nordstadt, HNA, 05.06.2023. Auch 2019 bot das Kulturzentrum Schlachthof dem Verein die Möglichkeit sich zu präsentieren. Vgl.: Bündnis gegen Antisemitismus, Antisemitismus und Völkische auf Kassels Sommer- und Straßenfesten, Eintrag 17.06.2019.

4 Faten El in Kassel, Eintrag 4.11.2018, https://pg-kassel.de/blog/ .

5 Müller und das Wiesenthal-Zentrum: Hat Berlins SPD ein Antisemitismus-Problem?, Tagesspiegel, 08.09.2017.

6 From the River to the Sea – Der Mob formiert sich auch in Kassel, Bündnis gegen Antisemitismus, Eintrag 18.05.2021.

7 „Blick von außen lässt man nicht zu“. Interview – Der Palästinenser Ahmed Tubail über Israel-Kritik auf der doumenta, HNA; 02.07.2022.

8 BDS steht für „Boykott, Divestment und Sanctions“. Ausführlich über den antisemitischen Charakter und über deren Gründer, vgl. Alex Feuerherdt, Florian Markl, Die Israelboykottbewegung. Alter Hass in neuem Gewand, Leipzig 2020.

9 Bündnis gegen Antisemitismus Kassel, Die Café Buch-Oase Connection, Eintrag 08.09.2018.

10 Keinen Raum geben. Viele Städte wollen BDS-Veranstaltungen verhindern, Jüdische Allgemeine, 17.07.2017. Auch Fuad Hamdan selbst gehört zu denen, die seit Jahren von „ethnischen Säuberungen durch ‚jüdische Verbände‘ schwadronieren, von der ‚Entrechtung eines ganzen Volkes‘ und von den angeblichen Parallelen zwischen Israel ‚und dem Apartheidregime in Südafrika‘, das ‚nur durch Boykott der Weltgemeinschaft besiegt und beendet‘“ werden kann. Zit. n. Alex Feuerherdt, Allahu Nakba, Lizas Welt, 19.08.2008.

11 Gemäß eines aktuellen Gutachtens steht der Begriff „Nakba“für Auslassungen, Einseitigkeiten und Verzerrungen „zum Zweck, die Palästinenser*innen als bloße Opfer und die Zionist*innen als Täter darzustellen, die von langer Hand Vertreibungen geplant hätten.“ Sebastian Voigt, Gutachten zur Ausstellung „Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“, Institut für Zeitgeschichte, 06.06.2023.

12 Siehe: Arne Strohmeyer, „BDS ist die einzige Hoffnung der Palästinenser“. Anmerkungen zu einer Bewegung, die für Freiheit und Selbstbestimmung eines ganzen Volkes kämpft, arnstrohmeyer.de, 06.07.2021, (https://www.arnstrohmeyer.de/zeitgeschehen/israelpalaestina/der-nahost-konflikt-bds-und-der-antisemitismus)

13 Bundestag verurteilt Boykottaufrufe gegen Israel.

14 Über den Zusammenhang von Antizionismus und Antisemitismus gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Abhandlungen. Aktuell dazu Stephan Grigat: „In den meisten Spielarten des Antizionismus treten antisemitische Ressentiments heute als eine spezifische Form des Antisemitismus nach Auschwitz auf.“ Ausführlich: Kritik des Antisemitismus heute, Aachen 2022, S. 9ff.

Atomic-FAZ features Everybody’s Darling Meron Mendel

Phantasien über die Bundeswehr
(vom Gast-Autor Günther Jacob)

Ein Interview mit Meron Mendel hat die Atomic-FAZ1 provokant mit der Headline „Steht die Bundeswehr demnächst an der Klagemauer?“2 versehen. Auch in der gedruckten Ausgabe, wo die riesige Überschrift noch erschreckender wirkt. Man sieht die Überschrift und weiß in dem Moment noch nicht was damit gemeint ist? Wie kommt die Bundeswehr an die Klagemauer? Diese Irritation ist natürlich beabsichtigt: eine deutsche Phantasie steht kurz im Raum und wird dann wieder eingefangen und eingeordnet.

Gleichzeitig erschienen mehrere redaktionelle Artikel, in denen vor einem israelischen Faschismus gewarnt wird. Das Thema kommt an: „Israelkritik“ kann jetzt in der Rolle des besorgten deutschen Antifaschisten vorgetragen werden. Gestern Trump und die Polen, jetzt die Israelis: die Deutschen müssen überall die Brandherde löschen und gefallen sich in dieser selbst erfundenen Rolle. Nur im Iran machen sie eine Ausnahme. Bundeswehr an der Klagemauer? Die Entscheidung für diese widerliche Headline über dem unsäglichen Interview mit dem unsäglichen Mendel ergibt sich nicht zwingend aus dem Text. Es geht dort um die Frage, ob aus der von Merkel formulierten deutschen Verpflichtung zur Unterstützung Israels im Kriegsfall auch eine militärische Beistandsverpflichtung folgt?

Natürlich ist es völlig absurd anzunehmen, dass in einem Kriegsfall die Frontlinie an der Klagemauer verlaufen sollte. Wer sollte die IDF dorthin abdrängen (Hamas, Hisbollah, Assad?) und warum sollte sie dort ausgerechnet von der Bundeswehr geschützt werden müssen?

Das absurde Beispiel kommt von dem „Historiker“ Mendel3. Mendel wuchs in Israel in einem Kibbuz in der Wüste auf und studierte in Haifa, dann in München und war in Israel in der Givʿat Chaviva4 aktiv. Jetzt spricht er als guter Deutscher von „unserer Bundeswehr“. Sollen „wir“ Soldaten nach Jerusalem schicken? Und dann folgt der Satz von der Bundeswehr an der Klagemauer5, von dem die Atomic-FAZ so begeistert ist, dass sie ihn als Artikelüberschrift wählt.

Die Subjektposition „Meron Mendel“, eine Sprechpuppe, die ständig sagt: „ich als Historiker“, obwohl sie nur mit tagespolitischen Kommentaren zitiert wird, ist eine Erfindung der deutschen Medien, die ihn als Kronzeugen gegen den „dogmatischen“ Zentralrat brauchen und einsetzen und zusammen mit seiner muslimischen Frau als Beispiel für „interreligiöse“ Diversität.

Als Kronzeuge gegen die Jüdischen Gemeinden wurde er besonders während der documenta 15 eingesetzt, danach im Fall HFBK.6 Man muss nur die Plattitüden in seiner ersten Antwort auf die erste dumme FAZ-Frage lesen, um zu verstehen was für ein „Historiker“ dieser „Diskursgauner“ (BGA Kassel) ist. Peinliche Phrasen wie: „Jede deutsche Debatte über Israel geschieht vor der Kulisse (!) der Vergangenheit“, sind bei ihm Vorlagen, um von der Atomic-FAZ einem „nüchternen“ Blick auf Israel zu verlangen und in antisemitischer Manier mit einer geschmacklosen Metapher vor einem deutschen „Blankoscheck“ (sic!) für das „nationalistische“ Israel zu warnen.

Man weiß sofort, warum er für die anti-nationalistische FAZ der Traum-Israeli ist. Der Mann grenzt sich nur vom BDS ab, um im gleichen Atemzug die israelische Regierung mit dem BDS gleichzustellen und Deutschland vorzuschlagen, sich gegenüber Israel nicht mehr verpflichtet zu fühlen. Die pro-iranische FAZ, die Trump dafür kritisierte, dass er Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannte, heuchelt zurück: „Wegen Trump stellte auch niemand das Existenzrecht der USA in Frage. Bei Israel ist man geneigt zu sagen, die Anerkennung halten wir aufrecht angesichts der Holocaust-Erfahrung, oder nicht?“ (Hervorhebung vom Autor) Auf diesen nicht zufällig verunglückten Satz (wessen „Holocaust-Erfahrung“ meinen sie?) antwortet der „Historiker“: Israel ist bald nur noch „auf dem Papier“ ein sicherer Hafen für Juden! Das diktiert der den Journalisten der FAZ in den Blog, der ständig den Namen „Anne Frank“ für seine Zwecke nutzt. Und die FAZ stimmt begeistert ein: Wenn sich die „religiösen Fanatiker“ dort durchsetzen, ist Israel „nicht mehr der Staat der Geflüchteten“, sondern der Staat der „Siedler“ und dann ist Deutschland, das Millionen an Abbas und indirekt an die Hamas zahlt, endlich raus aus dieser Nummer mit dem nervigem „opferzentriertem Narrativ“ und seinem partikularen „Nie wieder!“.

Da kann die Zeitung für Deutschland dann fragen: „Haben Sie eine Idee für uns Deutsche? Wie wir aus dieser … scheinheiligen Lage herauskommen?“ (Hervorhebung vom Autor) Und der „Historiker“ antwortet: „Ja, mit mehr Ehrlichkeit“, mit mehr „Klartext“ und mehr deutschen NGOs, die in Israel „hineinwirken“.

Dieser Mann schreibt mit Heinz Bude gerade an einem weiteren „Abschlussbericht“ zur documenta.

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1 Seit 2/22 hat die FAZ drei Mal auf der Titelseite die deutsche Atombombe gefordert. Reinhard Müller meint, dadurch könne sich Europa, indem die USA traditionell den Ton angeben, emanzipieren. Atomwaffen für Deutschland? FAZ, 20.04.2020

2 Steht die Bundeswehr demnächst an der Klagemauer? FAZ, 04.03.2023.

3 Mendel promovierte über Lebensrealitäten jüdischer Jugendliche in Deutschland bei Micha Brumlik. (Wikipedia).

4 Givʿat Chaviva wurde 1949 als Kulturstiftung der Bewegung […] Ha-Schomer ha-Zaʿir gegründet […]. Als im Laufe der Zeit immer deutlicher wurde, dass die Freiheit und Gleichheit der Kibbuzbewegung und die Ungleichheit von Israelis und Arabern in einem Widerspruch standen, begann sich die Organisation der jüdisch-arabischen Verständigung zuzuwenden. […] Ziel ist es seither, die Integration der arabischen Minderheit Israels zu fördern, zum gegenseitigen Kennenlernen und zum Verständnis zwischen Juden und Arabern beizutragen sowie die Friedensforschung im Nahen Osten zu fördern. (Wikipedia).

5 (FAZ): Und die spannende Frage bleibt, was genau gemeint ist damit. (Mendel): Richtig. Heißt das, die Bundeswehr steht demnächst an der Klagemauer? Dass wir Soldaten nach Jerusalem schicken?

6 Vgl.: Dialog mit den Propagandisten des Israel-Hasses in Hamburg und die Ruhe in Kassel.

Hate to say I told you so

Eine Chronologie: Frühe Kritik – Schuldabwehr, Ignoranz und Antisemitismus auf der Weltkunstaustellung in Kassel

Am 07. Januar 2022 veröffentlichten wir den Beitrag „Documenta fifteen: Antizionismus und Antisemitismus im lumbung“. Dort kritisierten wir die grundlegende Ausrichtung der documenta, die Zusammensetzung der künstlerischen Leitung und des documenta-Beirates und führten am Beispiel der Gruppe The Question of Fundig aus, dass ein systematischer Zusammenhang von Antizionismus, Israelhass und Antisemitismus besteht, der in den auf der Weltkunstausstellung zu erwartenden Kunstwerken Ausdruck finden wird. Unsere Annahme, dass die Gefahr bestand, dass die Kunstausstellung antizionistischer Propaganda eine Bühne bietet, war substantiell und wohl begründet.

In dem nun veröffentlichten Abschlussberichtes des vom Aufsichtsrat der documenta GmbH berufenen Gremium zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta fifteen heißt es:

„Die documenta fifteen fand vom 18. Juni bis 25. September 2022 unter der künstlerischen Leitung des Kurator*innenkollektivs ruangrupa statt. Bereits im Vorfeld der Ausstellungen waren Befürchtungen laut geworden, dass es bei der Ausstellung zu antisemitischen Vorfällen kommen könnte. Diese bewahrheiteten sich bereits am Eröffnungswochenende durch den Fund zweier antisemitischer Darstellungen in dem Werk People’s Justice des Künstler*innenkollektivs Taring Padi. Auch gegen andere Werke wurden in den folgenden Wochen Antisemitismusvorwürfe erhoben.“1

Zunächst nahmen einige Autoren wichtiger überregionaler Zeitungen (wie Zeit, NZZ,Welt, BILD, FAZ und sogar die TAZ und der Spiegel) unsere Anfang Januar 2022 veröffentlichte Kritik auf2, der sich im Mai dann auch der Zentralrat der Juden, die WerteInitiative und das American Jewish Comittee (AJC) anschlossen.3 Ein Problembewusstsein ließen jedoch weder Christian Geselle als Aufsichtsratsvorsitzender der documenta GmbH und – bis auf die FDP, die Junge Union Kassel, das Sara Nussbaum Zentrum und das Jungen Forum DIG – irgendein anderer relevanter Akteur der Stadt und der „Zivilgesellschaft“ erkennen. Im Gegenteil. Geselle ließ am 16.01.2022 in einer Pressemitteilung verlauten: „Mit dem indonesischen Künstlerkollektiv Ruangrupa kuratieren 2022 zum ersten Mal Vertreter aus Asien die documenta, die auch die Perspektive des globalen Südens berücksichtigen. Dabei seien unter anderem die Hinterfragung von Machtverhältnissen und dekoloniale Ansätze zentrale Gegenstände. […] Die Freiheit der Kunst zu wahren und zu verteidigen sei [..] Aufgabe aller, die an die Werte unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung glauben. Eine Überprüfung […] dürfe es nicht geben […]“.4 In erschütternder Ignoranz oder Ahnungslosigkeit tat dann Geselle vor der Kamera der Hessenschau kund, im Falle der völkisch-nationalistischen und antisemitischen Propaganda des umstrittenen Künstlerkollektivs aus Palästina handele es sich um die künstlerische Befassung mit landwirtschaftlichen Fragen. Dies sei von der Kunstfreiheit gedeckt.5

Am Holocaustgedenktag 27.01.2022 besuchte eine Delegation aus Kassels Partnerstadt Ramat Gan Kassel. Obwohl die Diskussion um die fragliche Ausrichtung der documenta in der überregionalen Presse schon im Gange war und es klar war, wen man nach Kassel geholt hatte, ließ es sich der Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende Geselle nicht nehmen, sich mit den Teilnehmern der Delegation aus Israel vor dem ruru-Haus abzulichten. Dort, so hieß es in einer Pressemitteilung der Stadt, wurden „sie durch die documenta‐Generaldirektorin Dr. Sabine Schormann und Reza Afisina, Mitglied der documenta fifteen‐Kuratorengruppe ruangrupa, begrüßt.“6 Reza Afisina unterzeichnete, wie viele andere Protagonisten der documenta 15, die Erklärung A Letter Against Apartheid in der ausdrücklich auch der kulturelle Boykott Israels gefordert wird.

Auch die künstlerische Leitung der documenta 15 wies jede Kritik zurück und versuchte den Spieß umzudrehen. In der ersten ausführlicheren Erklärung wurde am 12.01.2022 dementiert, dass es jemals zu Antisemitismus auf der documenta 15 kommen könnte und man warf den Kritikern vor, rassistisch zu diffamieren und verfälschende Berichte lanciert zu haben. Man erklärte den Hass auf Israel als eine Form sich in lokalen Kontexten angesichts „herausfordernder Fragen unserer Gegenwart“ zu engagieren. Um diesen entsprechend zu kontextualisieren und als legitime Stimme erklären zu können, kündigten die documenta-Macher ein internationales Expertenforum an, das „Stimmen aus verschiedenen Bereichen, darunter Kolonialismus- und Rassismusforschung, Land Right Studies, Indigenous Studies, Holocaust- und Antisemitismusforschung“ versammeln sollte, um in einer Debatte über das Grundrecht der Kunstfreiheit angesichts von „steigendem Rassismus und Antisemitismus und zunehmender Islamophobie zu diskutieren.“7

Nach diesem Potpourri aus Nebelkerzen, postkolonialer Holocaustrelativierung und islamischer Opferideologie verkündete Geselle: „Für mich ist die Angelegenheit mit dieser Erklärung erledigt“. Die HNA berichtete, dass er keine Anzeichen dafür sehe, „dass das Existenzrecht Israels seitens der documenta infrage gestellt werde.“ Gleichzeitig war es ihm wichtig darauf hinzuweisen, dass die Menschen in Palästina ebenso das Recht auf ein selbstbestimmtes, friedliches und würdevolles Leben hätten. In freier Assoziation fügte Geselle hinzu, genau dies sei das Ansinnen der geladenen Künstler nach ökonomischer und sozialer Autonomie.8 Mit Menschen in Palästina meinte Geselle die Palästinenser. Freilich gibt es Palästina nur als geographische Bezeichnung eines Landstriches, zwischen Jordanien und dem Mittelmeer. In der nationalen Ideologie der Palästinenser ist, wenn von Palästina als anzustrebender Staat die Rede ist, genau dieser geographische Raum gemeint. Die Parole „From the river to the sea – Palestine will be free!“ sagt genau dies aus. Nichts anderes bedeutet die angestrebte ökonomische und soziale Autonomie, die vom Oberbürgermeister den Künstlern als zentrales Anliegen völlig richtig zugeschrieben wird, ohne zu verstehen, was er damit gesagt hat.

An dieser Grundhaltung änderte sich bis zur Eröffnung der documenta 15 nichts. Noch am Mittwoch, den 15.06.2022, also unmittelbar vor der Eröffnung der documenta 15, feierten sich Christian Geselle, Angela Dorn und Sabine Schormann im Auestadion selbst und wiesen die mittlerweile immer deutlicher werdende Kritik als von außen aufgezwungen und dem Gegenstand als unangemessen zurück. „Er appellierte, genau hinzuschauen: Es würden Fragen diskutiert, die bei der Ausstellung überhaupt nicht zur Debatte stünden.“9 (Hervorhebung d.d.V.)

Antisemitismus auf dem Friedrichsplatz und fehlende fachliche Kompetenz

Am 18.06.2022 hängte die Agitprop-Truppe Taring Padi das nun weltbekannte Banner auf, das – unter anderem – eine bösartige Karikatur eines Juden zeigte, die abgesehen von der SS-Rune am Hut auch im Stürmer hätte stehen können. Das Banner wurde zunächst verhüllt und erinnerte in diesem Zustand – ein Schuft, wer Böses dabei denkt – an die Ka’aba oder doch zumindest an den von Christo verhängten Reichstag als Symbol des wiedergutgewordenen Deutschland. Erst nach diesem dummdreisten Versuch, einen Schandfleck auch noch zu heiligen, musste das Banner schließlich verschwinden. Die „Tokyo Reels“, eine Ansammlung von Propagandafilmchen zum Ruhme der antisemitischen Söldnerbande PFLP, liefen hingegen vom ersten bis zum letzten Tag der documenta.

Nachdem dem Coup der Taring Padi, zeigte sich Geselle zerknirscht und gab sich wütend und enttäuscht. Und wie immer wenn es zu antisemitischen Vorfällen kommt, nicht den Juden wird damit in erster Linie Schaden zugefügt, sondern es sei „ein immenser Schaden für unsere Stadt und die documenta entstanden.“10 Vor dem Hintergrund, dass die Führung der documenta 15 mit Israel-Hassern durchsetzt war, dass es der Gruppe Taring Padi gelang ein „Protest – Banner“11 aufzuhängen, war es dem Oberbürgermeister weiterhin wichtig zu warnen, die „documenta fifteen nicht unter Generalverdacht“ zu stellen, denn die künstlerische Leitung habe „sich ebenfalls klar gegen Antisemitismus, Rassismus und jegliche Art von Diskriminierung positioniert.“12 Wie sich eine künstlerische Leitung, die sich überwiegend der Boykottbewegung gegen Israel verbunden fühlt, klar gegen Antisemitismus aussprechen kann – blieb nicht nur das Geheimnis des Oberbürgermeisters und Aufsichtsratsvorsitzenden.

Auf der etwa einen Monat später folgenden Sitzung des Aufsichtsrates war erneut die Rede davon, dass der documenta Schaden zugefügt worden sei, Vertrauen sei verloren gegangen, dies gelte es nun zurückzugewinnen. Man schickte die Generaldirektorin Sabine Schormann in die Wüste. Darüber nachzudenken, dass man die Antisemiten von Taring Padi, The Question of Funding, Hamja Ahsan – um nur die schlimmsten zu nennen – nach Hause schickt und die Kuratoren nun an die kurze Leine nimmt, galt nach wie vor als Sakrileg. Nach dem Motto, wenn Du nicht mehr weiter weißt, bilde einen Arbeitskreis, empfahl der Aufsichtsrat der Gesellschafterversammlung „eine fachwissenschaftliche Begleitung einzusetzen, die sich aus Wissenschaftler*innen zum Gegenwartsantisemitismus, deutschen sowie globalen Kontext und Postkolonialismus sowie der Kunst zusammensetzt.“13 Ein paar Tage später ernannte der Aufsichtsrat Alexander Fahrenholtz zum Nachfolger Schormanns. In einem Interview in der deutschen welle gab der neue Geschäftsführer folgenden bemerkenswerten Satz von sich: „Ich würde nie öffentlich sagen, dieses oder jenes ist antisemitisch und anderes nicht, dazu fehlt mir die fachliche Kompetenz.“14

Die, die genau hinschauten und die, die weiter machten!

Das dann gebildete Gremium zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta fifteen schaute genau hin, nahm die Arbeit auf und wurde, wie einige Journalisten, Besucher und Kritiker vorher auch, fündig. Am 10.09.2022 veröffentlichen einige Mitglieder des Gremiums eine Erklärung, die sich ausschließlich der Filmvorführung der Gruppe Subversive Film widmete. Dort konnte man dann von denen lesen, die genau hinschauten, was für Fragen auf der Ausstellung im Focus einiger Künstler standen:

„Auf der Ebene der ausgestellten Werke ist es aus Sicht des Gremiums die dringlichste Aufgabe, die Vorführung der unter dem Namen Tokyo Reels Film Festival gezeigten Kompilation von pro-palästinensischen Propagandafilmen aus den 1960er-1980er des Kollektivs ‚Subversive Film‘ zu stoppen. Hoch problematisch an diesem Werk sind nicht nur die mit antisemitischen und antizionistischen Versatzstücken versehenen Filmdokumente, sondern die zwischen den Filmen eingefügten Kommentare der Künstler:innen, in denen sie den Israelhass und die Glorifizierung von Terrorismus des Quellmaterials durch ihre unkritische Diskussion legitimieren. […] Israel wird ein ‚faschistischer‘ Charakter vorgeworfen und unterstellt, einen ‚Genozid‘ an den Palästinensern zu betreiben – es wird dadurch mit dem nationalsozialistischen Deutschland gleichgesetzt. Eine solche Gleichsetzung der israelischen Politik mit der der Nationalsozialisten ist etwa nach der Definition der International Holocaust Remembrance Alliance, die von vielen Nationen, darunter auch einigen Ländern des Globalen Südens, übernommen wurde, als antisemitisch zu bewerten. […] Nach Auffassung der unterzeichnenden Mitglieder des Gremiums ist das ‚Tokyo Reels Film Festival‘ das eklatanteste Beispiel für eine Einseitigkeit der documenta fifteen in Hinblick auf den arabisch-israelischen Konflikt, mit dem sich vergleichsweise viele Werke beschäftigen.“15

Auch wenn es diese Personen aus dem Gremium nicht wörtlich ausführen, unsere Einschätzung über die documenta 15, die von zahlreichen anderen Journalisten, Kritikern und jüdischen Verbänden geteilt wurde, war richtig. Doch die harsche Kritik der Experten blieb ohne Konsequenz. Die Standardfloskeln, vor einem Generalverdacht zu warnen und doch erst mal die Ausstellung zu besuchen, blamierten sich vor der Wirklichkeit. Die Argumentation des, von der HNA dreimal ins Feld geführte, Joseph Croitorus bis auf das Banner der Taring Padi nirgends Antisemitismus und Israelhass erkennen zu wollen, erwies sich, wie die früheren Versuche einiger Experten aus der Szene der Kulturschaffenden, die documenta 15 reinzuwaschen, den Israelhass und Antisemitismus zu relativieren und die Kritiker des Rassismus zu überführen, als völlig substanzlos.

Die documenta-Macher stellten ihre Ohren auf Durchzug, gerierten sich als Opfer16 und verbannten die Kritik des Gremiums förmlich vor die Tür. Sie bekannten sich bis zum Schluss trotzig zum palästinensischen Volkstumskampf17 und wie zum Hohn spuckten die von Ruangrupa angeführten Künstler in einer Erklärung allen in Gesicht, die der Meinung waren, man müsse mit den Künstlern den Dialog führen indem sie sich ausdrücklich mit dem Kampf gegen Israel solidarisierten, Plakate mit solidarischem Bezug zu BDS aufhingen und am Porticus des Fridericianums ein Transparent aufhängten, auf dem Solidarität mit dem Palästinensischen Volk gefordert wurde. In einem hellen Moment erkannte selbst der wankelmütige von Busse: „Ihre jüngste Erklärung ist ernüchternd, sogar erschütternd. Sie kehrt sämtliche Vorwürfe um, sieht überall Bösartigkeit und Diskriminierung, […] Sie bekennt sich zum Widerstand gegen den Staat Israel, zum antikolonialen Kampf, der die Künstler vereine.“18

Jubelkasseler, Gastprofessuren und ein verlogenes Lob vom Aufsichtsrat

Die documenta 15 wurde planmäßig zu Ende geführt. Ignoranten, Weichspüler und Jubelkasseler verabschiedeten im Beisein des Oberbürgermeisters die Künstler voller Begeisterung19 und die Israel-Hater unter den Kuratoren von Ruangrupa Iswanto Hartono und Reza Afisina bekamen zu ihrer Gastprofessur an der Uni-Kassel zum Dank dafür, den größten Antisemitismusskandal in der Kulturszene der letzten Jahre arrangiert zu haben, noch die in Hamburg20 obendrauf. Das Expertengremium arbeitete weiter und veröffentlichte dann am 06.02.2023 das 130 Seiten starke Gutachten, das an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Was wir im Januar 2022 aufgrund eindeutiger Indizien angenommen hatten war eingetreten, bzw. wurde noch übertroffen. Das Gutachten lässt sich genau so zusammenfassen, wie es die ansonsten in unverbrüchlichen Lokalpatriotismus der documenta verbundene HNA – nach reichlicher Überlegung – dann tat: als „Ohrfeige für ein Scheitern aller an der d15 Beteiligten.“21 Freilich ließ es sich der Journalist von Busse nicht nehmen, an der dem Gutachten zugrundeliegenden ausführlich dargelegten und begründeten Antisemitismusdefinition herumzukritteln. Alles ist relativ: Die 2021 erarbeitete Jerusalem Declaration on Antisemitism (JDA) sehe die dem Gutachten des Expertengremiums zugrundeliegende Arbeitsdefinition der International Holocaust Rememberence Alliance (IHRA) als zu weit gefasst: „Legitime Kritik an Israel, etwa an der Besatzung palästinensischer Gebiete, werde ungerechtfertigterweise als antisemitisch diskreditiert.“ Ein Vorwurf den die mit dem palästinensischen Volkstumskampf verbundenen engagierten Künstlern und ihre Apologeten ungern hören.22

Nach der Veröffentlichung des Gutachtens ließ Geselle verlauten: „Der Aufsichtsrat begrüßt insbesondere die klare Einordnung der kritisierten Kunstwerke und die Hinweise zum Spannungsfeld zwischen grundgesetzlich geschützter Kunstfreiheit und gleichzeitig verantwortlichem Umgang mit antisemitischen Darstellungen in diesem Zusammenhang.“23 Diese Erklärung ist ein skandalöses Ausblenden der von ihm zu verantwortenden massiven Fehlleistungen vor, während und nach der documenta 15. Anstatt selbstkritisch mit sich selbst und seinen Mitverantwortlichen (insbesondere Frau Angela Dorn und Claudia Roth) ins Gericht zu gehen, bemüht sich der Aufsichtsratsvorsitzende nun um die Darstellung seiner selbst, als sei er es gewesen, der sich von Beginn an die Vorbeugung und Bekämpfung von Antisemitismus im Zuge der Kunstschau auf die Fahne geschrieben hatte.

Die Erklärung erstaunt umso mehr, als dass der Aufsichtsrat erneut an die renitente Ruangrupa herantrat, um sie für die Mitarbeit in der Findungskommission der kommenden documenta zu gewinnen. Ruangrupa sagte ab, in Adam Szymczyk fand man jedoch eine weitere einschlägig vorbelastete Person, die Bereitschaft zeigte, in der kommenden Findungskommission mitzuarbeiten. Er hat nicht nur den A Letter Against Apartheid unterschrieben sondern es auf der documenta 14 den Antisemiten Franco Berardi ermöglicht, die Performance „Auschwitz on the Beach“ aufzuführen.24

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1 Abschlussbericht Gremium zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta fifteen, Nicole Deitelhoff u.a. 2023, S.5.

2 So hieß es beispielsweise in der TAZ: „Das Kassler Bündnis gegen Antisemitismus wirft den Verantwortlichen vor, die documenta 15 als Plattform zur Verbreitung israelfeindlicher und antisemitischer Positionen zu missbrauchen. In einem ausführlich mit Belegen gespickten Beitrag des Bündnisses heißt es, dass schon die Findungskommission für die künstlerische Leitung mit entsprechenden Personal besetzt war.“ Kunstfreiheit und Antisemitismus, taz.de, 14.01.2022.

3 Dahinter verbirgt sich ordinärer Antisemitismus, Welt, 25.05.2022.

4 Pressemitteilung, kassel.de, 16.01.2022.

5 Ist das alles von der Kunstfreiheit gedeckt? Hessenschau, 19.01.2022.

6 Pressemitteilung, kassel.de, 27.01.2022.

7 Nachdem die documenta zunächst mit einer nichtssagenden Erklärung reagierte, in der es hieß: „Die documenta fifteen unterstützt in keiner Weise Antisemitismus. Sie vertritt die Forderung der Freiheit von Kunst und Wissenschaft und unterstützt das Anliegen, Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus, gewaltbereitem religiösem Fundamentalismus sowie jeder Art von Diskriminierung entschieden entgegenzutreten reagierte“, schob sie am 19.01.2022 eine Erklärung nach. Dort konnte man lesen: „Verfälschende Berichte oder rassistische Diffamierungen, wie sie aktuell gegen Beteiligte der documenta fifteen vorgebracht werden, verhindern einen kritischen Dialog und eine produktive Debatte. Für die documenta fifteen haben ruangrupa und das Künstlerische Team Positionen eingeladen, die sich im Sinne der lumbung-Praxis mit künstlerischen Mitteln für ihre jeweiligen lokalen Kontexte engagieren. […] Grundlage der documenta fifteen ist die Meinungsfreiheit einerseits und die entschiedene Ablehnung von Antisemitismus, Rassismus, Extremismus, Islamophobie und jeder Form von gewaltbereitem Fundamentalismus andererseits.“ ().

8 Das sagen … OB Christian Geselle und Kunstministerin Angela Dorn, HNA, 20.01.2022

9 „Geselle nannte die Diskussion voller vorschneller Urteile ‚medial aufoktroyiert‘. .“ Pressekonferenz zum Start der documenta fifteen im Auestadion Kassel, HNA 15.06.2022.

10 Presseerklärung kassel.de, 21.06.2022.

11 Presseerklärung kassel.de, 20.06.2022.

12 Presseerklärung kassel.de, 21.06.2022.

13 Erklärung des Aufsichtsrates, 16.07.2022.

14 Interview. Alexander Farenholtz: „Die documenta ist besser als ihr Ruf“, dw.com, 10.08.2022.

15 Presseerklärung der unterzeichnenden Mitglieder des Gremiums zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta fifteen, 10.09.2022. Diese Erklärung wurde von 5 Mitgliedern des Gremiums unterzeichnet. Die am gleichen Tag veröffentlichte Presseerklärung des Gremiums selbst, fiel etwas zurückhaltender aus. Aber auch dort hieß es unmissverständlich wie in der oben zitierten Erklärung: „Auf der Ebene der ausgestellten Werke ist es aus Sicht des Gremiums die dringlichste Aufgabe, die Vorführung der unter dem Namen ‚Tokyo Reels Film Festival‘ gezeigten Kompilation von pro-palästinensischen Propagandafilmen aus den 1960er-1980er des Kollektivs ‚Subversive Film‘ zu stoppen.“

16 Die Findungskommission (documenta-Beirat) verkündete in einem Statement: „Der von Medien und Politiker*innen auf das gesamte Team der documenta fifteen ausgeübte Druck ist unerträglich geworden“ und sprachen von einer Instrumentalisierung der Kritik des Antisemitismus um „Kritik am Staat Israel“ und „seiner Besatzungspolitik“ abzuwehren. Presseerklärung documenta.de, 15.09.2022.

17 In der Erklärung „We are angry, we are sad, we are tired, we are united. Letter from lumbung community“ führen die Unterzeichner aus, zu der zahlreiche Künstler und ruangrupa gehören: „Resistance to the State of Israel is resistance to settler colonialism, which uses apartheid, ethnic cleansing, and occupation, as forms of oppression. […] The Palestinian anti-colonial struggle emerges in many lumbung artists’ works because of the historical solidarities between these transnational anti-colonial struggles.“ e-flux.com10.09.2022.

18 Standpunkt. Am Ende bleibt ein Scherbenhaufen, HNA 17.09.2022.

19 Wie es sich für Antisemiten gehört, konnten diese auf einen israelischen Juden verweisen, der ihnen die Freundschaft erklärte. „Vor der Abschlussveranstaltung waren noch einmal Tausende Menschen zur d15 gekommen. Am Rande hatte der indonesische Künstler Setulegi vom Künstlerkollektiv Taring Padi eine Performance genau an jener Stelle auf dem Friedrichsplatz veranstaltet, wo zu Beginn der documenta das Banner abgebaut worden war. Setulegi kam nicht allein: Begleitet von dem Berliner Künstler Guy David Briller, einem israelischen Juden, markierte der Indonesier zunächst mit Mehl den Standort des abgehängten Banners.“ Ende der documenta 15: Applaus zum Abschluss, HNA, 25.09.2022.

20 Dazu die Flugschrift des Bündnis gegen Antisemitismus Hamburg „Deutschland spricht. Zeitenwende des Antisemitismus, 1./2. Februar 2023„.

21 Das Gutachten erschien am 06.02.2023 und rief ein großes Echo in den Medien hervor. Die HNA erläuterte 3 Wochen später den Inhalt des Gutachtens in dem Artikel: „Echokammer für Antisemtismus“, HNA, 28.02.2023.

22 „Den AutorInnen der ‚Jerusalem Declaration on Antisemitism‘ geht es nicht um eine Präzisierung der Antisemitismus-Definition der IHRA, sondern um die Freisprechung vom Antisemitismusverdacht, sofern es um Äußerungen oder Aktionen gegen Israel geht. Sie wollen einen Freibrief für israelbezogenen Antisemitismus.“ schreibt Matthias Küntzel in seiner Intervention: Aber irgendwie doch, perlentaucher.de, 30.03.2021.

23 Presseerklärung documenta.de, 06.02.2023.

24 Stefan Laurin, Documenta setzt weiter auf Israelhass, ruhrbarone.de, 11.11.022. Zur Franco Berardi ausführlich unseren Beitrag: Ein Maulheld und das große Einseifen, bgakasselblog.wordpress.com, 05.09.2018.

Dialog mit den Propagandisten des Israel-Hasses in Hamburg und die Ruhe in Kassel

Ein Flugblatt des Bündnis gegen Antisemitismus Hamburg

Vorbemerkung:

Ein hochkarätig besetztes documenta-Symposium in Hamburg redete „endlich“ über Antisemitismus, vermeldete am 03.02.2023 die nordhessische Lokalzeitung HNA.1 Es wird u.a. ausgeführt: „Experten trafen auch auf zwei indonesische Kuratoren von Ruangrupa, deren Gastprofessur an der HBFK für viel Empörung in Hamburg gesorgt hat, während Reza Afisina und Iswanto Hartono an der Kasseler Kunsthochschule in Ruhe arbeiten können.“ Ja das können sie, denn in Kassel herrscht seit dem Ende der documenta 15 weitgehend beredtes Schweigen. Kontroverse Diskussionen über das Versagen der politisch Verantwortlichen für das antizionistische Spektakel im Sommer 2022 mied man in Kassel wie der Teufel das Weihwasser. Uns vom Bündnis gegen Antisemitismus Kassel versuchte man das Maul zu stopfen. Obwohl wir sowohl im Januar den Oberbürgermeister Kassel2, als auch die Kulturstaatsministerin Claudia Roth angeschrieben hatten, blieb jede Nachfrage und jede Anfrage, worin das Problem besteht, aus. Anstatt dessen wurden wir mit einer Abmahnung konfrontiert, man versuchte unsere, schon im Februar angemeldete Kundgebung zu behindern und man brachte uns mit vermeintlichen Morddrohungen gegen Künstler der documenta in Verbindung, um uns zu diskreditieren.3 Nachdem unsere Recherchen von der HNA zunächst ausführlich vorgestellt wurden, versuchte die Lokalpresse uns der Inkompetenz zu überführen, indem sie mit Joseph Croitoru einen „Experten“ präsentierten, der eines unserer zentralen Argumente mit abenteuerlichen Ausflüchten zu begegnen versuchte. Mit Verweis auf die dürftige Argumentation der Elke Buhr und auf Meron Mendels Nebelkerzen zog man sich in Kassel aus der Affäre, die Kritik wurde als von außen kommend vom Tisch gewischt und bis zur Eröffnung der documenta ignoriert.4 Andere Akteure in der Stadt hielten sich vornehm zurück. Kein Wunder, dass die antiisraelischen Agitatoren der Ruangrupa auch an der Kasseler Universität ungestört wirken können.

Als in Hamburg die Berufung der beiden Ruangrupa-Agitatoren Iswanto Hartono und Reza Afinisa an die Hochschule für Bildende Künste (HFBK) bekannt wurde, gab es handfestere Kritik.5 Angesichts des von der HNA gefeierten Symposiums der HFBK verfasste das Bündnis gegen Antisemitismus Hamburg folgende Flugschrift. Außerdem veröffentlichen wir hier die kritische Schau des Bündnis gegen Antisemitismus Hamburg auf die Teilnehmer des Symposiums.

Flugschrift zum HFBK- Symposium Kontroverse documenta fifteen, 1./2. Februar 2023

Deutschland spricht

Zeitenwende des Antisemitismus

Jede Gesellschaft setzt Konflikte in Szene, deren politische und psychische Dimensionen ihr selbst nicht jederzeit klar sind. Bestimmte Aussagen über Antisemitismus können sich in der Öffentlichkeit nur halten, wenn Interessenfelder bestehen, in die sie sich einschreiben können. Nur dann entsteht für dieses Thema ein Sprechraum.

Die deutsche halbstaatliche Kulturszene hat, ausgehend von staatlichen Kulturinstitutionen (Bundeskulturstiftung, Goethe-Institut, Humbold-Forum etc), eine „postkoloniale“ Diskussion über die BDS- Resolution des Bundestags erzwungen und die Gesellschaft hat entschieden, sich auf diese antisemitische Kampagne einzulassen.

Es gab ähnliche Konstellationen, etwa die Friedenspreis-Rede von Martin Walser in der Frankfurter Paulskirche 1998, die bei den „Eliten“ für stehende Ovationen sorgte. Aber die Konstellation war damals etwas anders, der Zentralrat der Juden galt noch als moralische Instanz und deshalb konnte Ignatz Bubis dagegenhalten.

Jetzt, 30 Jahre nach der „Vereinigung“, hat sich in der BERLINER REPUBLIK ein sogenanntes weltoffenes Kulturmilieu etabliert. So wie es ohne Weltmarkt keine Weltliteratur gäbe, so ist der Wunsch nach einer „Entprovinzialisierung“ der Holocaust-Erinnerung eine Reaktion auf die wachsende deutsche Weltmacht-Rolle. Zu der, so glaubt man jetzt, würde eine postkoloniale und „multidirektionale“ Innen- und Außenpolitik besser passen. Müsste man Antisemitismus und Rassismus nicht mehr unterscheiden, würde Antizionismus nicht mehr als Antisemitismus gelten. Vergleichende Genozid-Studien und kritische Rassentheorie würden dann zeigen, dass der Holocaust der Deutschen nur ein Unterkapitel der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts war.

Wenn die Shoa auf diese Weise in eine Reihe mit anderen Verbrechen gestellt wird oder gar hinter dem Kolonialismus verblasst und so jegliche Singularitätsvorstellung für den Holocaust ausrangiert ist, sind auch alle Verpflichtungen gegenüber Israel hinfällig, was nicht nur der deutschen Iran-Politik einen prima Aufschwung bescheren würde.

Ohne Anerkennung der Singularität des Holocaust stünde die Existenzberechtigung des jüdischen Staates zur Disposition, der allein den Juden eine existenzielle Sicherheit gibt.

►„Kontroverse“ unter Ausschluss der Jüdischen Gemeinden und des Zentralrates

Diese Veranstaltung ist nicht als Treffpunkt für vom Antisemitismus bedrohte und geschädigte Menschen konzipiert. Es ist dort niemand vertreten, der zentral für jüdische Interessen spricht. Es gibt niemand von einer deutsch-jüdischen Institution.

Martin Köttering, verschärft diesen Affront gegen die Juden noch mit einem zynischen Statement:

„Das Publikum ist ausdrücklich als Part des Symposiums willkommen – womit ich vor allem auch eine sehr ernst gemeinte Einladung an die Jüdischen Gemeinden Hamburgs verbinde. (Abendblatt, 28.1.23)

Um diese Provokation noch zuzuspitzen, schiebt er dies nach: „Zweifelsohne werden verschiedene Perspektiven aus jüdischen Communitys (!) im In- und Ausland auf den Podien vertreten sein. Selbstverständlich sind auch Ruangrupa und das Künstlerkollektiv Taring Padi vor Ort.“

Die „Jüdische Allgemeine“ schreibt dazu:

„Auf dem Podium werden keine Vertreter der Jüdischen Gemeinde Hamburg, des Zentralrats der Juden oder der Antisemitismusbeauftragte sitzen, sondern Hartono und Afisina, Vertreter aus dem Kulturbetrieb, davon Aktivisten der Kampagne gegen den Anti-BDS-Bundestagsbeschluss und natürlich einige jüdische Protagonisten, die weit entfernt von unserer jüdischen Realität und jüdischen Institutionen agieren.“

Diese „jüdischen Protagonisten“ sind Podiums-Teilnehmer wie Natan Sznaider, Gilly Karjevsky, Meron Mendel, Nora Sternfeld und Doron Rabinovici. Vor allem Karjevsky und Mendel gehören zu jenen „israelkritischen Israelis“, die von den deutschen Medien gezielt als Kronzeugen gegen den „dogmatischen“ Zentralrat der Juden instrumentalisiert werden, der als „moralische Instanz“ seit Jahren systematisch de-legitimiert wird.

In Hamburg standen Juden unlängst vor der HFBK, um gegen die Professuren von zwei Antisemiten zu protestieren. Sie wollen diesen Diskurs nicht legitimieren. „Wir wollen nicht mit Leuten diskutieren, die uns als Schweine darstellen, und auch nicht darüber, ob der einzige Staat, der Jüdinnen und Juden im schlimmsten Fall aller Fälle Sicherheit gibt, eine Existenzberechtigung hat“.


►Ein gemeinsames Rollenspiel von Publikum, Referenten und Medien


Alle an diesem Symposium Beteiligten – einschließlich der Journalisten – spielen ihre Rollen nach einem bestimmten Drehbuch. Man könnte auch einfach mit Handzeichen abstimmen. Was gesagt wird und ungesagt bleibt, sind Effekte zugewiesener Diskussionspositionen, die zusammen eine „israelkritische“ Binnensicht ergeben.

Es ist die Inszenierung eines theatralischen Tauschs zwischen Referenten, Publikum und Journalisten, eine vom Austausch zwischen Gleichgesinnten geprägte Mimesis. Es ist eine Geschichte, die eine Gruppe sich über sich selbst erzählt. Der Ritualcharakter dieser HFBK-Veranstaltung zeigt sich bereits im Sich-Dummstellen des Publikums.

Niemand aus dem Hamburger Kulturbetrieb kommt zu dieser Veranstaltung, um sich an die Seite der Hamburger Juden zu stellen und seine Stimme gegen die Zumutungen dieser Veranstaltung zu erheben. Das war schon in Kassel so.

Wenn es um „Rassismus“ geht, sind alle zur Stelle, beim Antisemitismus schweigen sie. Im Gegensatz zu rechtsradikalen oder islam-fundamentalistischen Akteuren, die manifeste Hetzreden bevorzugen, sagt das kulturlinke Publikum mit Hochschulabschluss und akademischen Titeln nicht „Saujude“, sondern bemüht sich um „differenziert“ klingende Argumentationsmuster auf sprachlich-stilistisch gutem Niveau – selbst dann, wenn es um Bilder geht, die Juden als Schweine darstellen.


►Die Priester-Funktion der „Experten“

„Braucht man wirklich sieben Professoren, um festzustellen, dass die Darstellung eines Juden mit einer Hakennase, der mit einer Kippa auf einem Beutel Geld sitzt, antisemitisch ist? Oder das Bild eines Schweins mit einem Judenstern? (…) Man muss sich doch mal anschauen, wer da mit wem debattiert (…) Man darf nicht zulassen, dass sich die Grenzen Stück für Stück verschieben und der Links-Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft ankommt.“ (Ron Prosor, israelischer Botschafter am 28.1.23 im Abendblatt)

Wenn es um „heikle Themen“ wie Israelkritik geht, müssen „Experten“ her, die wie Priester vorgeschoben werden, die deutschen Antisemiten die Absolution erteilen können. Sie sind in Wirklichkeit Komplizen des deutschen Gedächtnisses. Ihre Nüchternheit ist ein Gerücht. Ihr Auftritt richtet sich zuerst gegen die „subjektive“ jüdische Wahrnehmung dieser Zeitenwende.

Die von der HFBK engagierten Priester haben ihre Karrieren überwiegend begonnen, als nach 1990 das vereinte Deutschland wegen seiner neuen weltpolitischen Macht dringend eine „Erinnerungskultur“ brauchte. Viele die hier sitzen, haben ihre Dissertationen über Konzentrationslager oder die SS geschrieben, bevor sie als Israelkritiker auffielen. Sie glauben, als „Gedenkstättenreferenten“ oder Leiter von staatlichen Institutionen, die nach ermordeten Juden benannt sind, hätten sie jetzt ein Recht dazu.


►Die deutsche Liebe zum „globalen Süden“

ist der Versuch, den eigenen Antisemitismus hinter ausländischen Israel-Hassern zu verstecken, die man extra zu diesem Zweck engagiert oder – wie im Fall Mbembe – mit Preisen überhäuft und zu Suhrkamp-Bestseller Autoren hoch lobt.

Die Minderheitenrhetorik der documenta, die alle anderen in paternalistischer Manier zu Repräsentanten fremder Kollektive ernennt, ist klassischer Rassismus und eine abstrakte Anrufung des Globalen, die über Deutschlands Macht und Export-Ökonomie schweigt.

Zudem wird hier von der angeblichen Global-South-Advocacy ein konterrevolutionärer Fake-Internationalismus inszeniert, der sich gegen alle diejenigen im Trikont richtet, die im Gegensatz zum immergleichen antiisraelischen Mantra im globalen Süden – vom Sudan bis zum Iran – gegen Islamismus und Despotie kämpfen. Tatsächlich bedauert man in Deutschland, dass Israel in vielen afrikanischen Ländern und seit den Abraham Accords auch in arabischen Ländern einen guten Ruf hat. Gerade die arabisch-israelische Annäherung – im Lichte der atomaren Bedrohung durch den Iran der Mullahs – ist ein Dorn im Auge der BDS-Bewegung und der Weltoffenen.

►„Pro & Contra Antisemitismus“ – Frenemies 1932 und 2023

Die HfBK nennt die jüdische Documenta-Kritik eine „Kontroverse“. Die Hochschule wolle jetzt unterschiedliche Standpunkte über Antisemitismus ins Gespräch bringen und dabei ganz viel Raum für Zwischentöne und Differenzierungen schaffen.

Von den 22 Teilnehmern dieses für die Jüdischen Gemeinden gesperrten Symposiums sind 15 deutsche Mbembe-Fans, BDS-Versteher und documenta-Verteidiger, drei, kalkuliert von Deutschland als Kronzeugen des „authentischen“ Israel-Hasses, eingeladene südglobale Indonesier und vier mäßig kritische Panel-Profis, geübt in der Kunst der Differenzierung.

Sie alle würden es nicht wagen hier zu sitzen, wenn es gesellschaftlichen Widerstand gegen diese Zeitenwende zwecks „Entprovinzialisierung“ der Holocaust-Erinnerung gäbe.

In den Feuilletons wird in den nächsten Tagen die zentrale Botschaft dieser HFBK-Veranstaltung millionenfach verbreitet werden: Es darf ab sofort unbefangen über das
Für & Wider des Antisemitismus gestritten werden.

Es gibt dieses „Pro & Contra“ schon seit einiger Zeit. Typisch dafür sind Artikel mit Fragezeichen-Überschriften: „Pro und Contra Israel-Boykott: Antisemitisch oder kritisch?“ (Taz) oder: „Pro und Contra: Ist BDS antisemitisch oder legitimer Protest? (SZ).

Ende November 2022 wurde in der HFBK der von Meron Mendel herausgegebene Sammelband „Frenemies“ vorgestellt. Auch dieses Buch über „Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus“ ist voller Fragezeichen: „Was unterscheidet Antisemitismus und Rassismus? Gibt es Verbindungen zwischen Nationalsozialismus und Kolonialismus? Ist BDS antisemitisch?

Der Titel „Frenemies“ enthält schon das ganze Programm: Die Relativierung der Judenfeindschaft und besonders die Bagatellisierung des „israelbezogenen Antisemitismus“ werden als ambivalente Mischung aus Freund & Feind inszeniert:

„Beide Seiten geraten immer wieder massiv aneinander, zuletzt in der Documenta-Debatte. Für die einen war klar: Einige der in Kassel gezeigten Kunstwerke seien antisemitisch. Dem entgegnete die andere Seite: „Das ist purer Rassismus, denn diese Kunstausstellung wurde von Menschen aus dem sogenannten globalen Süden kuratiert.“

Die Vorlage für dieses Buch ist ein anderes aus dem Jahr 1932. Es heißt:

„Der Jud ist schuld? – Diskussionsbuch über die Judenfrage“.

In diesem Sammelband kommen die „Frenemies“ der damaligen Zeit zu Wort: Im ersten Drittel Deutschvölkische und Nationalsozialisten, im mittleren Teil, der „Für & Wider“ heißt, unter anderem die Kommunisten und im letzten Drittel überwiegend jüdische Autoren.

Es ist heute offenbar möglich ein Diskussionsbuch zum Thema „Pro & Contra Antisemitismus“ zu machen und in der HFBK vorzustellen, in dem im ersten Drittel „postkoloniale“ Holocaust-Relativierer und BDS-Befürworter das Wort ergreifen, sodann im zweiten Drittel über ein „Für & Wider“ geredet wird und im letzten Drittel handzahme akademische Anti-Antisemiten einige Einwände vorbringen dürfen.

Das heutige HFBK-Symposium ist die Live-Ausgabe von „Frenemies“.
Sein einziger Zweck ist es, Antisemitismus durch die Inszenierung eines Für & Wider-Diskurses als vertretbaren Teil des Meinungsspektrums zu etablieren.

Das ist eine weitere Radikalisierung des Antisemitismus der deutschen Kulturszene, und die HFBK erweist sich als das antijüdische Zentrum einer links-antisemitischen Eskalation.

„Es wird ein Symposium sein, das eine Zeitenwende für Juden sowie jüdische Institutionen zusammenfasst, sichtbar macht und verdeutlicht, dass unsere Meinung, die Meinung von Juden, bloß stört“. (Jüdische Allgemeine, 24.01.2023)

Gegen die Schwerkraft dieses deutschen Willens zum „Pro & Contra Antisemitismus“ scheint jeder Einspruch vergeblich. Die „Kontroverse“ dient nur dazu diese Evidenz kleinzuarbeiten.


1 Endlich wurde geredet. Hochkarätig besetztes documenta-Symposium in Hamburg über Antisemitismus, HNA, 03.02.2023.

2 Siehe unseren Beitrag vom 11.07.2022: Sie wußten was sie taten.

3 Siehe unseren Beitrag vom 02.06.2022: Ein Einbruch und waghalsige Schlussfolgerungen.

4 Joseph Croitoru wurde in der HNA mehrfach angeführt, um mit windigen Argumenten zu belegen, dass die Ausführungen der Kritiker an der Ausrichtung der documenta fifteen und an einzelnen Kunstwerken haltlos seien. Elke Buhr verharmloste die Tatsache, dass die Namensgebung des Khalil Sakakini Cultural Centers als positiver Bezug zum Nationalsozialismus zu interpretieren ist und streute als erste prominente Person das Gerücht, die Kritik des BgA-Kassel sei rassistisch motiviert. Meron Mendel tat sich dahingehend hervor, dass er zunächst abstritt, dass Antisemitismus ein Problem auf der documenta fifteen sein könnte. Der Oberbürgermeister der Stadt Kassel verurteilte auf der Eröffnungsfeier der documenta 15 die Kritik als von außen kommend zurück.

5 z.B. Ruangrupa-Künstler an der HFBK. Proteste bei Semestereröffnung, NDR, 13.10.2022.